Gamification im Qualitätsmanagement – innovatives Lernen durch digitale Team-Battles

Wie Festo durch spielerisches Lernen Teamgeist und Qualitäts-Know-how stärkt
Im Qualitätsmanagement der Festo SE & Co. KG, einem weltweit führenden Anbieter in der pneumatischen und elektrischen Automatisierungstechnik, herrscht eine ungewöhnliche Atmosphäre. QM-Mitarbeiter aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen und Standorten diskutieren Qualitätsfragen und tippen um die Wette Antworten in ihre Smartphones und PCs. Der Grund: Ein innovatives Gamification-Projekt in Form eines Quiz-Gewinnspiels. Das Familienunternehmen mit Hauptsitz in Esslingen, das seit über 60 Jahren Impulsgeber in der Automatisierung ist und auf das weltweit 300.000 Kunden in der Fabrik- und Prozessautomation vertrauen, geht neue Wege in der Qualifizierung seiner Belegschaft. Als innovative Ergänzung zu klassischen Trainings treten die QM- Mitarbeiter in einem digitalen Quiz-Battle gegeneinander an und frischen dabei spielerisch ihr Fachwissen über das Qualitätsmanagement auf.
Learning by Gaming mit der DGQ-Lern-App
Manchmal entstehen die besten Ideen aus persönlicher Erfahrung. Wie Stefan Schwerdtle, Vice President Corporate Quality, berichtet, stand er als Quereinsteiger im Qualitätsmanagement vor einer typischen Herausforderung: „Wie komme ich schnell auf Augenhöhe mit erfahrenen QM-Experten?” Auf der Suche nach einer adäquaten Fachausbildung entschied er sich für die Lehrgangsreihe der DGQ Weiterbildung zum Qualitätsmanager, die ihm das nötige Grundhandwerkzeug für seine neue Rolle vermittelte.
Während des Trainings lernte er die Vorteile der DGQ-Lern-App kennen. „Abends im Tagungshotel habe ich viel lieber mit der App gelernt, als den auch zur Verfügung gestellten Papierordner durchzuarbeiten“, beschreibt Schwerdtle seine Erfahrung. Das didaktische Konzept, ein digitales Karteikastensystem mit intelligentem Wiederholalgorithmus, überzeugte ihn: „Wenn man eine Frage dreimal richtig beantwortet hatte und sie damit in der ”3x-Richtig-Box“ landete, war das Wissen für die Prüfung abrufbar.”
Der Quiz-Aspekt kam per Zufall dazu, als ein Festo-Kollege aus demselben Kurs Schwerdtle abends zu einem Quiz-Battle herausforderte. „Das war der Moment, wo der Spaß am Lernen begann“, erinnert er sich. „Man hat sich in der Woche gegenseitig herausgefordert und schnell gemerkt, welche Kategorie man schon besser konnte als der andere und wo man noch nacharbeiten musste.” Auch nach der Zertifizierung setzen die Kollegen die Quiz-Runden fort. Dies inspirierte Schwerdtle, das DGQ-Quiz in größerem Rahmen für die Mitarbeiterqualifizierung zu nutzen. Im Sommer 2023 startete ein erster Durchlauf mit etwa 50 Mitarbeitern aus dem Bereich Corporate Quality – mit durchschlagendem Erfolg und einer Beteiligungsquote von nahezu 100 Prozent.
„Ich war damals wirklich überwältigt, wie toll das angenommen wurde!“, berichtet Schwerdtle. „Das hat sich für niemanden anstrengend angefühlt.”
Besonders positiv überraschte ihn die breite Wirkung des Quiz. Sowohl erfahrene QM-Experten als auch Mitarbeiter ohne QM-Hintergrund fanden Gefallen daran. „Es hat mich wirklich fasziniert, wie einfach es gehen kann, in zwei Wochen Grundlagenwissen an eine breite Mannschaft von 50 Personen zu bringen und gleichzeitig im Teamwettbewerb gegeneinander zu spielen und Spaß zu haben“, resümiert Schwerdtle.
Standortübergreifendes Community-Building
Die guten Erfahrungen führten zu einer zweiten, größeren Quiz-Runde, bei der von November bis Mitte Dezember 2024 rund 250 Mitarbeiter aus unterschiedlichen Standorten und QM-Bereichen teilnahmen. In dieser bereichsübergreifenden Struktur sieht Schwerdtle weitere Vorteile: „Das eine ist, dass man sich eine gemeinsame Wissensbasis erarbeitet. Jeder schärft sein Grundwissen nach, egal ob er in einem Produktionswerk ist, in einer Vertriebsgesellschaft oder im Headquarter bei der Produktentwicklung.” Teilnehmer Abdullah Sag, Leiter Qualitätsmanagement am Produktionsstandort Scharnhausen, bekräftigt: „Die wertvollsten Momente sind die fachlichen Diskussionen im Anschluss. Während manche Fragen für Qualitätsexperten Routine sind, entwickeln sich bei anderen intensive Gespräche, die zu einem echten Erkenntnisgewinn führen.” Die einheitliche Wissensbasis verbindet erfahrene Mitarbeiter und Neueinsteiger über alle Unternehmensbereiche hinweg.
Einen zusätzlichen Vorteil erkennt Schwerdtle in der abteilungs- und länderübergreifenden Vernetzung von QM-Teams, die im Arbeitsalltag wenig Berührungspunkte haben. Teilnehmer Florian Schuchart, der im Qualitätsmanagement kundenspezifischer Lösungen tätig ist, kann dies bestätigen: „Durch das Quiz kommen wir mit Kollegen ins Gespräch über Fachinhalte – und zwar auch mit denen, die wir sonst nur selten treffen.” Teilnehmer Oliver Walte, Leiter Qualitätsmanagement des Produktionsstandorts Pieterlen in der Schweiz, stimmt zu: „Wir hätten auch ein Quiz nur innerhalb einer Abteilung oder im Headquarter machen können. Aber diese globale Dimension fand ich sehr schön. Es motiviert unheimlich, wenn man gegen andere Abteilungen spielt. Der Teamgedanke über Ländergrenzen hinweg hat das Ganze noch verstärkt.”
Das große Finale als Höhepunkt

Siegerehrung nach dem Finale: (v.l.n.r.) Matthias Merkle (Projektleiter), Florian Schuchart (Sieger des Quality Quiz Duells) und Philipp Schreiner (Quality Quiz Duell Kernteam). ©Festo SE & Co. KG
Den spannenden Schlusspunkt des Quality Quiz Duells setzte ein Live-Finale. Der Teamgedanke stand auch dabei wieder im Vordergrund: „Wir haben uns bewusst dazu entschieden, im Team zu spielen“, betont Mathias Merkle, der Projektleiter des Quality Quiz-Duells. „Daher haben wir einen Spielmodus entwickelt, bei dem am Ende das beste Team eines jeden Standorts ins Live-Finale kommt.“ Die insgesamt rund 130 Teilnehmer des Events waren mit vollem Einsatz bei der Sache – egal ob beim Public Viewing im Headquarter oder live zugeschaltet aus den Standorten. Den Gesamtsieg sicherte sich am Ende Team Saarland. Ausgezeichnet wurden auch die drei erfolgreichsten Einzelspieler.
Erfolgsfaktoren für die Umsetzung
Als Schlüssel zum Erfolg sehen Schwerdtle und Merkle eine sorgfältige Vorbereitung. Zentral ist dabei die Benennung eines Projektleiters, bei dem alle Informationen zusammenlaufen. „Ein gut funktionierendes Kernteam und erweiterte Teams in den Standorten sind außerdem die Basis für den Erfolg“, ergänzt Merkle.
Man sollte sich genau überlegen, wie das Quiz in der eigenen Organisation optimal genutzt werden kann, rät Schwerdtle. Dabei gilt es, grundlegende Fragen zu klären: Wird im Team oder einzeln gespielt? Wie lang sind die Spielrunden? Auch praktische Aspekte wie Ferienzeiten und die Einbindung des Betriebsrats müssen berücksichtigt werden. „Vor Spielstart sollte man einen Plan machen, bei dem jeder Meilenstein gesetzt ist“, betont Projektleiter Merkle. Gemessen an der Zahl der erreichten Mitarbeiter schätzt Schwerdtle den Gesamtaufwand für Vorbereitung und Durchführung jedoch als überschaubar ein.
Überraschend einfacher Einstieg
„Entscheidend für den Erfolg sind zwei bis drei Personen in den Bereichen, die das Quiz kennen und die verstehen, was Quiz-Battle heißt“, meint er. Diese Mitarbeiter prägen durch ihre Erfahrungen den “Flurfunk” in der Kaffeeküche und wecken Neugier im Team. Diese Beobachtung bestätigt auch Teilnehmerin Lara Schneider, die als Qualitätsingenieurin im Logistikbereich arbeitet, und ergänzt: „Auch Kollegen, die nicht direkt am Quiz-Battle beteiligt waren, haben ständig nachgefragt: „Wie weit seid ihr jetzt? Auf welchem Platz steht ihr?“ Sie wollten sogar die Fragen sehen. Das Interesse im Büro war von allen Seiten wirklich sehr groß.” So entsteht eine Eigendynamik, die das Quiz nach kurzer Anlaufphase ohne aufwendige Anleitungen zum Selbstläufer macht.
Qualitätsstrategie und moderne Didaktik
Das Quiz-Projekt ist bei Festo nicht als isolierte Maßnahme konzipiert, sondern fügt sich in ein modernes, digitales Gesamtkonzept des Qualitätsmanagements ein. Neben dem Quiz setzt das Unternehmen auch andere innovative Formate ein, etwa eine Darstellung des Qualitätsmanagements in Comicform, bei der Avatare der Führungskräfte Sachverhalte erklären.
Schwerdtle ist überzeugt, dass moderne Mitarbeiterqualifizierung von einer durchdachten Herangehensweise lebt: „Über die Qualifizierungsformate sollte man sich sehr genau Gedanken machen, wenn man seine Mannschaft weltweit auf dem Stand halten will. Ich kann den besten Inhalt haben, wenn ich den aber in einem schlechten didaktischen Format vermittele, dann ist die Frage: Was bleibt wirklich hängen?“
Sein Fazit zu den beiden Quiz-Gewinnspielen ist durchweg positiv. Er sieht darin die Möglichkeit Qualität und Qualitätsinhalte auf eine moderne, überraschende und positive Art und Weise für die Menschen greifbar zu machen.
Das Quality-Quiz-Duell bei Festo zeigt eindrucksvoll, wie Gamification Weiterbildung zu einem mitreißenden Lernerlebnis machen kann, das Menschen verbindet und inspiriert.
Was ist Gamification? Gamification überträgt Spielelemente wie Wettbewerb, Punktesysteme und Belohnungen auf nicht-spielerische Bereiche. In der Weiterbildung werden Lerninhalte durch spielerische Elemente ansprechender und motivierender gestaltet. So unterstützt Gamification den Lernerfolg Möglichkeiten der DGQ-Lern-App: Für weitere Informationen sprechen Sie uns gerne an! Christiane Köngeter |
Die DGQ als ein nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierte Personenzertifizierungsstelle

