ISO-GPS: Geometrische Tolerierung (Form- und Lagetoleranzen)

Unter der geometrischen Tolerierung versteht man die Festlegung der Form-, Richtungs- Orts- und Lauftoleranzen zur Spezifikation von Werkstücken. Aktuell beinhaltet die Norm DIN EN ISO 1101 die gültigen Regeln und Symbole zur geometrischen Tolerierung der Bauteile.
Neben der geometrischen Tolerierung konzentriert sich die dimensionelle Tolerierung auf die zulässigen Abweichungen der lineare Größenmaße und Winkelgrößenmaße. Lesen Sie hier mehr dazu.
DIN EN ISO 1101 – Tolerierung von Form, Richtung, Ort und Lauf
DIN EN ISO 1101 enthält grundlegende Informationen und Regeln für die geometrische Tolerierung von Werkstücken. Hierzu zählen Definitionen der Form- und Lagetoleranzen, Symbole und Zeichnungsangaben. Folgende Toleranzen werden unterschieden:
- Formtoleranzen: Geradheit, Ebenheit, Rundheit, Zylinderform
- Richtungstoleranzen: Rechtwinkligkeit, Parallelität, Neigung
- Ortstoleranzen: Position, Konzentrizität, Koaxialität, Symmetrie
- Lauftoleranzen: Rundlaufspezifikationen axial und radial
- Linien- und Flächenprofiltoleranzen (Details: ISO 1660)
DIN EN ISO 5459 – Bezüge und Bezugssysteme
Die Basis für die Bemaßung der Lagetolerierungen von geometrischen Elementen und für deren Prüfung (Ausrichtung) ist der Bezug beziehungsweise das Bezugssystem. In der Norm DIN EN ISO 5459 (GPS) – Geometrische Tolerierung – Bezüge und Bezugssysteme sind die geltenden Regeln enthalten.
- Einzelbezüge, gemeinsame Bezüge, Bezugssysteme
- Kennzeichnung der Bezugselemente
- Symbole für Bezugsstellenangaben
- Modifizierersymbole
- Eintragungsregeln
- Assoziation (messtechnische Zuordnung) von Bezügen
Bezüge und Bezugssysteme nach DIN EN ISO 5459
Bezüge sind theoretisch exakte Geometrieelemente, die aus Punkten, Geraden, Flächen oder Kombinationen daraus gebildet werden können. Diese idealen assoziierten Geometrieelemente werden aus den angegebenen Bezugselementen am Werkstück gebildet.
Sie dienen der Aufnahme und Ausrichtung zur Herstellung und Prüfung der Werkstücke mit geometrischen Toleranzen und werden durch einen Bezugsindikator angegeben.
Vollständiges „hierarchisches“ Bezugssystem
Ein Bezugssystem wird durch die geordnete Angabe von zwei oder drei Bezügen im Toleranzrahmen angegeben. Mit dem Bezugssystem werden die erforderlichen Freiheitsgrade zur Ausrichtung eines Bauteils fixiert.
Die Reihenfolge der Kennbuchstaben der Bezüge, die großen Einfluss auf das Ergebnis hat, ist gleichzeitig die Rangfolge für die Bildung des Bezugssystems. Die Bezugsebenen sind theoretisch exakte Geometrieelemente und stehen dabei senkrecht zueinander!
Damit die Bezugselemente am Bauteil genutzt werden können, müssen sie sinnvoll spezifiziert sein.
- Primärbezug: Formtoleranz
- Sekundärbezug: Rechtwinkligkeit (Orientierung) zum Primärbezug
- Tertiärer Bezug: Rechtwinkligkeit (Orientierung) zum Primär- und Sekundärbezug
- Mit kleineren Toleranzen als bei der Positionstoleranz
Beispiel 1: Bezugssystem an einer Bohrplatte mit Positionstoleranz
Formtoleranz
Formtoleranzen begrenzen die zulässigen Abweichungen eines Geometrieelementes von seiner geometrischen idealen Form. Sie bestimmen die Toleranzzone, innerhalb der das extrahierte (erfasste) Ist-Geometrieelement liegen muss und eine beliebige Form haben darf.
Lagetoleranz (Richtungs-, Orts- und Lauftoleranzen)
Lagetoleranzen begrenzen die zulässigen Abweichungen von der geometrischen idealen Lage zweier oder mehrerer Geometrieelemente zueinander, von denen eines oder auch mehrere als Bezugselement oder Bezugssystem festgelegt wird.
Typische Beispiele zur geometrischen Tolerierung nach ISO 1101
Erfahren Sie mehr zu den ISO-GPS-Tolerierungsgrundsätzen.
