Nachhaltigkeit messen – Wie kommen wir an Kennzahlen? Drei Bausteine zum Erfolg

Ob Nachhaltigkeitsmanager, Umweltbeauftragter, Qualitätsmanager, Unternehmensentwickler oder Geschäftsführung: Jeder Themenverantwortliche in Organisationen hat bei der Messung von Nachhaltigkeit eine eigene Perspektive und unterschiedliche Fragestellungen zu beantworten. Bei der Vielzahl an Bearbeitungsmöglichkeiten, Regularien, Standards, Materialien, Quellen etc. stellt sich dabei die zentrale Einstiegsfrage: Womit kann ich bei der Kennzahlenentwicklung sinnvollerweise beginnen?
Baustein 1: Ziele müssen klar beschrieben sein, erst dann sind Kennzahlen sinnvoll
Im Internet erhalten Suchende über einschlägige Suchanfragen nach „ESG-Indikatoren“ u.a. eine Vielzahl von „Kennzahlenkatalogen (GRI, DNK)“ oder auch Jahresberichten von Konzernen (zum Beispiel von SAP, Siemens, Telekom). Aus Sicht des DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit liefern solche Betrachtungen jedoch keine systematisch verwertbaren Erkenntnisse. Häufig passen die gezeigten Kennzahlen nicht zur Strategie und Ausrichtung der jeweiligen Organisation. Gerade kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) bleiben bei der Zahlenflut oftmals ratlos zurück. Der Nutzen der Kennzahlen wird nicht klar, auch der Mix aus quantitativen und qualitativen Werten erschließt sich nicht sofort. Hinweise für die Entwicklung von Kennzahlen und deren Steuerungswirkungen können so nicht erzielt werden. Hierfür sind zunächst die jeweiligen Nachhaltigkeits- oder ESG-Ziele klar zu beschreiben und in der Unternehmensstrategie bzw. -ausrichtung zu verankern.
Dabei könnte zukünftig eine ISO-Norm helfen, die sich derzeit in der Entwicklung befindet: die ISO 53001 („Management systems for the UN Sustainable Development Goals – Requirements“), die derzeit im ISO-Gremium PC 343 erarbeitet wird.
Im ersten Schritt müssen die eingangs genannten Themenverantwortlichen anhand einiger Grundsatzüberlegungen und ausgehend vom bestehenden Reporting/Berichtswesen erst einmal verstehen, worum es bei der Nutzung von Kennzahlen eigentlich geht:
- Was will ich erreichen? Was möchten meine Stakeholder? Welchen Nutzen will ich erreichen?
- Wie kann ich das Gewünschte messen bzw. Veränderungen nachvollziehbar beobachten?
- Was ist nicht vorhanden und wie kann es ermittelt werden?
- Was sind die Grenzen meiner Ressourcen?
Erst wenn das Verständnis für diese Fragestellungen vorhanden ist, ist im zweiten Schritt ein fokussiertes Weiterkommen möglich. Über die Beantwortung dieser Fragen wird klarer, welche Kennzahlen für die eigene Organisation wichtig sind und helfen, die Unternehmenssteuerung unterstützen. Kennzahlen müssen dabei Nachweise dafür liefern, inwieweit ein Leistungsergebnis im Laufe der Zeit eintritt. Folgende Grundsätze sind für die Entwicklung von Kennzahlen zu berücksichtigen.
- „Resultat“: Das gewünschte Ergebnis ist klar beschrieben
- “Fokus“: Ein klarer Fokus ist vorhanden
- “Prozess oder Aktivität“: Konkrete Prozesse oder Aktivitäten sind geplant, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen
- “Messung“: Es gibt eine oder mehrere Kennzahlen, anhand derer das Erreichen des Ergebnisses überprüft werden kann
- „Zielwert und Zeitrahmen“: Zielwerte für Kennzahlen und Zeitrahmen, in denen erstere erreicht werden sollen, sind vorausschauend festgelegt.
Baustein 2: Starten statt Warten
Aktuell gibt es noch keine ESG-Checklisten, die einfach abzuarbeiten sind. Auch die Anforderungen an die Berichterstattung (CSRD usw.) bereiten noch vielen Probleme. Wie können dennoch “low hanging fruits“ geerntet werden?
Als Soforteinstieg bietet sich eine Statusbestimmung an, die auch bereits mit einer Stakeholderbetrachtung gemäß der künftig geforderten „Doppelten Wesentlichkeitsanalyse“ gekoppelt werden kann. Damit können Aufwände und Zeitdruck in der zwingenden Realisierungsphase reduziert werden.
Üblicherweise sind diverse Bereiche innerhalb einer Organisation in die Kennzahlenthematik zu involvieren. Nicht alle wissen dabei voneinander. Zudem ist oft nicht klar, was gegebenenfalls schon vorhanden ist (zum Beispiel Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen, Daten aus dem Controlling/Rechnungswesen). Vorhandene Managementsysteme bieten – sofern vorhanden – einen Einstieg in eine übergreifende, integrative Betrachtung. Zudem sind hieraus in der Regel bereits Messgrößen verfügbar.