Der Begriff „Zertifikat“ ist nicht geschützt – jeder kann für alle erdenklichen Sachverhalte ein Zertifikat ausstellen. Daher ist es wichtig sowohl die Organisation, die Zertifikate ausstellt, als auch die Grundlage, auf der ein Zertifikat ausgestellt ist, zu kennen.
Im Bereich der Weiterbildung und Personenzertifizierung lassen sich insbesondere folgende Zertifikate mit Bezug auf eine Person unterscheiden:
- Teilnahmebescheinigungen an Bildungsveranstaltungen – häufig auch Zertifikat genannt
- Bescheinigung der Kompetenz von Personen auf Basis festgelegter Soll-Kompetenzen mit Nachweis der Befähigung gegenüber einer unabhängigen kompetenten Stelle – Kompetenzzertifikat genannt
Der Bildungsmarkt ist geprägt von einer hohen Anzahl an Anbietern, die eine Vielzahl an Zertifikaten oder anderen Nachweisen – oft im Anschluss an entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen – ausstellen. Es lohnt sich also zu schauen, auf welcher Basis die Zertifikatsaussteller arbeitet und ob die Personenzertifizierungsstelle eine entsprechende Akkreditierung besitzt beziehungsweise nach deren Regeln arbeitet.
Nutzen der Zertifizierung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
In Deutschland wird großer Wert auf Zertifikate gelegt. Ein unmittelbarer Nutzen ergibt sich daher für die zertifizierte Person, die ihren Lebenslauf durch entsprechende Kompetenznachweise aufwertet.
Für den Arbeitgeber entsteht so Transparenz. Kompetenzen sind klar erkennbar und Lebensläufe werden besser vergleichbar. Je nach Zertifikat können Kenntnisse und Fertigkeiten vorausgesetzt werden, die nicht mehr „on-the-job“ trainiert werden müssen. Ein Mitarbeiter ist so für die entsprechende Position schneller einsetzbar.
Anspruch und Vorgehen von akkreditierten Personenzertifizierungsstellen nach ISO 17024
Die Grundlage für die Bewertung und die Entscheidung, ob jemand ein Zertifikat erhält, bildet das Zertifizierungsprogramm. Dieses enthält alle erforderlichen Bedingungen und Spielregeln. Es beginnt mit der Festlegung des „Job-Profils“ – den Aufgaben und Tätigkeiten, die in der Ausübung der jeweiligen Funktion zu erledigen sind. Daraus werden Lernziele und Lernzielstufen abgeleitet, welche die erforderlichen Kompetenzen (Fähigkeiten und Fertigkeiten) beschreiben. Diese Lernziele sind eine wesentliche Grundlage für die entsprechenden Weiterbildungsangebote. Schließlich wird festgelegt, wie die Kompetenzen nachgewiesen werden müssen – zum Beispiel durch spezifische Prüfungen, Fähigkeits-, oder Ausbildungsnachweise, Nachweise praktischer Erfahrung im Aufgabengebiet oder erfolgreich durchgeführte Projekte.
Auf der Basis dieser Festlegungen werden die Zertifizierungsverfahren durchgeführt. Dies umfasst die Beantragung der Zertifizierung, die Einreichung und Überprüfung der Nachweise und die Durchführung und Bewertung der Prüfung bis hin zur Ausstellung des Zertifikates, sobald alle Bedingungen erfüllt sind.
Für den Kunden beziehungsweise Interessenten an einer Zertifizierung sind die maßgeblichen Bedingungen in einer „Zertifizierungs- und Prüfungsordnung“ festgelegt und nachvollziehbar.
Alle Interessenten an einer Zertifizierung werden gleich und gerecht behandelt und alle zertifizierungsrelevanten Tätigkeiten werden unparteilich, neutral und objektiv mit kompetentem Personal durchgeführt. Dies erfordert einen erheblichen Aufwand für das Betreiben eines Managementsystems, die Sicherstellung der festgelegten Kompetenzen der Prüfer und die Personalausstattung.
Alle genannten Bedingungen basieren auf der Internationalen Norm DIN EN ISO/IEC 17024, welche die Anforderungen an die Kompetenz von Personenzertifizierungsstellen festlegt.
DIN EN ISO/IEC 17024 als Basisregelwerk zur Kompetenzzertifizierung durch Personenzertifizierungsstellen
Im Zuge der fortschreitenden globalen Harmonisierung nimmt die Zertifizierung der Kompetenz von Personen auf bestimmten Fachgebieten an Bedeutung zu. In Deutschland ist die Kompetenzzertifizierung von Personen ein Tätigkeitsfeld, das insbesondere in Bereichen angewandt wird, in denen es keine gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Berufsausbildung gibt. Außerdem ist sie für Tätigkeiten relevant, für welche die Aktualität der Kompetenz nachgewiesen werden soll oder aufgrund von internationalen Anforderungen eine vergleichbare Kompetenz und Einsetzbarkeit der Personen gefordert ist.
Eine harmonisierte Zertifizierung und Überwachung solcher Personen wird durch akkreditierte Personenzertifizierungsstellen sichergestellt, die den Anforderungen der DIN EN ISO/IEC 17024 genügen müssen.
Ziel und Zweck
Die DIN EN ISO/IEC 17024 wurde für Organisationen, die Personen zertifizieren, erarbeitet, um eine international anerkannte Vergleichbarkeit von Personenzertifizierungsstellen und Personenzertifizierungsprogrammen zu erreichen und zu fördern. Sie beschreibt die Anforderungen an Zertifizierungsstellen, die erforderlich sind, um Vertrauen in die Aussagekraft der Zertifizierung zu schaffen. Die Anforderungen stellen sicher, dass die Zertifizierung von Personal einheitlich, neutral, unabhängig sowie fair und unter den Grundsätzen einer Gleichbehandlung abläuft. Dies umfasst unter anderem Anforderungen an die Organisationsstruktur, Ressourcen, Personal, Aufzeichnungen, die Entwicklung von Zertifizierungsprogrammen, den Zertifizierungsprozess und das Managementsystem der Stelle.
Sie dient als Basis für die Akkreditierung der Personenzertifizierungsstelle durch die nationale Akkreditierungsstelle für Konformitätsbewertungsstellen – in Deutschland die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS).
Das Zertifizierungsprogramm
Während die DIN EN ISO/IEC 17024 die organisatorische und strukturelle Grundlage für die Umsetzung der Personenzertifizierung schafft, bilden Zertifizierungsprogramme die inhaltliche Grundlage für die Zertifizierung von Personen. Diese individuellen oder harmonisierten Zertifizierungsprogramme beschreiben welches Wissen, Fertigkeiten und Kompetenz die zu zertifizierende Person im Rahmen der Zertifizierung und durch Prüfungen nachweisen muss. Weiterhin werden Anforderungen an den Zertifizierungsprozess festgelegt – zum Beispiel die Dauer der Zertifikatsgültigkeit oder die Rezertifizierungsbedingungen.
Das Personal der Zertifizierungsstelle
Alle an der Zertifizierung beteiligten Personengruppen sind zur vertraulichen Behandlung aller Informationen aus den Zertifizierungstätigkeiten verpflichtet. Personen, die an der Zertifizierungstätigkeit beteiligt sind, müssen über die dem Zertifizierungsprogramm entsprechende Ausbildung, Erfahrung und technische Expertise verfügen, um die jeweiligen Aufgaben zu erfüllen. Dies betrifft sowohl das Personal der Zertifizierungsstelle als auch die eingesetzten Prüfer. Diese unterliegen der Überwachung durch die Zertifizierungsstelle und müssen ihre andauernde Kompetenz als Prüfer regelmäßig nachweisen.
Der Prozess der Zertifizierung
Personen, die einen Antrag gestellt haben, werden auf ihre Kenntnisse, ihr Wissen und ihre Kompetenz hin – entsprechend dem Zertifizierungsprogramm – geprüft und zertifiziert.
Damit ein Antragsteller sich vor der Antragstellung ein möglichst umfassendes Bild von den Bedingungen und Erfordernissen der ihn interessierenden Zertifizierung machen kann, sind die Bedingungen und Voraussetzungen öffentlich zugänglich. Wenn alle Voraussetzungen entsprechend des Zertifizierungsprogramms erfüllt sind, wird der Kandidat im Hinblick auf die geforderten Kenntnisse und Kompetenz geprüft. Diese Prüfung ist je nach Erfordernis schriftlich, mündlich, praktisch oder in anderer angemessener Art durchzuführen.
Auf der Grundlage aller während des Zertifizierungsprozesses gesammelten Informationen wird die Entscheidung über die Zertifizierung getroffen. Die getroffene Entscheidung zur Zertifizierung muss begründet und nachvollziehbar sein.
Zertifikate, die auf der Basis der DIN EN ISO/IEC 17024 ausgestellt werden, sind nur für einen begrenzten Zeitraum ausgestellt und können verlängert werden, wenn die Aufrechterhaltung der Kompetenz nachgewiesen wird. Zertifizierte Kompetenz ist zu überwachen, damit jederzeit nachvollziehbar ist, dass die Kompetenz erfolgreich aufrechterhalten wird. In diesem Fall kann eine Rezertifizierung erfolgen.
Qualitätsinfrastruktur in Deutschland: Das Fundament für „Quality made in Germany”