Aktuelle ergänzende Möglichkeiten, Eintragungsregeln und Symbole nach ISO 1101
Die bekannten Symbole für die Toleranzarten Form-, Richtungs- Orts und Lauftoleranzen haben sich nicht geändert. Es wurden weitere Symbole und Regeln zur Eintragung von Toleranzen in 2D- und 3D-Modellen eingeführt. Beispiele sind:
- 3D-Eintragungsregeln
- Anzeiger zur Kennzeichnung von Schnittebenen
- Anzeiger zur Orientierung der Toleranzzone
- Anzeiger zur Tolerierung von beliebigen Querschnitten (ACS)
- Symbol zur Tolerierung im „freien Zustand“ (F)
- Symbol zur Kennzeichnung abgeleiteter Geometrieelemente (A)
- Eintragung eingeschränkter Geltungsbereiche
- Eintragung der Toleranz für zusammengesetzte Geometrieelemente (UF)
- Erläuterungen zu den Modifikatoren „rundum” und „rundherum”
- Eintragung ungleichmäßig verteilter Toleranzzone (UZ)
- Eintragung separater Toleranzzonen (SZ)
- Eintragung versetzter Toleranzzone (OZ)
- geänderte Eintragung für projizierte Toleranzzonen (P)
- weitere
Beispiele für Symbole und Spezifikationsoperatoren sind im Folgenden dargestellt:
Tolerierung von Nicht-Größenmaßen nach DIN EN ISO 14405-2
Beispiel zur geometrischen Tolerierung von Mittenabständen und Stufenmaßen
Linienprofiltoleranz nach ISO 1101 / ISO 1660
Linienprofiltoleranz mit Sammlungs-Anzeiger als „rundum“ tolerierte Geometrieelemente und SZ-Angabe
Durch die Angabe „SZ“ werden die Toleranzzonen für einen Satz von Geometrieelementen, die durch das „rundum-Symbol“ identifiziert sind, unabhängig voneinander betrachtet. Die Toleranzzonen stehen in keiner Beziehung zueinander. Die jeweiligen Linien sind unabhängig voneinander toleriert.
Die Nenngeometrie (TEF) muss mit TED-Maßen oder über das CAD-Modell (ISO 16792:2021-04) definiert werden! MBD – Model Base Definition (ASME Y14.41:2019)
Linienprofiltoleranz mit Sammlungs-Anzeiger als „rundum kombinierte“ Toleranzzone und CZ-Angabe
Durch die Angabe „CZ“ werden die Toleranzzonen für einen Satz von Geometrieelementen, die durch das „rundum-Symbol“ identifiziert sind, kombiniert. Die Außenkanten sind dabei scharfkantig. Toleriert sind alle Linienzüge innerhalb der kombinierten Toleranzzone.
Linienprofiltoleranz mit Sammlungs-Anzeiger als „rundum zusammengesetztes“ Geometrieelement mit UF-Angabe
Durch die Angabe „UF“ werden die zusammengesetzten Geometrieelemente als ein Geometrieelement betrachtet und durch das „rundum-Symbol“ zusammengefasst. Die Außenkanten sind dabei abgerundet. Toleriert sind alle Linienzüge auf der zusammengesetzten Fläche.
Anwendungsbeispiel für den Orientierungsebenenindikator
Wird ein abgeleitetes Geometrieelement aus zwei Richtungen mit jeweils zwei parallelen Ebenen begrenzt, muss die jeweilige Richtung durch die Angabe eines Orientierungsebenenindikators angegeben werden.
Tolerierung nicht-formstabiler Teile nach DIN EN ISO 10579
Die mit ≅ gekennzeichneten Toleranzen sind in „freiem Zustand“ einzuhalten. Die anderen Toleranzen sind unter den angegebenen Bedingungen einzuhalten.
Informieren Sie sich in weiteren Fachartikeln der ISO-GPS-Beitragsreihe In der ISO-GPS-Beitragsreihe erhalten Sie einen kompakten Überblick über das ISO-GPS-System, den aktuellen Normungsstand, den Tolerierungsgrundsätze, dem GPS-Matrix-Modell und die Möglichkeiten zur Anwendung:
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Der Autor Manfred Weidemann ist DGQ-Trainer und Geschäftsführer von Quality Office. Quality Office betreut seit über 25 Jahren kleine und mittelständische Unternehmen in den Bereichen Qualitätsmanagement, Prozessoptimierung, Zeichnungsprüfung und Längenprüftechnik/Fertigungsmesstechnik.