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Grüne Gesundheit: Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Gesundheitswesen

Gesundheitswesen, Arzt, Nachhaltigkeit

In den letzten Jahren haben die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz in nahezu allen Lebensbereichen an Bedeutung gewonnen. Besonders im Gesundheitswesen, einem der größten und ressourcenintensivsten Sektoren, ist die Notwendigkeit für Maßnahmen in Richtung nachhaltigeren Handelns evident. Der Klimawandel hat nicht nur für den Planeten drastische Folgen, sondern auch für die menschliche Gesundheit. Die klimatischen Veränderungen begünstigen die Zunahme von Allergien, Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems, sie führen zu steigenden Infektionszahlen und zur Zunahme von psychischen Erkrankungen wie Depressionen. Nachhaltigkeit und Klimaschutz anhaltend in den Fokus des Handelns im Gesundheitswesen zu rücken, ist somit von großer Relevanz.

Doch was bedeutet „Nachhaltigkeit“ und welche Ansätze gibt es, um Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser nachhaltiger und das Handeln im Einklang mit den Bemühungen um Klimaneutralität zu gestalten?

Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung versteht den Begriff als ethisches Handlungsprinzip, das uns verpflichtet, „die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden.“ Konkretisiert wird diese recht vage Definition durch das Drei-Säulen-Modell. Die drei Säulen bilden

  1. die Ökologie,
  2. die Ökonomie und
  3. das Soziale.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung des Bundestages formuliert eine konkretere Handlungsmaxime: „Wir dürfen nicht heute auf Kosten von morgen leben! Wir sollen nicht mehr verbrauchen, als künftig wieder bereitgestellt werden kann.“ Angesichts der massiven Effekte des Klimawandels und den Auswirkungen für zukünftige Generationen liegt der Fokus der Diskussionen um Nachhaltigkeit und nachhaltiges Handeln auf der Säule „Ökologie“.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Gesundheitswesen: Status Quo

Der Gesundheitssektor in Deutschland ist ein Wirtschaftszweig mit großer ökonomischer Bedeutung und spielt eine zentrale Rolle bei der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Im Jahr 2022 betrugen die Gesundheitsausgaben in Deutschland 497,7 Milliarden Euro, was etwa 12,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachte. Derzeit arbeiten rund 6 Millionen im Gesundheitswesen. Das entspricht etwa 17,7 Prozent der Gesamtbeschäftigung. Jeder achte Erwerbstätige in Deutschland ist somit in einer Einrichtung des Gesundheitswesens beschäftigt. Die Tendenz ist schon seit Jahren steigend.

Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen verbrauchen global große Mengen an Energie und Wasser, erzeugen erhebliche Mengen an Abfall und emittieren eine Vielzahl von Schadstoffen. Die Bundesärztekammer berichtet mit Verweis auf den „Health care climate footprint report“, dass der Gesundheitssektor mit zwei Gigatonnen CO2 Äquivalent pro Jahr für 4,4 Prozent der globalen Nettoemissionen verantwortlich ist. Zur besseren Einordnung dieser Zahl bietet die Kammer einen anschaulichen Vergleich: „Wäre der globale Gesundheitssektor ein Land, wäre er der fünftgrößte Emittent von Klimagasen im weltweiten Ranking der Länder.“ Das Gesundheitswesen verursacht aktuell gar mehr Schadstoffemissionen als der Flugverkehr oder die Schifffahrt, zu dem Ergebnis kommt das von PwC veröffentlichte Healthcare-Barometer 2022. Mit rund 71 Prozent verursachen Medizinprodukte und die mit ihnen verbundenen Lieferketten den größten Anteil der Emissionen. Mit rund 5 Prozent des Gesamtrohstoffkonsums in Deutschland liegt das Gesundheitswesen auch in diesem Bereich weit vorne.

Die Aktivitäten des Gesundheitswesens tragen somit maßgeblich zur Belastung unseres Klimas und der Umwelt bei. Zugleich bedeutet dies, dass durch das Ergreifen geeigneter Maßnahmen ein signifikanter Beitrag für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz beleistet werden kann.