Der Grundstein für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen ist eine verlässliche Qualitätsinfrastruktur (QI). Sie sorgt für Sicherheit, Qualität und Vertrauen und trägt wesentlich zum Funktionieren des Handels mit Waren und Leistungen und zum Schutz von Gesundheit und Umwelt bei. Dieser Fachbeitrag gibt einen Überblick über wesentliche Elemente der Qualitätsinfrastruktur in Deutschland, ihre tragenden Institutionen und deren Funktionen.
Die Qualitätsinfrastruktur sorgt für Sicherheit und Qualität deutscher Erzeugnisse und damit für Vertrauen in das Gütesiegel „Made in Germany“. Sie stärkt damit den Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Handel. Das etablierte, in den Europäischen Binnenmarkt und Rechtsrahmen eingebettete System der nationalen Qualitätsinfrastruktur sorgt für die Einbindung in das internationale Wertschöpfungssystem.
Die Qualitätsinfrastruktur ermöglicht international erfolgreiche Innovationen und neue Technologien aus Deutschland – von der Grundlagenforschung bis hin zur Etablierung am Markt. Sie sichert den Wissens- und Technologietransfer aus der Forschung in den Markt, ist Voraussetzung für eine erfolgreiche digitale Transformation, sie leistet einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der großen sozio-ökonomischen, ökologischen und technologischen Herausforderungen unserer Zeit, wie das Erreichen klimaschutzpolitischer Ziele. Sie ist die unsichtbare Grundlage für Gesundheitsschutz der Bevölkerung, Verbraucher- und Umweltschutz.
Diese verlässliche und moderne Qualitätsinfrastruktur fördert – und ist Voraussetzung für – die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und damit für den Wohlstand in unserem Land. Die Verfügbarkeit etablierter und anerkannter Normen und Standards und Konformitätsbewertungsverfahren sowie deren Entwicklung auf internationaler Ebene unter starker deutscher Beteiligung sind dabei für die deutsche Industrie ebenso wichtig wie eine wirksame Marktüberwachung, Akkreditierung und Verfügbarkeit von metrologischen Leistungen.
Für den nachhaltigen Erfolg von „Made in Germany“ müssen die bestehenden Strukturen, Prozesse und Institutionen der Qualitätsinfrastruktur gestärkt und ins digitale Zeitalter geführt werden.
Organisation der QI und tragende Institutionen
Die Qualitätsinfrastruktur ist ein System aus regulativen Rahmenbedingungen und verschiedenen Institutionen und Prozessen. Sie bezieht sich auf alle Einrichtungen und Maßnahmen, die zur Festlegung und Einhaltung von Qualitätsstandards beitragen. Sie basiert auf fünf Pfeilern von
- Qualität und Qualitätssicherung
- Normung und Standardisierung
- Konformitätsbewertung
- Messwesen (Metrologie)
- Marktüberwachung.
Deutschland verfügt über ein umfassendes System zur Organisation und Verwaltung der Qualitätsinfrastruktur, das sich auf verschiedene Institutionen verteilt:
Deutsche Gesellschaft für Qualität
Die Deutsche Gesellschaft für Qualität hat das Ziel, das Know-how und die Methoden im Bereich Qualität und Qualitätsmanagement weiterzuentwickeln, über neueste Erkenntnisse zu informieren und ihre praktische Umsetzung zu fördern.
Wesentliche Aufgabe umfassen dabei:
- Forschung und Innovation: Weiterentwicklung der fachlichen Grundlagen von Qualität, Qualitätsmanagement, Managementsystemen und Methoden
- Vernetzung: Wissenstransfer durch Vernetzung von Experten und Verknüpfung von Know-how
- Aus- und Weiterbildung: Kompetenzaufbau von Qualitätsfachpersonal über Bildungsangebote
- Zertifizierung: Personenzertifizierung von Fachpersonal
Einer ihrer Aufgabenschwerpunkte als Fachgesellschaft ist die aktive Teilnahme an der nationalen und internationalen Normungsarbeit. Auf diese Weise beeinflusst die DGQ die fachlich-inhaltliche Normenentwicklung sowie die strategischen Entscheidungen und Themenstellungen bei der nationalen und internationalen Normung.
Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN)
Das DIN ist die zentrale Normungsorganisation in Deutschland. Es entwickelt Normen in nahezu allen Bereichen der Technik, Wirtschaft und Wissenschaft, insbesondere auch alle Normen rund um Qualität, Managementsysteme, Konformitätsbewertung. Hauptaufgaben des DIN sind unter anderem:
- Erarbeitung von Normen: Entwicklung von nationalen Normen und Mitwirkung an europäischen und internationalen Normen.
- Koordination: Abstimmung zwischen verschiedenen Interessengruppen, wie Industrie, Wissenschaft, Verbraucher und Behörden.
- Verbreitung: Veröffentlichung und Bereitstellung von Normen.
Konformitätsbewertungsstellen
Konformitätsbewertungsstellen sind neutrale, unabhängige und kompetente Stellen, die die Konformitätsbewertung von Produkten, Dienstleistungen, Prozessen, Personen oder Systemen durchführen. Diese Bewertung stellt sicher, dass die geprüften Objekte den entsprechenden Vorgaben wie zum Beispiel EU-Richtlinien, Gesetzen, harmonisierten Normen und/oder Branchenstandards entsprechen.
Es gibt verschiedene Arten von Konformitätsbewertungsstellen, die sich auf unterschiedliche Bereiche spezialisieren:
- Prüfstellen
- Zertifizierungsstellen
- Inspektionsstellen
- Kalibrierstellen
- Validierungs- und Verifizierungsstellen
Aufgaben von Konformitätsbewertungsstellen:
Die Hauptaufgaben von Konformitätsbewertungsstellen umfassen:
- Prüfung: Durchführung von Tests und Prüfungen an Produkten oder Dienstleistungen (Prüfstellen).
- Zertifizierung: Ausstellung von Zertifikaten, die die Konformität bestätigen (Zertifizierungsstellen).
- Inspektion: Überprüfung von Prozessen, Installationen oder Systemen vor Ort (Inspektionsstellen).
- Kalibrierung: Sicherstellung der Genauigkeit von Messgeräten durch Kalibrierung (Kalibrierstellen).
- Validierung und Verifizierung: Prüfung und Bewertung, ob bestimmte Angaben oder Behauptungen wahrheitsgemäß (Verifizierung) oder im Hinblick auf die beabsichtigte zukünftige Verwendung plausibel (Validierung) sind (Validierungs- und Verifizierungsstellen).
Diese Stellen spielen eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung der Qualität und Sicherheit von Produkten und Dienstleistungen auf dem Markt. Ihre Kompetenz zur Durchführung dieser Aufgaben weisen sie üblicherweise durch eine Akkreditierung einer anerkannten Akkreditierungsstelle nach (in Deutschland die DAkkS).
Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS)
Die DAkkS ist die nationale Akkreditierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist ein zentraler Baustein der QI und erteilt Akkreditierungen im Bereich der Konformitätsbewertung. Die DAkkS handelt im gesetzlichen Auftrag und im Interesse des Staates, der Wirtschaft sowie zum Schutz von Gesellschaft und Umwelt.
Wichtige Funktionen der DAkkS sind:
- Akkreditierung: Durchführung von Akkreditierungsverfahren und Überwachung der akkreditierten Stellen.
- Gewährleistung der Qualität: Sicherstellung, dass akkreditierte Stellen objektiv, unabhängig und kompetent arbeiten.
- Unterstützung der Marktüberwachung: Bereitstellung von Informationen und Unterstützung für die Marktüberwachungsbehörden.
Akkreditierung ist die „Bestätigung durch eine nationale Akkreditierungsstelle, dass eine Konformitätsbewertungsstelle die in harmonisierten Normen festgelegten Anforderungen und gegebenenfalls zusätzliche Anforderungen (…) erfüllt, um eine spezielle Konformitätsbewertungstätigkeit durchzuführen.“ (Definition von Akkreditierung laut Verordnung (EG) Nr. 765/2008)
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)
Die PTB ist die nationale Metrologie-Institution in Deutschland. Ihre Aufgaben umfassen insbesondere:
- Eichung und Kalibrierung: Bereitstellung von Messstandards und Kalibrierdiensten.
- Forschung und Entwicklung: Durchführung von Forschungsprojekten zur Weiterentwicklung der Messtechnik.
- Beratung: Unterstützung von Unternehmen und Behörden in Fragen der Metrologie.
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)
Die BAM unterstützt die Sicherheit in Technik und Chemie durch Forschung und Prüfung. Ihre Funktionen umfassen:
- Materialprüfung: Untersuchung von Materialien und Produkten auf ihre Sicherheit und Zuverlässigkeit.
- Forschung: Entwicklung neuer Prüfmethoden und -technologien.
- Zertifizierung: Durchführung von Prüfungen und Vergabe von Zertifikaten.
Die BAM versteht sich als Partnerin und Dienstleisterin für Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Sie forscht, prüft und berät zum Schutz von Mensch, Umwelt und Sachgütern. Im Rahmen ihrer gesetzlichen und gesellschaftspolitischen Aufgaben identifiziert sie Anforderungen an die Sicherheit in Technik. Sie erbringt wissenschaftsbasierte Dienstleistungen für sicherheitstechnische Fragestellungen, zum Beispiel in Form von Gutachten und Expertisen oder zertifizierten Referenzmaterialien und Ringversuchen. Des Weiteren zählen dazu Leistungen wie die Prüfung, Analyse und Zulassung von Stoffen, technischen Produkten und Anlagen.
Zertifikate, Gutachten, Anerkennungen sowie Prüf- und Forschungsberichte der BAM dokumentieren, dass Produkte oder Anlagen die hohen Standards der deutschen Qualitätskultur erfüllen.
Die BAM ist weiterhin als Ressortforschungseinrichtung ein verlässlicher Partner für Forschungsprojekte mit Bezug zu Sicherheit in Technik und Chemie.
Quelle https://www.bam.de/Navigation/DE/Leistungen/leistungen.html
Marktüberwachungsbehörden
In Deutschland erfolgt die Marktüberwachung durch verschiedene Bundes- und Landesbehörden, die die Einhaltung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards sicherstellen. In Deutschland sind verschiedene Behörden und Stellen für die Marktüberwachung zuständig, je nach Produktbereich und Zuständigkeit. Hier sind einige der wichtigsten:
- Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Zuständig für die Produktsicherheit und unterstützt die Marktüberwachungsbehörden der Länder.
- Bundesnetzagentur (BNetzA): Überwacht Telekommunikations- und Postdienste sowie Energie- und Eisenbahnmärkte.
- Kraftfahrt-Bundesamt (KBA): Verantwortlich für die Überwachung von Fahrzeugen und deren Komponenten.
- Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): Zuständig für die Sicherheit von Lebensmitteln und Verbrauchsgütern.
- Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM): Überwacht Materialien und Produkte hinsichtlich ihrer Sicherheit und Qualität.
- Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt): Überwacht Bauprodukte und deren Konformität mit europäischen Normen.
- Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH): Zuständig für die Sicherheit von Seeschiffen und maritimen Produkten.
Aktuelle Entwicklungen: Initiative QI Digital
QI-Digital ist eine Initiative der zentralen Akteure der deutschen Qualitätsinfrastruktur – DIN, DKE, DAkkS, PTB sowie BAM – mit dem Ziel, die QI in der digitalen Transformation aktiv weiterzuentwickeln. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unterstützt QI-Digital als wesentlichen Beitrag für den Erfolg von innovativen Technologien, Produkten und Prozessen – zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland.
Fazit
Die Qualitätsinfrastruktur in Deutschland ist ein komplexes, aber gut organisiertes System, das auf der Zusammenarbeit verschiedener Institutionen basiert. Diese Institutionen spielen eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung der Qualität von Produkten und Dienstleistungen. Durch Normung, Akkreditierung, Metrologie und Marktüberwachung wird ein hoher Qualitätsstandard gewährleistet, der nicht nur den Verbrauchern zugutekommt, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärkt.
Aktuelle Herausforderungen und Weiterentwicklungen werden über die Initiative QI Digital adressiert und neue Lösungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft erarbeitet.
Weitere Informationen zur QI in Deutschland: https://netzwerke.bam.de/_SharedDocs/DE/Downloads/qi-digital-definition-qi.pdf?__blob=publicationFile
Über den Autor:
Dipl. Ing. Thomas Votsmeier ist Leiter “Normung/Internationale Kooperationen” und seit 1998 bei der DGQ tätig. Er engagiert sich in verschiedenen Fachgremien bei der European Organisation for Quality (EOQ), der International Personnel Certification Association (IPC), dem Deutschen Institut für Normung und International Standard Organisation (ISO). Unter anderem ist er Obmann des DIN NA 147 – 00 – 01 AA Qualitätsmanagement und Mitglied bei ISO TC 176.
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – mögliche Auswirkungen auf Qualität und Reputation