Ein großes Hemmnis ist die Angst vor Zeitaufwand und Kosten. Die Ermittlung von Kennzahlen stellt häufig einen zusätzlichen Arbeitsaufwand dar. Zudem wird das Thema gerne auf der Zeitachse geschoben, da die Budgetverantwortlichen die unmittelbare Relevanz nicht erkennen. Dem sollten die Themenverantwortlichen schon in der Planungsphase nach Kräften entgegenwirken. Übergreifende Zusammenarbeit ist hier ein Erfolgsfaktor.
Gut zu wissen: Es gibt Fördermöglichkeiten. Wichtig dabei: Die Organisationen müssen selbst aktiv werden! Unterstützung bieten verfügbare Finanzförderungen, die auch als Mittel für die Kennzahlenthematik genutzt werden können. Zum Beispiel sind beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auch weitere Fördermöglichkeiten mit folgenden Links zu finden:
Informationen zu Förderprogrammen
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Baustein 3: Positiv gestimmte Unternehmenskultur ist sehr wichtig
Die Entwicklung von Kennzahlen ist stark von der Nutzenfrage bestimmt. Ein reines, von der Regulatorik, Banken und Versicherungen etc. gefordertes „Pflichtprojekt“ kann die gewünschten Effekte für die Unternehmenssteuerung nicht erzielen. Auch zu dieser Thematik ist die „Oberste Leitung“ gefordert, Gestaltungswillen zu zeigen, statt nur aus der Notwendigkeit und der regulatorischen Anforderung heraus Kennzahlen zu berichten. Im Idealfall lebt die oberste Leitung das Thema Nachhaltigkeit vor und bezieht es in den Strategieprozess ein. Erst dadurch kommt der Thematik die benötigte Wertschätzung zu.
Für die Umsetzung der Gesamtthematik reicht es nicht, die Aufgabe alleinig beim Qualitätsmanager oder Qualitätsmanagementbeauftragten (QMB) „abzuladen“. Tatsächlich ist dieser nur einer der benötigten Kandidaten in einem interdisziplinären Team. Vernetzung ist wichtig und bezieht in der Zusammenarbeit – je nach Aufstellung der Organisation – Controlling, Finanzbuchhaltung, Rechtsabteilung, Risikomanager, Logistik, Personal, Einkauf u.a. mit ein.
Sobald das angestrebte Ziel klar ist, gilt es , begleitende Ressourcen und Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, um Kollegen:innen zum Mitmachen zu motivieren. Motivierte Kollegen:innen zu gewinnen ist zentral, um eine entsprechende Kultur der Kennzahlenorientierung zu schaffen. Dieser muss allerdings zunächst eine Kultur der Unterstützung von SDGs innerhalb der Organisation vorausgehen. Denn die besten Kennzahlen nützen nichts, wenn keine Nachhaltigkeitsziele eingehalten werden. Die Abfrage unter den Mitarbeitenden, wer beim Kennzahlenreporting mitmachen will, ist eine Möglichkeit. Weitere Möglichkeiten bieten zum Beispiel Foren mit Visualisierungen, Testräume, Communities, Schulungen, Trainings und Netzwerke. Solche internen Beteiligungsmöglichkeiten können dazu motivieren, Beiträge zu leisten, die Sichtbarkeit für die Thematik zu erhöhen, die Know-how Basis zu verbreitern und die Akzeptanz zu erhöhen.
Das Thema „Kennzahlen“ und deren sinnvolle Entwicklung innerhalb der Organisation ist unbestreitbar ein herausforderndes. Da dieses Thema dynamisch bleibt, ist der Fachkreis für ergänzende Impulse offen. Abschließend bleibt festzuhalten: Es gibt keine „One Size fits all Lösung“. Denn jede Organisation hat die Aufgabe, individuelle Kennzahlen-Settings zu erarbeiten.
Über die Autoren:
Die Verfasser Dirk Kohlenberg, Frank Gerhäuser, Jonas Hegewald, Henry Wehrenberg und Wilhelm Floer bilden die Arbeitsgruppe „Kennzahlen“ des DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit.
Der Fachkreis bietet eine entscheidende Plattform, über die wir Wissen teilen, gemeinsam lernen und Umsetzungsbeispiele für die Praxis erarbeiten und bereitstellen. Wir wollen damit einen Gestaltungsspielraum für engagierte Personen aus Organisationen bieten, die sich ihrer unternehmerischen Verantwortung gegenüber der Umwelt und der Gesellschaft, aber auch der eigenen Organisation bewusst sind. Dies gilt für die Gegenwart und die Zukunft. Somit vereinen wir Managementsysteme und Nachhaltigkeitsbestrebungen.