Berufsbild Klimaschutzmanager
Kommunen und Unternehmen werden sich zunehmend ihrer Verantwortung für und den Herausforderungen durch den Klimawandel bewusst. Sie suchen daher immer häufiger nach Fachexperten, die sie bei der Umsetzung von Klimaschutzstrategien unterstützen können. Durch ihre Tätigkeit tragen Klimaschutzmanager dazu bei, Treibhausgasemissionen der Unternehmen und Kommunen zu reduzieren. Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Klimaschutzmanager:

  • Was ist ein Klimaschutzmanager?
  • Welche Aufgaben betreuen Klimaschutzmanager?
  • Wie werde ich Klimaschutzmanager?
  • Welche Weiter­bildungs­möglich­keiten gibt es?
  • Wie viel verdient ein Klimaschutzmanager?
  • Welche Karrieremöglichkeiten gibt es?

Zum Berufsbild Klimaschutzmanager »

Strategien und Maßnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes

Welche Maßnahmen sind nun geeignet, um Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Gesundheitswesen anhaltend zu verankern? Es gibt eine Vielzahl von teilweise niedrigschwelligen Möglichkeiten und verschiedenen Ansatzpunkte. Um den Unternehmen den ersten Schritt in Richtung Handeln zu erleichtern, hat die Arbeitsgruppe „Klimawandel“ der Bundesärztekammer zehn Handlungsfelder identifiziert und für jedes Empfehlungen erarbeitet.

Die folgende Auflistung soll einen Eindruck vermitteln und einen Überblick geben:

  1. Unternehmensführung, bspw. Etablierung eines Berichtswesens zum CO2-Fußabdruck und zu den ergriffenen Maßnahmen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
  2. Energieverbrauch, bspw. Optimierung des Einsatzes von Energie zur Warmwassererzeugung durch Einsatz erneuerbarer Energien und durch Einsatz wassersparender Steuerungsmechanismen
  3. Gebäude und Gelände, bspw. Ausweitung von Grünanlagen inklusive Förderung der Biodiversität, klimaadaptierte Baumpflanzung
  4. Anästhesiegase / Inhaler / chemische Stoffe, bspw. Auffangen des freiwerdenden CO2 durch Filter, Reduktion von Inhalationssprays / Inhaler wo möglich durch Nutzung anderer Darreichungsformen der Medikamente
  5. Wasser, bspw. Minimierung des Wasserverbrauchs durch Sammeln von Regenwasser zur Bewässerung von Gartenanlagen
  6. Abfall, bspw. Reduktion der Verwendung von Einmalprodukten, Umstellung auf Recyclingpapier, Papiervermeidung durch Digitalisierung
  7. Transport, Vermeidung unnötiger Fahrten/Reisen durch Videokonferenzen und -sprechstunden, Teilnahme an Programmen zum Fahrradleasing
  8. Einkauf, bspw. Optimierung der Lieferketten
  9. Ernährung, bspw. vermehrte Nutzung lokaler und saisonaler Produkte für Patienten, Mitarbeiter und Besucher, vermehrt vegetarische Küche
  10. Büro / EDV, bspw. Nachhaltigkeit im Internet bei der Auswahl von Suchmaschinen und E-Mail-Diensten

Selbstredend dürfen die Maßnahmen die Einhaltung medizinischer Standards nicht gefährden. Das Patientenwohl ist nach wie vor das oberste Gut im Gesundheitswesen. In vielen Fällen sind die Maßnahmen zunächst mit Investitionen verbunden. Mittel- und langfristig können die Unternehmen jedoch anhaltend ihre Kosten reduzieren und möglicherweise ihre Prozesse effizienter gestalten.

Die Treiber für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Gesundheitswesen

Die Einführung nachhaltiger Praktiken im Gesundheitswesen wird von einer Vielzahl von Faktoren und Treibern beeinflusst. Sie lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, die alle dazu beitragen, dass der Sektor ökologisch verantwortungsvoller wird.