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) schreibt Unternehmen seit dem 1. Januar 2024 ab 1.000 Beschäftigten bestimmte Sorgfaltspflichten vor, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in ihren Lieferketten zu verhindern. Es regelt die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in globalen Lieferketten, wie zum Beispiel der Schutz vor Kinderarbeit, das Recht auf faire Löhne und der Schutz der Umwelt.
Die Zielsetzung des LkSG ist eindeutig. Aber wirkt sich dieses Gesetz vielleicht positiv auf das Thema Qualität aus? Wenn Produkte und Dienstleistungen unter Einhaltung bestimmter Mindeststandards erbracht beziehungsweise produziert werden, könnte sich dies positiv auf deren Qualität auswirken. Dagegen spricht allerdings, dass der mit dem LkSG verbundene finanzielle und faktische Aufwand dazu führen kann, dass bei der Qualität eingespart wird. Insofern lässt sich die Frage an dieser Stelle nicht eindeutig beantworten. Wenn an der Qualität in der Lieferkette nicht gespart wird, stellt sich zudem die weitergehende Frage, wer den höheren Preis zahlt – die Lieferanten und/oder die Kunden?
Gesetzliche Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Betrachten wir einmal die beiden wesentlichen, gesetzlichen Anforderungen des LkSG:
Erstens die Risikoanalyse und zweitens die Berichte an Vorstand oder Geschäftsführung und an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Es wird deutlich, dass das Ergebnis neben höherer Transparenz der Lieferketten auch ein höherer qualitativer, aber insbesondere sicherer Standard ist. Der mit diesen LkSG-Kernmaßnahmen einhergehende finanzielle und faktische Aufwand ist zwar für jedes Unternehmen, abhängig von der jeweiligen Größe, unterschiedlich hoch. Aus neutraler und gesellschaftlicher Sicht ist es jedoch wichtig zu eruieren, unter welchen Bedingungen Dienstleistungen und Produkte erbracht und hergestellt werden, damit insbesondere Menschenrechte und Umweltbelange adäquat berücksichtigt und sichergestellt werden können.
In der Vergangenheit wurden in bestimmten Branchen oft aus kommerziellen Gründen die Augen geschlossen. Als Beispiele dienen etwa die Kinderarbeit beim Abbau bestimmter seltener Erden in Steinbrüchen oder bei der Ernte der Bohnen auf Kaffeeplantagen sowie die Näherinnen, die eingepfercht in Hochhäusern unter katastrophalen Arbeitsbedingungen billige Textilien für den europäischen Markt herstellten.
Positive Spin-off-Effekte durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Vor diesem Hintergrund beeinflusst das LkSG also durchaus positiv die Rahmenbedingungen, zu denen Dienstleistungen erbracht und Produkte hergestellt werden. Das Fairtrade-Siegel in Deutschland für Waren, wie zum Beispiel Kaffee, Kakao, Bananen oder Baumwolle, Saft, Tee, Reis, Honig, Zucker und Wein bis hin zu Schnittblumen und Gold ist hierfür der beste Beweis.
In diesem Kontext könnte ein positiver Spin-off-Effekt sein, dass Unternehmen in LkSG-kritischen Branchen, wie Textilindustrie, Gewinnung seltener Erden, Hersteller von Elektrobatterien, sich allmählich aus dem „Schmuddelmilleu“ herausentwickeln. So wird die Diskussion über deren Dienstleistungen oder Produkte versachlicht. Berichte über Kinderarbeit in Steinbrüchen oder unsägliche Arbeitsbedingungen dürften damit der Vergangenheit angehören, was ja begrüßenswert ist.
Fazit
Trotz der aufgezeigten Vorzüge rund um das LkSG, reißt die Diskussion über das Gesetz und die neue, beschlossene europäische EU-Lieferkettenrichtlinie nicht ab. Für die Zukunft wird weiter diskutiert werden, ob nicht eine differenziertere Betrachtung des LkSG erforderlich ist. Damit einher geht die Frage, für welche Unternehmen und welche Branchen dieses Gesetz überhaupt sinnvoll angewendet und eingegrenzt werden soll. Es erscheint nicht sinnvoll, einfach quantitative Grenzen anzusetzen, etwa bei einer Schwelle von „1000 Beschäftigten“. Zumal die am 24. April 2024 verabschiedete EU-Lieferkettenrichtlinie weitere Anforderungen für Unternehmen festschreibt, die allerdings erst nach der Umsetzungsfrist von zwei Jahren ab dem 24. April 2026 im nationalen Recht wirksam werden. Es sollte überlegt werden, für die Erzeugung von Produkten und Dienstleistungen ganz bestimmte (LkSG-kritische) Branchen festzulegen, die bereits in der Urproduktion Mindeststandards für Menschenrechte und Umweltschutz erfüllen müssen. So könnte zumindest der große Teil der LkSG-unkritischen Branchen von dem finanziellen und faktischen Aufwand entlastet werden.
Über den Autor:
Frank Dimmendaal ist (Syndikus-)Rechtsanwalt und als Leiter Risk-Management & Compliance im Bereich Sales & Service der Deutschen Telekom AG tätig. Als Compliance-, Operational Security Officer und LkSG-Beauftragter betreut er und sein Team vier Telekom-Tochtergesellschaften. Er ist seit rund 30 Jahren in verschiedenen Funktionen im Konzern Deutsche Telekom AG in Bonn tätig; seit mehreren Jahren bildet er zudem als Trainer bei der Deutschen Gesellschaft für Qualität GmbH in Frankfurt am Main Compliance Officer aus.
Reklamationsmanagement – die richtige Mischung aus Prozess, Recht und Kulanz macht’s!

Mit einem guten Reklamationsmanagement erreicht ein Unternehmen viele Ziele: Geordnete Abwicklung von – berechtigten und nicht berechtigten – Reklamationen, Verbesserung der Produkte, Minimierung von Haftungsrisiken, Compliance. All dies geschieht aus Interesse am Erfolg des eigenen Unternehmens und an der Zufriedenheit seiner Kunden und Mitarbeiter.
Der Begriff „Reklamationsmanagement“ wird meist bekannt sein. Qualitätsmanagement im Allgemeinen und zum Beispiel die ISO 10002 im Besonderen adressieren (auch) das Reklamationsmanagement, allerdings primär aus allgemeiner Prozesssicht. Doch was sich zunächst nach bloßer Prozessabwicklung anhört, entpuppt sich schnell als komplexe Aufgabe, die auch betriebswirtschaftliche und rechtliche Elemente berücksichtigen muss, um die gewünschten Ziele (s.o.) auch tatsächlich zu erreichen. Bei grenzüberschreitenden Kunden /Lieferbeziehungen ergeben sich insofern weitere Herausforderungen. Die konkrete Ausgestaltung des Reklamationsmanagements orientiert sich am Charakter des eigenen Unternehmens. Es versteht sich von selbst, dass beispielsweise ein Online-Händler von Massenware ein anderes Reklamationsmanagement hat beziehungsweise haben sollte als ein Hersteller individuell gefertigter Artikel.
Dieser Fachbeitrag möchte die für das Reklamationsmanagement wesentlichen rechtlichen Implikationen aufzeigen und sowohl praxistaugliche als auch möglichst rechtssichere Lösungsansätze skizzieren.
Ausgangslage: Kundenreklamation
Ausgangslage soll hier eine Kundenreklamation sein, das heißt die Reklamation eines Kunden gegenüber dem eigenen Unternehmen. Gegenstück ist eine Lieferantenreklamation, das heißt die eigene Reklamation gegenüber einem Lieferanten. Die wesentlichen Grundsätze sind aber „spiegelbildlich“ ähnlich und eine Kundenreklamation wird häufig auch eine Lieferantenreklamation oder zumindest die Prüfung einer solchen nach sich ziehen.
Vorfragen bei Eingang einer Kundenreklamation
Reklamationsmanagement im Ganzen ist Chefsache. Im Tagesgeschäft wird eine Kundenreklamation jedoch meist bei der Service- beziehungsweise (After-)Sales-Abteilung eingehen.
Hier stellen sich zunächst verschiedene Vorfragen:
- Prüfung von Sofortmaßnahmen bei „Gefahr im Verzug“.
Bestehen durch die (behaupteten) Mängel Gefahren für Leib und Leben von Personen? Handelt es sich um einen Serienfehler? Um insofern Haftungsrisiken zu vermeiden sind gegebenenfalls – und dann sehr kurzfristig – Maßnahmen zu prüfen und zu ergreifen, womöglich bis hin zu einem Rückruf. - Droht aus sonstigen Gründen ein besonderes Haftungsszenario?
Zum Beispiel ein außergewöhnlicher Schadenumfang oder sollte die Reklamation berechtigt sein? - Differenzierung in Abhängigkeit von der „Wichtigkeit“ des reklamierenden Kunden?
Grundsätzlich wird man seine Kunden gleich behandeln wollen und müssen. Einem Unternehmen wird man es aus unternehmerischer Sicht jedoch nicht verübeln können, gegenüber einem besonders wichtigen Großkunden einen anderen, das heißt, kulanteren Maßstab anzulegen.
In diesem Zusammenhang wird man sich im Reklamationsfall auch die gesamte Kundenvertrags-/-Geschäftsbeziehung ansehen (Offene Rechnungen? Bisherige Reklamationsfälle mit diesem Kunden? Zukünftige Geschäftsaussichten mit diesem Kunden?). Abhängig von diesen Vorfragen kann die weitere Reklamationsabwicklung abweichende und ergänzende Sonderwege erforderlich machen.
Berufsbild Compliance Officer Durch Digitalisierung, den Einsatz von neuen Technologien und unterschiedlichen Regelungen im nationalen und internationalen Umfeld wird das Thema Compliance für Unternehmen immer wichtiger. Aber auch Verbraucher und Investoren legen einen immer größeren Wert auf die Einhaltung von ethischen Standards. Mit Blick auf das steigende Bewusstsein gewinnt das Berufsbild des Compliance Officer zunehmend an Bedeutung. Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Compliance Officer:
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Aufgaben und Handlungspflichten/-optionen gegenüber dem Kunden
Im Übrigen beginnt die Reklamationsabwicklung mit der Aufnahme der Reklamation und erster Korrespondenz mit dem Kunden.
Unternehmensintern stehen dann die folgenden Hauptaufgaben im Vordergrund:
- Liegt eine berechtigte oder eine unberechtigte Reklamation vor?
- Welchen Pflichten beziehungsweise welcher Haftung bin ich als Unternehmen gegenüber dem Kunden ausgesetzt, sollte die Reklamation berechtigt sein?
- Wie kommuniziere ich mit dem Kunden richtig, wenn die Reklamation (un)berechtigt war?
Die Prüfungen dieser Hauptaufgaben sind sowohl technischer als auch rechtlicher Art.
In technischer Hinsicht muss insbesondere geklärt werden, ob tatsächlich ein Fehler vorliegt und dieser bereits bei Übergabe vorlag. Hierzu wird meist eine Untersuchung des reklamierten Teils erforderlich sein. Typische Abnutzungen und Verschleiß sind keine Fehler, die einen rechtserheblichen Mangel darstellen. Liegen womöglich Anhaltspunkte für eine unsachgemäße Verwendung, Gewalteinwirkung etc. vor? Vorsorglich, für den Fall eines späteren Rechtsstreits, sind die Erkenntnisse beweismäßig zu sichern und zu dokumentieren. Die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels liegt im Streitfall jedoch grundsätzlich beim Kunden.
Bei Vorhandensein eines Fehlers aus technischer Sicht muss sodann in rechtlicher Hinsicht unter Berücksichtigung des geltenden Rechtsrahmens (das heißt gemäß Gesetz, Vertrag, gegebenenfalls einbezogener Allgemeiner Geschäftsbedingungen, abgegebener Garantien und sonstiger Bestimmungen, zum Beispiel zur Verjährung) geprüft werden, ob der Fehler ein rechtsrelevanter Mangel ist und welche Rechtsfolgen, das heißt Einstandspflichten sich daraus für das Unternehmen ergeben. Liegt eine Lieferkette vor, sind insbesondere auch die Vorschriften zum Lieferantenregress zu beachten. Besonders praxisrelevant ist auch, ob der Kunde seiner Verpflichtungen aus § 377 HGB zur unverzüglichen Untersuchung und Rüge ordnungsgemäß nachgekommen ist. Ist dies nicht erfolgt, geht der Kunde grundsätzlich leer aus.
Liegt im Ergebnis eine berechtigte Reklamation, das heißt ein Mangel vor, für den das Unternehmen gegenüber dem Kunden einzustehen hat, kommen grundsätzlich mehrere/verschiedene Einstandspflichten in Betracht, wie im Einzelnen durch Gesetz, Vertrag, Garantie etc. bestimmt.
Ausgehend von der Anwendung deutschen Gesetzesrechts sind dies insbesondere (jeweils unter weiteren Voraussetzungen):
- Nacherfüllung, das heißt Ersatzlieferung oder Reparatur in Verbindung mit Kostenersatz
- Rücktritt oder Minderung
- Schaden- und/oder Aufwendungsersatz
Unter Berücksichtigung dessen, was der Kunde verlangt hat, sollte eine entsprechende Lösung gegenüber dem Kunden kommuniziert werden. Im Idealfall einigt man sich mit dem Kunden auf eine angemessene Kompromisslösung, ohne dass es zum Rechtsstreit kommt.
Bei einer im Ergebnis unberechtigten Reklamation sollten im Regelfall die vom Kunden geltend gemachten Ansprüche mit geeigneter Begründung zurückgewiesen werden. Im Einzelfall wird sich aus Gründen der Kundenzufriedenheit und zur Vermeidung eines Rechtsstreits die Frage nach einer Kulanzlösung stellen. Für angemessene Kulanzlösungen sollte grundsätzlich ein gewisser Spielraum bestehen, dies jedoch nicht im Regelfall aus Unsicherheit über die eigenen Verpflichtungen, sondern nur im Ausnahmefall bewusst unter Abwägung der eigenen Position und der Vor- und Nachteile der Kulanzlösung. Die Kommunikation einer Kulanzlösung gegenüber dem Kunden bedarf besonderer Sorgfalt, um keine ungewollten Rechtswirkungen wie zum Beispiel ein Anerkenntnis oder eine Verlängerung der Verjährungsfrist auszulösen.
Interne und externe Ressourcen sowie Werkzeuge für die Reklamationsabwicklung
Für die Durchführung der vorstehend skizzierten Schritte benötigt das Unternehmen geeignete Ressourcen und Werkzeuge.
An erster Stelle sind dies entsprechend ausgebildete und geschulte eigene Mitarbeiter der Reklamationsabteilung. Eine persönliche Haftung bei fehlerhaftem Handeln brauchen die Mitarbeiter regelmäßig nicht zu befürchten, denn es gelten die sogenannten Grundsätze der privilegierten Arbeitnehmerhaftung.
Da es im Ergebnis entscheidend auch auf rechtliche Beurteilungen ankommt, bedarf es zudem einer eigenen Rechtsabteilung oder einer spezialisierten externen Kanzlei, und zwar im Rahmen der erstmaligen Implementierung des Reklamationsmanagements sowie bei Bedarf im jeweiligen Einzelfall. Die nachstehend genannten Werkzeuge stellen jedoch eine weitgehend autonome Bearbeitung von typischen Reklamationsfällen durch das Unternehmen selbst sicher.
Für eine schnelle und zuverlässige Reklamationsbearbeitung kommen typischerweise folgende Werkzeuge zum Einsatz:
- Leitfäden, Flussdiagramme, Checklisten
- Zuständigkeitspläne
- Musterschreiben
- Schulungen und Beispielsfälle
- Softwarelösungen
Weitere (interne) Konsequenzen einer Kundenreklamation
Im Rahmen einer Kundenreklamation sind vom Unternehmen weitere Aspekte zu prüfen, wie insbesondere:
- Regressmöglichkeiten gegenüber Lieferanten fehlerhafter Teile unter Beachtung gesetzlicher und vertraglicher Bestimmungen, zum Beispiel § 377 HGB, Verjährung etc.
- Maßnahmen gemäß Produkt-/Produzentenhaftung (Rückruf?)
- Produktverbesserungen/-neuentwicklungen zur Vermeidung von Fehlern und Kundenreklamationen gleicher/ähnlicher Art und zur Verbesserung der Produktsicherheit
- Korrektur oder Ergänzung von Bedienungsanleitungen im Hinblick auf eine bestimmte Handhabe des Produkts zur Fehlervermeidung
- Berücksichtigung bei der Vertragsgestaltung, zum Beispiel Einschränkungen des Verwendungszwecks des betroffenen Produkts, sonstige Haftungsbeschränkungen
- Anpassung von Garantiebedingungen
- Versicherungsdeckung, Anpassung Versicherungsschutz
Auf den Punkt gebracht
Reklamationsmanagement ist komplex, aber mit der richtigen Vorbereitung und angemessenen Ressourcen erfolgreich zu bewerkstelligen.
Ein gutes Reklamationsmanagement versetzt das Unternehmen in die Lage,
- zwischen berechtigten und unberechtigten Reklamationen zu unterscheiden,
- im Falle einer berechtigten Reklamation die eigenen Einstandspflichten sowie Regressmöglichkeiten einzuschätzen und damit die eigene Haftung zu minimieren,
- bewusst zu entscheiden, in welchen Fällen Kulanzlösungen erfolgen,
- in allen Phasen der Reklamationsbearbeitung angemessen mit dem Kunden zu kommunizieren und
- die aus einer Reklamation gewonnenen Erkenntnisse zu verwerten, zum Beispiel im Rahmen von Produktverbesserungen und Produktneuentwicklungen.
Unternehmen mit einem solchen Reklamationsmanagement sichern sich die Zufriedenheit ihrer Kunden, reduzieren ihre Haftungsrisiken und sind damit langfristig erfolgreich.
Über den Autor:
Gunnar Helms ist Rechtsanwalt in Hamburg und Mitgründer der Kanzlei VON ILSEMANN | HELMS. Er berät vorrangig mittelständische Unternehmen im Handels- und Gesellschaftsrecht. Sein Schwerpunkt liegt dabei in der Beratung der Unternehmen in allen rechtlichen Belangen ihres operativen Geschäfts wie eine (ausgelagerte) Rechtsabteilung. Gunnar Helms ist regelmäßig als Referent tätig und u.a. Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) sowie im Internationalen Controller Verein (ICV), wo er zudem Leiter des Fachkreises „Compliance-Management & Controlling“ ist.
Kontakt: gh@vonilsemann-helms.de
„Auch das Integrierte Managementsystem vom Prozess her denken“