  • Medizinischer und technologischer Fortschritt:
    Moderne Technologien wie energieeffiziente medizinische Geräte, digitale Gesundheitslösungen und telemedizinische Anwendungen haben nicht nur das Potential, die Qualität von und den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen zu steigern, sondern zugleich den Ressourcenverbrauch drastisch zu senken. Beispielsweise ermöglichen digitale Patientendaten eine effizientere Verwaltung bei verringertem Papierverbrauch.

 

  • Demografische Veränderungen und steigende Gesundheitskosten:
    Die alternde Bevölkerung in vielen Industrieländern führt zu einer erhöhten Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen. Diese steigende Nachfrage übt Druck auf die Gesundheitssysteme aus und macht effiziente, nachhaltige und kostensensitivere Lösungen notwendig. Nachhaltige Praktiken, die beispielsweise den Energie- und Ressourcenverbrauch reduzieren und Abfall minimieren, tragen wesentlich dazu bei, die Betriebskosten der Einrichtungen zu senken.

 

  • Gesetzliche und regulatorische Anforderungen:
    Regierungen und internationale Organisationen arbeiten stetig an der Umsetzung neuer Vorschriften und Standards und stellen zunehmend strengere Anforderungen an die Einrichtungen des Gesundheitswesens. Die Richtlinie (EU) 2022/2464 zur Nachhaltigkeitsberichterstattung beispielsweise, die am 5. Januar 2023 in Kraft getreten und bis Mitte dieses Jahres in nationales Recht umzusetzen ist, bedeutet für die Unternehmen umfassende Änderungen der Anforderungen hinsichtlich der nichtfinanziellen Berichterstattung.

Die Hürden für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Gesundheitswesen

Während der demografische Wandel, die zunehmende Digitalisierung und der technologische Fortschritt einerseits Treiber für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz sein können, stellen sie Gesundheitseinrichtungen zugleich vor große Herausforderungen. Viele Häuser schaffen es angesichts der vielfältigen Anforderungen nicht, das in den Trends liegende Potenzial für ihre Organisation zu heben. Zugleich hemmen Entwicklungen wie der Fachkräftemangel die Verankerung von Nachhaltigkeit und Klimaschutz: Ein vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten nennt zudem die folgenden Faktoren als wesentliche Hemmnisse:

  • Fehlende Anreize und Informationen: Angesichts fehlender monetärer oder regulatorischer Anreize entscheiden sich Unternehmen oft, sich nicht mit der Umsetzung von Maßnahmen zu beschäftigen. Zugleich fehlen in vielen Fällen Informationen zur Finanzierung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen.

 

  • Organisatorische Einschränkungen: Belange der Nachhaltigkeit werden in der Regel nicht im Management thematisiert und sind nur wenig in den Leitungsebenen der Unternehmen verankert.

 

  • Ressourcenmangel: Es mangelt den Einrichtungen an Zeit, Geld und Personal.

Fazit

Wenngleich es praxistaugliche und teils niedrigschwellige Ansatzpunkte gibt, wird im Gesundheitswesen aktuell zu wenig Gewicht auf nachhaltige Praktiken gelegt. Um Nachhaltigkeit dauerhaft in den Prozessen zu verankern, bedarf es weiterer Impulse und regulatorischer Vorgaben, sowie der Platzierung des Themas auf Leitungsebene. Die Effekte des Klimawandels werden zunehmend deutlich. Die Bedrohungen für Gesellschaft und Umwelt betreffen alle. Jeder Akteur steht in der Pflicht, einen Beitrag zu leisten. Diese Sicht teilt auch die Ärzteschaft. Der 125. Deutsche Ärztetag konstatierte die Notwendigkeit einer nationalen Strategie für eine klimafreundliche Gesundheitsversorgung und fordert Klimaneutralität bis 2030. An geeigneten Maßnahmen fehlt es nicht. Seitens der Politik bedarf es jedoch der Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen und seitens der Unternehmen des Umsetzungswillens. So oder so, die Effekte des Klimawandels werden sich auch in Zukunft zunehmend verschärfen und die Menschen begleiten.

 

Über die Autorin:
Nathalie Roskaritz ist Produktmanagerin und in der DGQ Weiterbildung für die Angebote im Bereich Qualitätsmanagement im Gesundheits- und Sozialwesen verantwortlich.

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