Qualität, Energie, Umwelt oder Arbeitsschutz – die Anforderungen an Unternehmen werden immer vielfältiger und umfangreicher. Als effiziente Lösung bietet sich hier ein integriertes Managementsystem (IMS) an. Doch wie ein solches implementieren? Im Interview erläutert Philipp Hörmann, DGQ-Trainer und Gründer der Unternehmensberatung WeitBlick, die Vorteile eines IMS, warum die Prozesssicht entscheidend ist und welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration zu erfüllen sind.
Wo sehen Sie bei einem integrierten Managementsystem die größten Vorteile?
Philipp Hörmann: Um es auf den Punkt zu bringen – mehr Effektivität, Effizienz und Transparenz! Mit Hilfe eines integrierten Managementsystem schafft man, Aufwände, Kosten und Abläufe im Managementsystem und für die angestrebten Zertifizierungen zu optimieren. Dazu bedarf es einer ganzheitlichen Sichtweise und einer konsequenten Prozessorientierung. Außerdem sehe ich, wo Synergieeffekte optimal genutzt werden können und kann dadurch die verschiedenen Normanforderungen zentral bündeln. Da die Dokumentation meist ein ungeliebtes Thema ist, lässt sich auch hier mit einem gut aufgesetzten IMS der Aufwand reduzieren. In Verbindung mit dem einheitlichen methodischen Vorgehen erreicht man in der Regel auch mehr Akzeptanz bei den Mitarbeitenden und Beteiligten.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist hinsichtlich des Risikomanagements die ganzheitliche Betrachtungsweise im Kontext mit Identifikation, Bewertung und Behandlung von Risiken inklusive des erforderlichen Maßnahmenmanagements. Auch die Pflege eines Rechtskatasters, mit dem gesetzliche und andere verbindliche Anforderungen von Stakeholdern erfasst und überwacht werden, schafft mehr Rechtssicherheit und reduziert Risiken.
Da es heutzutage zunehmend um Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien geht, spielt ein IMS auch hier eine Rolle. Durch bessere Informations- und Entscheidungsgrundlagen lässt sich die Wertschöpfung zielgerichteter steuern und die Leistung verbessern, während Fehlleistungen, Reklamationen oder Ausschuss reduziert werden.
Neben zahlreichen Vorteilen eines integrierten Managementsystems gibt es sicherlich auch viele Herausforderungen beim Aufbau und der Pflege. Worauf ist zu achten, damit eine Integration reibungslos funktioniert?
Philipp Hörmann: Sicherlich muss man einen Überblick über die Anforderungen der verschiedenen Bereiche haben, die ein IMS abdecken soll. Hinzu kommt ein solides Normverständnis – sei es als verantwortliche Einzelperson oder innerhalb eines Teams von Managementbeauftragten. Hier gilt es zu unterscheiden und zu berücksichtigen, welche Normen bereichsspezifisch oder übergreifend gültig sind. Dasselbe gilt für die Kenntnis der relevanten Regelwerke. Nur so lassen sich die Synergiepotenziale heben. Auch bei der Dokumentation gilt es dann, dass richtige Maß zwischen der Erfüllung von Anforderungen und einer möglichst einfachen Umsetzung zu finden. Hierbei ist ein grundsätzlich pragmatischer Ansatz sinnvoll. Schließlich sollte man über die Integration hinausdenken. Man muss klären, wie eine Integration so in den Arbeitsalltag gelingen kann, dass sie langfristig funktioniert und von den Mitarbeitenden gelebt wird. Denn eines sollte deutlich werden: Ein gut funktionierendes Managementsystem ist vor allem für die Mitarbeitenden und nicht für die Managementsystembeauftragten oder eine kleine Gruppe gedacht. Schließlich sind die Mitarbeitenden die Nutzer und Anwender.
Aber wie geht man konkret vor, wenn man beispielsweise auf der grünen Wiese beginnt?
Philipp Hörmann: Der beste Rat, den ich hier geben kann, lautet: Auch beim IMS immer vom Prozess her denken. Denn Mitarbeitende haben einen besseren Zugang zum Managementsystem, wenn sie dort ihre Prozesse und ihre Begrifflichkeiten wiederfinden. Die Abläufe des Alltags sollten wiedererkannt werden. Manche Organisationen machen den Fehler, dass sie sich eher an der Kapitelstruktur der Normen orientieren. Zwar unterstützt die „Harmonized Structure“ – eine einheitliche Struktur, nach der viele Normen aufgebaut sind – den Gedanken eines IMS. Die konkrete Gestaltung sollte sich jedoch am jeweiligen Prozess ausrichten. In jedem Schritt ist dann zu fragen, welches Managementsystem gerade zu beachten ist, welche Anforderungen ergeben sich daraus, welche Norm ist relevant und welche Dokumentation bietet sich an? Zumal die Komplexität in den Unternehmen hinsichtlich der Prozesse, Schnittstellen und Entscheidungen immer weiter steigt.
Im Idealfall kann man Mehraufwände durch ein IMS reduzieren, was modular und prozessorientiert aufgebaut ist. Ideal wäre, wenn man nur eine Prozesslandkarte hat und nicht zwei, drei oder vier. So lassen sich auch künftige neue Anforderungen leichter andocken. Falls mehrere Regelwerke und Normen angestrebt werden, ist meine dringende Empfehlung – „Schritt für Schritt“. Integrieren Sie nicht alle Normen auf einmal, sondern planen Sie die Integration nach und nach. Meist sind Mitarbeitende mit dem großen Wurf überfordert. Und kommunizieren sie! Binden Sie auch die oberste Leitung bei der Planung ein. Idealerweise unterstützt sie Sie bei der Kommunikation.
Berufsbild Prozessmanager Wir leben in einer Zeit geprägt von Digitalisierung und Schnelllebigkeit. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen anpassungsfähig sind und auf veränderte Marktbedingungen eingehen können. Eine kontinuierliche Analyse und Optimierung von bestehenden Geschäftsprozessen ist sowohl für die Kosteneffizienz und Wirtschaftlichkeit, aber auch für die Kundenzufriedenheit von zentraler Bedeutung. Prozessmanager sind also gefragte Arbeitskräfte mit guten Zukunftsaussichten. Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Prozessmanager:
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Wie sehen die Verantwortlichkeiten für ein IMS typischerweise in der Praxis aus?
Philipp Hörmann: Das hängt stark von der Unternehmensgröße ab. In kleineren Organisationen erhält der Qualitätsmanagementbeauftragte oft den Auftrag, sich beispielsweise auch um Fragen des Umweltschutzes oder der Arbeitssicherheit zu kümmern. Größere Unternehmen können sich dagegen ein Team aus Spezialisten für den jeweiligen Bereich leisten. Die Teamleitung behält als Managementbeauftragter oder Koordinator für IMS den Überblick, ohne dabei fachlich tief in die Spezialgebiete einzusteigen. In dieser Funktion steht er häufig auch in einer direkten Berichtslinie zur Unternehmensleitung. Keine Frage, wer für das IMS zuständig ist, nimmt eine Schlüsselposition ein. Deswegen setzt diese Funktion – über die fachliche Expertise hinaus – ein breites Kompetenzprofil voraus. Apropos Kompetenzen, die notwendigen Kenntnisse zur Integration von Managementsystemen vermittelt übrigens das neue DGQ-Training „Integrierte Managementsysteme“. Die Premiere im Mai ist vielversprechend gestartet und die Rückmeldungen waren durchweg positiv.
Über welche weiteren Kompetenzen sollte ein Managementbeauftragter für IMS denn verfügen?
Philipp Hörmann: Neben den eher fachlich geprägten “Hardskills” sind auch die “Softskills” wichtig. Wie auch schon als Qualitätsmanager ist man in verschiedenen Rollen unterwegs und füllt verschiedene Funktionen aus: Beziehungsmanager, Kommunikator, Motivator, Einbinder, Stratege, Themenmanager, Übersetzer, Sprachrohr, Überzeuger und Durchsetzer. Da die Integration oftmals mit Change-Prozessen verbunden ist, spielt es eine entscheidende Rolle auch die oberste Leitung und die Beteiligten bei der Planung und Umsetzung einzubinden. Hier steckt viel Erfahrung und Prozesswissen dahinter.
„Ein Managementsystem ist das Betriebssystem der Organisation“

Jede Organisation hat ein Managementsystem, doch häufig ist dieses nicht so gut, wie es sein könnte. Dr. Wilhelm Griga, Senior Quality Manager bei Siemens, erklärt, woran das liegt, wie Unternehmen die Herausforderungen bewältigen können und warum Normen dabei manchmal hinderlich sind.
Herr Griga, Sie haben gemeinsam mit Benedikt Sommerhoff von der DGQ-Ansätze zur effektiveren Gestaltung von Managementsystemen erarbeitet. Was sehen Sie als Herausforderung in der Praxis in Bezug auf Managementsysteme?
Dr. Wilhelm Griga: Oft wird als Managementsystem nur das gezählt, was mindestens so heißt, was sich besser noch auf eine Managementsystemnorm bezieht oder idealerweise gegen eine solche zertifiziert ist. Dieses Missverständnis stellt eine der Herausforderungen dar. Denn in jeder Organisation gibt es ein Managementsystem. Die Menschen kommen schnell an den Punkt, dass sie einige Dinge – etwa ihre Kooperation oder die Abläufe – informal oder formal regeln müssen. Schon beginnt die Existenz eines Managementsystems. Ob dieses effektiv ist, ist dann die Frage. Wir dürfen beispielsweise nicht den Fehler machen, die schriftliche Systembeschreibung für das Managementsystem selbst zu halten. Gleichwohl darf die Managementsystembeschreibung auch kein Zerr- oder gar Trugbild der Wirklichkeit darstellen.
Welche Probleme können sich durch einen durch Managementsystemnormen gefilterten oder sogar verengten Blick in der Praxis ergeben?
Griga: Es sind zwei Probleme, die so entstehen. Der gefilterte Blick übersieht weitere relevante Anforderungen sowie Dimensionen des Managementsystems. Und dieser Blick begünstigt, dass Qualitätsmanagementverantwortliche einerseits, sowie Leitungs- und Führungskräfte, unterschiedliche Organisationsentwicklerinnen und -entwickler andererseits bei diesem Thema aneinander vorbeireden und -handeln. Das ist eine bedeutende Quelle von Verdruss für viele im Qualitätsmanagement. Dies äußert sich immer wieder in Klagen über ein geringes Interesse und über mangelnde Mitwirkung der Leitung an der Managementsystemgestaltung und -nutzung. Manches Managementsystem ist deshalb nicht so gut, wie es sein könnte. Das Qualitätsmanagement benötigt deshalb neue Perspektiven auf das Managementsystem, um in eine bessere, interdisziplinäre Zusammenarbeit bei dessen Gestaltung zu kommen, Systemweiterentwicklungen zu leisten und signifikante Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu schließen.
Warum ist ein effektives Managementsystem für ein Unternehmen erfolgsentscheidend?
Griga: Wie schnell und wie gut ein Unternehmen in der Lage ist, zu agieren und zu reagieren, ist im Wettbewerb erfolgsentscheidend. Es hat seine Mission zu erfüllen und gesetzte Ziele zu erreichen. Die Mission besteht zumeist darin einen konkreten Kundennutzen zu generieren. Bei all dem muss es in der Lage sein, gesetzliche, vertragliche und weitere Anforderungen seiner Interessengruppen zu erfüllen. Es muss somit effektiv sein und nach und nach immer effizienter werden, die Relation von Aufwand und Effekt kontinuierlich weiter verbessern. Für all dies ist ein Managementsystem zwingend erforderlich, es bildet quasi das Betriebssystem der Organisation.
Und in der Praxis erfüllt das Managementsystem häufig diese Aufgaben nicht?
Griga: In der Praxis erfolgt oft keine reine Konstruktion nach Plan, es entsteht eher eine Mischung aus bewusster Ausgestaltung und organischem Wachstum des Systems. Somit gleicht die Weiterentwicklung des Managementsystems eher einem Gärtnern, bei dem zum Teil gezielt neue Pflanzen und Beete angelegt werden, die dann aber Hege und Pflege benötigen.
Wie sieht es mit der notwendigen Weiterentwicklung von Managementsystemen in einem Unternehmen aus?
Griga: Ändern sich bedeutende Umfeldfaktoren des Unternehmens oder verfolgen dessen Entscheiderinnen und Entscheider neue Missionen, Ziele oder Strategien, erfordert dies auch eine Anpassung des Managementsystems. Je gravierender die Änderungen sind, desto stärker wird diese Anpassung ausfallen müssen – bis hin zu ganz neuartigen Ausprägungen, beispielsweise im Hinblick auf eine agile Organisation. Nachdem Umfeldveränderungen heute global sehr schnell voranschreiten und Strategiewechsel das Unternehmen in der Übergangsphase zunächst schwächen, sind bei den resultierenden Managementsystemanpassungen Qualität und Schnelligkeit geboten. Hier kann das Qualitätsmanagement einen entscheidenden Beitrag leisten.
Das Wort Managementsystem setzt sich aus zwei Begriffen zusammen. Wie ist der erste – nämlich Management – hierbei zu verstehen?
Griga: Der Begriff Management ist doppeldeutig. Er bezeichnet zum einen die Tätigkeit des Managens und zum anderen die Personen der Organisation, die managen. Ausgehend von dem Anspruch, dass das Management über mehrere Hierarchieebenen strategische Führung ausübt und allen in der Organisation Orientierung gibt, sind zwei Aspekte beim Managen von besonderer Bedeutung: Der erste Aspekt ist das Gestalten des Rahmens für das Entscheiden und Handeln von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im eigenen Managementbereich. Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass dieser Rahmen nicht allein durch bewusste, formale Festlegungen entsteht, sondern zudem auch kulturell gewachsene Prämissen den Rahmen bestimmen. Ein Managementsystem existiert nie ohne die ständige Interaktion mit der informalen Seite und es prägt diese auch. Das bedeutet, dass das Gestalten des Managementsystems kulturprägend ist, oft mit einem gewissen Zeitverzug und mit gewollten und aber manchmal auch mit ungewollten Effekten.
Und der zweite Aspekt?
Der zweite Aspekt ist das Treffen von Managemententscheidungen für den eigenen Managementbereich. Legitim sind die Entscheidungen dann, wenn sie sich im gesetzten Rahmen bewegen und erlaubt sind. Dazu gehört, dass sie beitragen, geltende Anforderungen zu erfüllen und nicht gegen sie zu verstoßen. Das Managementsystem soll deshalb die Umsetzung gesetzlicher und vertraglicher Pflichten unterstützen und den Verstoß gegen Verbote unterbinden helfen. Viele Organisationen haben erkannt, dass es sehr sinnvoll ist, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möglichst weitreichende Entscheidungsbefugnisse zu geben. Dieser Ansatz ist fundamental für die vielerorts angestrebte Agilität.
Wie ist der zweite Begriff im Wort Managementsystem zu verstehen?
Griga: Ein System besteht nach der gängigen Definition der Systemtheorie aus Elementen und ihren Beziehungen. Bei einem technischen System wie zum Beispiel einer Maschine stehen technische Komponenten in Wirkbeziehungen zueinander. Ein soziales System umfasst Menschen und deren Beziehungen zueinander. Die Mischung technischer und sozialer Systemarten nennt man sozio-technisches System. Dort stehen Menschen in Beziehungen mit anderen Menschen und Dingen und diese wiederum auch mit anderen Dingen. Organisationen sind solche sozio-technischen Systeme. Auch Teilmengen des Systems Organisation lassen sich wieder als Systeme betrachten. Ein solches Subsystem ist das Managementsystem und auch dieses ist in Teile zerlegbar – zum Beispiel: Qualitätsmanagementsystem, Umweltmanagementsystem oder Risikomanagementsystem. Interessanterweise gibt es vor allem im Qualitätsmanagement unter dem Begriff Integriertes Management seit Jahrzehnten Initiativen, verschiedene Teilmanagementsysteme zusammenzuführen. Das zeigt, dass das Selbstverständnis, ein einziges Managementsystem zu haben, zu dem nur neue Elemente und Beziehungen ergänzt wurden, oft nicht ausgeprägt war oder die Einführung neuer Systeme ohne angemessene Berücksichtigung des bestehenden Managementsystems erfolgte.
Inwiefern können Normen die Effektivität von Managementsystemen beeinträchtigen?
Griga: Managementsystemnormen nehmen im Qualitätsmanagement einen sehr großen, vielleicht zu großen Raum ein. Sie erzeugen einen gefilterten Blick des Qualitätsmanagements auf das Managementsystem. In Audits, Trainings und Fachliteratur wird diese Prägung erzeugt und diese Dominanz gefestigt. Dies birgt jedoch Gefahren.
Wie sehen diese aus?
Dazu zählt etwa, dass Managementsystemnormen überhöht und als einzige oder wichtigste Basis für Managementsystemgestaltung angesehen werden. Oft werden auch wichtige Managementsystemkomponenten außerhalb der Norm nicht betrachtet. Managementsystem-Wissen außerhalb der Normen fehlt dann. Zudem besteht die Gefahr, dass Kommunikation beeinträchtigt wird. Qualitätsmanager, Leitung sowie andere Führungskräfte reden und handeln dann aneinander vorbei.
Wofür braucht man dann überhaupt noch Normen?
Griga: Managementsystemnormen sind trotzdem nützlich. Jedes System eines Unternehmens, das ein Glied einer Lieferkette ist, ist somit auch Teils des Systems Lieferkette. Dieses System hat die Besonderheit, über Unternehmensgrenzen hinweg zu bestehen. Der originäre Zweck, der am weitesten verbreiteten Managementsystemnorm ISO 9001 Qualitätsmanagementsystem ist beispielsweise, in Lieferketten die Kompatibilität der übergreifenden Produktentstehungsprozesse, Systeme und Methoden zu ermöglichen und zu verbessern. Systeme oder Prozesse müssen nicht standardisiert oder nach jedem einzelnen Kunden ausgerichtet werden, sondern es werden Anforderungen daran benannt, die für alle in einer Lieferkette gelten sollen. Eine wesentliche Funktion von Managementsystemnormen liegt in der Herstellung, Darlegung und dem Nachweis von Konformität im Hinblick auf Anforderungen, die auf breitem Konsens beruhen. Die von Kundenbedürfnissen oder Erwartungen der Gesellschaft abgeleiteten Anforderungen sind nicht nur an gesetzlichen Vorgaben orientiert, sondern übertreffen diese oft. Durch Managementsystemnormen und deren Zertifizierung kann dann Konformität mit diesen Anforderungen systematisch hergestellt und nachgewiesen werden.
In Firmen mit einem hohen Reifegrad wird der Zusatznutzen beispielsweise der ISO 9001 teilweise in Frage gestellt. Was kann dem entgegnet werden?
Griga: Die Qualitätsmanagementsystemnorm ISO 9001 wird in der Tat in reifen Gesellschaften vielmals nur als simpler Nachweis der Konformität mit einem Mindeststandard ohne weiteren Zusatznutzen betrachtet. Unternehmen in diesen Gesellschaften die Norm als Ansatz zur Reifegradsteigerung und Systemverbesserung anzupreisen, läuft deshalb oft ins Leere. Es bestehen trotzdem vielfach Potenziale zur Steigerung der Managementsystemeffektivität, die mit Unterstützung des Qualitätsmanagements gehoben werden können.
Welche Potenziale sind das?
Griga: Zum Beispiel die Integration und Verschlankung von verschiedenen Managementsystemen im Unternehmen oder die Steigerung der Wirksamkeit von Managementsystemkomponenten. Insbesondere wenn Teile einer Managementsystemnorm intern nur Lippenbekenntnisse sind, ist Handlungsbedarf vorhanden, um Konformität und die Leistung des Managementsystems zu verbessern. Darüber hinaus ist grundsätzlich der Reifegrad in Bezug auf einzelne Managementsystemnormen in Unternehmen sehr unterschiedlich. Während weltweit über eine Million von Unternehmen nach ISO 9001 zertifiziert sind, verfügen nur wenige beispielsweise über eine nach ISO 27001 zertifizierte Informationssicherheit. Dieses Thema und auch andere gewinnen jedoch zunehmend an Bedeutung. Durch einen proaktiven, breiteren Blick auf die Normenlandschaft und die zukünftigen Marktanforderungen ergeben sich somit zusätzliche Möglichkeiten für das Qualitätsmanagement die Managementsystementwicklung des Unternehmens zu unterstützen.
Welche Praxistipps können Sie zur effektiven Managementsystemgestaltung geben?
Griga: Strategiefehler zu diagnostizieren oder zu heilen, ist nicht originäre Aufgabe der Managementsystemnormen oder gar von Qualitätsmanagern. Genauso wenig ist es die Aufgabe des Qualitätsmanagements oder anderer Funktionen oberflächlich Konformität mit einer Managementsystemnorm vorzuweisen. Sprech-, Disput- und Handlungsfähigkeit zur effektiven Gestaltung von Managementsystemen sind stattdessen zu erlangen. Die manchmal von Qualitätsmanagerinnen und -managern beklagte Nichtbeachtung von Managementsystemnormen durch Führungskräfte hat oft andere Gründe als beispielsweise Unwissen oder Unwillen. Für erfolgreiches Qualitätsmanagement ist es ein Erfolgsfaktor, das zu erkennen, mögliche Gründe zu verstehen und diesen zu begegnen.
Wie sieht Ihr Fazit aus?
Griga: Organisationen erreichen schnell eine enorme Komplexität, die sich unter anderem in Zielkonflikten und Dysfunktionalitäten äußert. Führungskräfte müssen diese oft managen, ohne sie gänzlich auflösen zu können. Entscheidend ist es, miteinander darüber zu sprechen, welche Lücken, Stärken und Schwächen das Managementsystem hat und wie man es wirksamer machen kann. Der Anspruch der Kundenausrichtung sowie der Erfüllung gesetzlicher und gesellschaftlicher Anforderungen aber auch ein breites Wissen über Management, Systeme, Managementsysteme und Normen stellen dabei die Ausgangsbasis dar, um gemeinsam die Effektivität von Managementsystemen zu verbessern.
Über den Autor
Dr. Wilhelm Griga ist Senior Quality Manager bei Siemens Digital Industries. Er ist dort unter anderem für die Themen internationale Organisationsentwicklung, digitale Transformation und agiles Managementsystem zuständig. Daneben gehört er zur DGQ-Regionalkreisleitung Nürnberg.
Dieses Interview ist ursprünglich in Quality Engineering erschienen.
Qualitätsmanager werden zu Brückenbauern im Unternehmen

QM im Wandel – das sind zukünftige Anforderungen an QMBs

Wenige Bereiche im Unternehmen bieten eine so große Bandbreite an Themen wie Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung. Hier finden sich sowohl für Generalisten als auch Spezialisten interessante Aufgabenfelder.
Berufsfeld mit breitem Spektrum
Qualitätsmanagerinnen und -manager, Auditorinnen und Auditoren, Qualitätsingenieurinnen und -ingenieure, Qualitätsprüfende und sehr viele mehr – bereits die Bandbreite an Berufs- und Funktionsbeschreibungen zeigt, wie breit das Spektrum gefächert ist und dass es „den Qualitätsmanager “ beziehungsweise „die Qualitätsmanagerin“ nicht mehr gibt.
Ein Blick auf die zwei wesentlichen Arbeitsbereiche des Qualitätswesens – operative Qualitätssicherung und strategisches Qualitätsmanagement – verrät warum: Die Anforderungen, die an Mitarbeitende aus diesen Bereichen gestellt werden, sind sehr unterschiedlich und auch die Komplexität hat in den letzten Jahren stark zugenommen.
Definitionen der DGQ:
- Qualitätsmanagement ist Arbeiten an der Organisation, um sie systemisch qualitätsfähig zu machen.
- Qualitätssicherung ist Arbeiten am Produkt und am Prozess, um Qualitätsanforderungen zu erfüllen und Fehler und Verschwendung zu reduzieren.
Berufsbild Qualitätsmanager Qualität ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg jedes Unternehmens und ein wichtiger Faktor für Kunden. Um Qualität zu erzeugen, braucht es ein gutes Konzept und ein reibungsloses Zusammenspiel aller Beteiligten. Eine Schlüsselrolle dabei haben Qualitätsmanager. Sie helfen der Unternehmensleitung, den Führungskräften, Prozesseignern und Mitarbeitenden, das Unternehmen qualitätsfähig zu machen. Als „Systemarchitekten“ unterstützen Sie dabei, ein Qualitätsmanagementsystem aufzubauen und weiterzuentwickeln. Finden Sie eine Karriere im Qualitätsmanagement spannend? Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Qualitätsmanager:
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Veränderte Anforderungen im Qualitätsmanagement
Ein schärfer werdender Wettbewerb und eine konsequente Kundenorientierung schrauben das Anspruchsniveau für QM immer höher. Somit haben auch die Anforderungen an Qualitätsmanagerinnen und -manager in den letzten Jahren immer weiter zugenommen. Auch aufgrund unterschiedlichster branchenspezifischer Normen und Qualitätsmanagementmethoden ist es heute für eine einzelne Person kaum noch möglich, allen Anforderungen ausreichend gerecht zu werden.
Qualitätsmanagerinnen und -manager sowie Qualitätsmanagementbeauftragte (QMBs) sind beispielsweise nicht nur für die reine Auditierung, Pflege des Qualitätsmanagementsystems oder Prozessverbesserungen verantwortlich. Vielmehr wird eine effektive Unterstützung der Organisationsentwicklung – auch durch strategische Managementqualitäten – zukünftig eine der Aufgaben sein.
Das Qualitätsmanagement hat sich von einer tendenziell produktorientierten Disziplin hin zu einer auf das gesamte Unternehmen ausgerichteten Funktion entwickelt, die qualitätsbezogene Tätigkeiten insgesamt, das heißt über den Produktbereich hinaus, steuert.
Welche Kompetenzen und welches Know-how brauchen Qualitätsmanagerinnen und -manager zukünftig?
Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung sind zurzeit im Wandel – eine spannende Zeit für die Umsetzung und Mitgestaltung neuer Ideen. Es ist besonders die digitale Transformation, die Produkte und Organisationen verändert und neue Formen von Führung und Zusammenarbeit hervorbringt. Das stellt auch Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung vor neue Anforderungen, verschafft ihnen aber auch neue Möglichkeiten.
Qualitätsmanagerinnen und Qualitätsmanager benötigen entsprechende Kompetenzen für die folgenden Tätigkeiten und Themen:
- Ein prozessorientiertes, auf Kennzahlen basiertes Managementsystem aufbauen können und Grundzüge der Datenanalyse kennen.
- Vertieftes Prozessmanagement Know-how und ganzheitliches Verständnis der Prozesse (End-to-End-Prozesse).
- Es sind Management– und Führungsqualitäten gefordert, um bei Themen wie Organisationsentwicklung und Unternehmensstrategie mitsprechen zu können. Gemeinsam mit der Geschäftsführung müssen unter anderem die Qualitätspolitik erarbeitet und umgesetzt sowie Qualitätsziele nachverfolgt werden.
- Sie sollten durch hohe Problemlösungsfähigkeit und Kreativität bei Lösungsfindungen oder geplanten Innovationen beraten und unterstützen können.
- Qualitätsmanagerinnen und -manager sollten sich auch in ihrer Rolle als interne Beratende und Unterstützende verstehen.
- Soft Skills und Kompetenzen im Change-Management werden wichtiger, damit in Zeiten der hohen Veränderungsgeschwindigkeit mit Mitarbeitenden und Schnittstellen effektiv zusammengearbeitet werden kann. Veränderungsprozesse müssen aktiv angestoßen und gesteuert werden.
- Qualitätsmanagerinnen und -manager müssen über das Bewusstsein für Interaktionen und Teams in ihrem Unternehmen verfügen und die Rolle als Team- oder Projektleitende wahrnehmen (Teamführung mit/ohne Weisungsbefugnis).
- Wichtig ist ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit, sozialer Kompetenz sowie Überzeugungsfähigkeit. Mitarbeitende im QM sollten die Bedürfnisse zahlreicher unterschiedlicher Interessensgruppen berücksichtigen und koordinieren.
- Notwendig ist die Koordination und Pflege von weiteren Managementsystemen, um sich den branchenspezifischen Anforderungen entlang der Lieferkette anzupassen.
- Es braucht ein Verständnis der agilen Arbeitsweise, um mit anderen Abteilung im Unternehmen besser kooperieren zu können.
Die persönlichen Anforderungen sind hoch und entsprechen denen vieler Führungskräfte: Qualitätsmanagerinnen und -manager müssen unter anderem regelmäßig Entscheidungen treffen und diese durchsetzen können, ganzheitlich denken und handeln, Führungs-Know-how besitzen und Andere begeistern und mitreißen können.
Kostenfreier Berufsreport “Karriere im Qualitätsmanagement und in der Qualitätssicherung – Perspektiven für Neueinsteiger”Im kostenfreien Berufsreport erhalten Sie Einblicke in das Berufsfeld QM und erfahren, wie der Einstieg in diesen Bereich gelingt und welche Verdienstmöglichkeiten sich nach Beruf und Branche ergeben. |
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Relaunch von QM-Lehrgängen antworten auf den Wandel
Auf die gewandelten Anforderungen des Berufsbildes hat auch die Weiterbildung der DGQ reagiert: So wurde der Ausbildungsweg zum/zur DGQ-Qualitätsbeauftragten überarbeitet. Dies betrifft die beiden Grundlagenlehrgänge „Qualitätsmanagement I – Grundlagen“ und „Qualitätsmanagement II – Methoden, Anwendung und Kommunikation“. Dabei haben die Teilnehmenden die Wahl zwischen Trainings in Präsenz oder dem virtuellen Format der E-Trainings. In jedem Fall erhalten die Teilnehmenden eine fundierte und zukunftsorientierte Ausbildung, welche die aktuellen Marktanforderungen und den Wandel des Berufsfeldes „Qualitätsmanagement“ berücksichtigt.
Datenschutzmanagement – Zertifizierungen und ISO High Level Structure

Zertifizierungen gemäß DS-GVO
Die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) nimmt seit 1. Januar 2019 Anträge für die Akkreditierung gemäß Art. 43 Abs. 3 DS-GVO i.V.m. DIN EN ISO/IEC 17065 an. Der Akkreditierungsprozess läuft in 6 Phasen, die Befugnis zur Ausgabe entsprechender Zertifikate erfolgt bei erfolgreicher Prüfung in Phase 5 (Phase 6 ist die Überwachung der akkreditierten Zertifizierungsstellen).
Diese Akkreditierungen beziehen sich gemäß dem Anwendungsbereich der ISO/IEC 17065 auf Produkte, Prozesse und Dienstleistungen. Nicht jedoch auf Datenschutzmanagementsysteme, wie man aufgrund der Anforderungen des Kapitels IV der DS-GVO erwarten könnte. (mehr …)
Was ist Qualitätsmanagement?

Eine Warnung vorab: In der Theorie, von Theorie zu Praxis, von Branche zu Branche und innerhalb einer Branche von Unternehmen zu Unternehmen kann sich das Verständnis davon, was Qualitätsmanagement ist, stark unterscheiden.
Die Rolle der Führung in ISO 9001:2015

In der Norm ISO 9001:2015 spielt die Führung des Unternehmens eine entscheidende Rolle. Nur wenn die Leitung des Unternehmens mit gutem Beispiel vorangeht und die Qualitätsphilosophie vorlebt, wird das Qualitätsmanagement (QM) im Unternehmen sinnvoll von den Mitarbeitern umgesetzt.
Was ist ein Prozess in ISO 9001:2015?

Der prozessorientierte Ansatz spielt in ISO 9001:2015 eine tragende Rolle. Die Grundgedanken fußen unter anderem auf dem sogenannten „Null-Fehler-Prinzip“ von Philip Crosby. Umso besser ein Prozess geplant wird, desto weniger Fehler sind zu erwarten. Somit sind transparente und stabile Abläufe die Basis der ständigen Verbesserung. Oft fällt in diesem Zusammenhang das Motto: „Wir planen Qualität hinein!“.
Die sieben Grundsätze von Qualitätsmanagement

Die sieben Grundsätze bilden die Basis von Qualitätsmanagement. Sie sind wichtig, um ISO 9001:2015 angemessen anzuwenden. In der Norm ISO 9000 sind diese Grundsätze erläutert. Sie lauten:
(mehr …)
Wie führe ich ein QM-System ein?

Qualitätsmanagement bzw. ein Qualitätsmanagement-System (QM-System) einzuführen ist ein komplexes Projekt, das in der Regel etwa ein Jahr in Anspruch nimmt. Was sind dabei die wichtigsten Schritte und woran sollten Qualitätsverantwortliche unbedingt denken? Im ersten Schritt muss sich die Geschäftsführung klarwerden, welche Ziele sie damit verfolgt:
Was macht eigentlich ein QMB?

Der Qualitätsmanagementbeauftragte (QMB) ist nach wie vor eine der wichtigsten Rollen im Rahmen des Qualitätsmanagement-Systems. Er ist ein Bindeglied zwischen allen Prozessen und Abteilungen und kommuniziert mit den Führungskräften auf Augenhöhe. Aber was macht ein QMB eigentlich genau? Was sind seine Aufgaben?
So definieren und steuern Sie Ihre QM-Kennzahlen

Kennzahlen sind unverzichtbar, wenn es darum geht, die Prozessleistungen in Ihrem Unternehmen zu beurteilen und diese Prozesse laufend zu verbessern. Auf die Forderung von ISO 9001:2015, dass Unternehmen die wichtigsten Prozesse definieren und diese mit Hilfe von Kennzahlen messbar machen müssen, haben wir bereits im Beitrag „QM-Kennzahlen in der Norm“ hingewiesen.
Wie kommt man aber nun zu einer „guten“ (relevanten) Kennzahl? Und wie lassen sich die definierten Kennzahlen am besten steuern? (mehr …)
QM Kennzahlen in ISO 9000 und ISO 9001

Beim Begriff „Kennzahl“ kann schnell die Frage aufkommen, wovon man eigentlich genau spricht: Einem Leistungsindikator? Einem Key Performance Indicator (KPI)? Einem Ziel?
Die 6 wichtigsten Fragen zum Thema „Interessierte Parteien“ nach ISO 9001:2015

Das “Verstehen der Erfordernisse und Erwartungen interessierter Parteien” (DIN EN ISO 9001:2015, Kapitel 4.2) wirft noch immer viele Fragen auf: Wie genau müssen die Anforderungen definiert werden? Wie häufig überprüft? Und wie genau kommt man eigentlich an Rückmeldungen der Stakeholder?
5 Tipps zum Stakeholder-Management nach ISO 9001:2015

Die revidierte ISO 9001 erfordert eine Stakeholderanalyse – so können Sie vorgehen
Mit der letzten Revision der Qualitätsmanagementnorm 9001:2015 gab es einige Änderungen. Die revidierte Norm ISO 9001:2015 fordert unter anderem das „Verstehen der Organisation und ihres Kontextes“ (Kapitel 4.1) und das „Verstehen der Erfordernisse und Erwartungen interessierter Parteien“ (Kapitel 4.2).
Zertifizierte Unternehmen stehen nun vor der Herausforderung, ihre relevanten Stakeholder (interessierte Parteien) zu definieren. Das Ziel? Sicherzustellen, dass die die unternehmenseigenen Prozesse so gut funktionieren, dass die Erwartungen der Stakeholder an die Qualität von Produkten und Dienstleistungen erfüllt oder sogar übertroffen werden.
5 Tipps zur Managementbewertung nach ISO 9001:2015

Im Rahmen von DIN EN ISO 9001 müssen Unternehmen eine Managementbewertung (bzw. ein Managementreview) durchführen. Die „oberste Leitung“ ist in der Verantwortung, die Eignung, Angemessenheit und Wirksamkeit des Qualitätsmanagement-Systems (QM-System) regelmäßig zu bewerten. Dabei gilt es, die strategische Ausrichtung des Unternehmens im Blick zu haben. So zu finden im Kapitel 9.3ff des revidierten Normentextes. Mit der Managementbewertung kann zugleich auch gut die Rechenschaftspflicht der obersten Leitung dargelegt werden, welche im Normabschnitt 5.1 gefordert wird. (mehr …)
ISO 9001:2015: Diese Aufgaben warten auf Sie bis zur (Re-)Zertifizierung

Können Sie sich eine zertifikatsfreie Zeit ohne ISO 9001 ab dem 15. September 2018 leisten? Wenn ja, müssen Sie sich keine Gedanken machen und können ruhig schlafen. Wenn nein, wird es höchste Zeit, sich mit den neuen Herausforderungen der Revision von 2015 zeitnah auseinanderzusetzen, zu designen, zu realisieren und zu implementieren.
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Qualitätsmanagement
Qualitätsmanagement – ein Erfolgsfaktor für Unternehmen
Qualitätsmanagement hilft, Produkte und Dienstleistungen zu verbessern, Kunden zu binden und wirtschaftlich zu handeln. Gerade im letzten Jahr hat sich im Qualitätsmanagement einiges getan:
Die Revision der QM-Norm DIN EN ISO 9001 stellt Mitarbeiter und Unternehmen vor neue Herausforderungen. Es ist an der Zeit, sich Gedanken zu machen, wie das Qualitätsmanagement für eine Unterstützung agiler Unternehmenskulturen und -strukturen fit gemacht werden kann. Denn Qualitätsmanagement im klassischen Sinn wird Organisationen heute nur noch gerecht. Was wir brauchen, ist ein agiles Qualitätsmanagement, dass Unternehmen dabei unterstützt, sich im Zeitalter des digitalen Wandels erfolgreich aufzustellen.
Unsere Inhouse- und Consulting-Angebote
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Interessieren Sie sich für Qualitätsmanagement und die neuesten Entwicklungen? Hier finden Sie unsere Blogbeiträge, News, Whitepaper und interessante Veranstaltungen rund um QM und ISO 9001 – kompakt und übersichtlich auf einem Blick.
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Videoreihe “Grundsätze des Qualitätsmanagements” In dieser Videoreihe stellen Ihnen die DGQ-Trainer:innen Martina Scharwey und Rüdiger Förster die sieben Grundsätze des Qualitätsmanagements näher vor. Erfahren Sie mehr über die Bedeutung und Relevanz der Grundsätze für das Qualitätsmanagements und wie Sie diese in der Praxis umsetzen können: Zur Videoreihe » |