Europäische Lieferketten-Richtlinie: Für was steht CSDDD und wie kann das deutsche LkSG helfen?

Die geplante Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) verpflichtet Unternehmen in der EU künftig, entlang ihrer gesamten Lieferkette Sorgfaltspflichten in Bezug auf Menschenrechte und Umweltstandards systematisch umzusetzen. Die finale Ausgestaltung wird derzeit noch in Brüssel verhandelt. Bereits jetzt zeichnet sich ab: Unternehmen, die bereits nach dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) arbeiten, haben einen klaren Startvorteil.
Von national zu europäisch – Wann tritt die CSDDD in Kraft?
Während das LkSG heute vorrangig deutsche Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden erfasst, soll die europäische CSDDD künftig EU-weit gelten, allerdings mit deutlich höheren Schwellenwerten im Anwendungsbereich. Laut dem Mitte Oktober 2025 vom Rechtsausschuss des EU-Parlaments angenommenen Kompromissvorschlag zwischen Konservativen, Liberalen und Sozialdemokraten zum sogenannten „Nachhaltigkeits-Omnibus“ soll die CSDDD zunächst für Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von über 1,5 Milliarden Euro ab dem Jahr 2028 gelten. Die gleiche Umsatzschwelle gilt auch für Nicht-EU-Unternehmen.
Keine EU-weite zivilrechtliche Haftung mehr
Gegenüber der ursprünglichen Fassung wurden zentrale Inhalte abgeschwächt: Die Sorgfaltspflichten sollen sich nach einem vollständig risikobasierten Ansatz richten. Eine ursprünglich geplante EU-weite zivilrechtliche Haftung ist nicht mehr vorgesehen. Die Pflicht zur Aufstellung von Klimatransitionsplänen innerhalb der CSDDD soll ebenfalls entfallen. Auf Basis dieses Kompromisses laufen aktuell die Trilogverhandlungen zwischen EU-Kommission, Parlament und Rat. Ein Abschluss wird bis Ende 2025 angestrebt. Anschließend folgt die nationale Umsetzung in den Mitgliedstaaten. (Stand der Informationen 24.11.2025)
LkSG als Übergangslösung bis CSDDD
Die anstehenden Trilogverhandlungen und die Entwicklungen um die CSDDD werden auch in Deutschland genau verfolgt. Am 17. Oktober 2025 hat der Bundesrat bereits den Regierungsentwurf zur Änderung des LkSG beraten und passieren lassen. Neben der Aussetzung der Berichtspflicht nach dem LkSG sieht dieser Regierungsentwurf auch die Anpassung des Geltungsbereichs und die Fokussierung auf eine risikobasierte Priorisierung analog der CSDDD vor. Das modifizierte LkSG soll als Übergangslösung bis zur vollständigen Überführung der CSDDD in nationales Recht gelten. Die Anpassung des Gesetzes soll den bürokratischen Aufwand für deutsche Unternehmen reduzieren und gleichzeitig den Übergang zur CSDDD erleichtern.
LkSG als Übungsfeld für künftige EU-Anforderungen
Für viele Unternehmen fungiert das LkSG bereits als praxisnahes Trainingsfeld. Vollständige Lieferantenstammdaten, Risikoanalysen, Beschwerdemechanismen und Präventionsmaßnahmen gehören heute bereits beim LkSG zum Pflichtprogramm. Wer diese Prozesse bereits etabliert, schafft gleichzeitig die Grundlage für die künftigen europäischen Anforderungen.
ESG konforme Beschaffungsprozesse als Schlüssel
Für Unternehmen wird die Beschaffung zur zentralen Stellschraube, wenn es um die Erfüllung der Anforderungen von Lieferkettengesetzen geht. ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) müssen künftig systematisch in Einkaufs- und Lieferantenprozesse integriert werden.
Die Auswahl von Lieferanten sollte künftig nicht mehr ausschließlich auf Basis finanzieller, qualitativer oder logistischer Kriterien erfolgen. Vielmehr gewinnen ökologische und soziale Aspekte zunehmend an Bedeutung, sowohl im Rahmen des LkSG als auch im Hinblick auf die kommende CSDDD. Bereits im Auswahlprozess lassen sich durch gezielte Anforderungen an Umwelt- und Sozialstandards potenzielle Risiken frühzeitig minimieren.
Überprüfung von Lieferanten anhand von CSDDD und LkSG
Ein bewährter Ansatz ist die Integration entsprechender Kriterien in Lieferantenfragebögen sowie die Forderung nach verpflichtenden Mindeststandards, etwa in Form von Umwelt- oder Sozialzertifizierungen (zum Beispiel ISO 14001, SA8000). Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob potenzielle Geschäftspartner über eigene Prozesse und Strukturen zur Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten verfügen, sowohl im eigenen Unternehmen als auch entlang ihrer eigenen Lieferkette.
Besonderes Augenmerk verdient die Risikoeinstufung nach Länder- und Branchenspezifika. Aus Sicht des Risikomanagements kann es sinnvoll sein, bevorzugt mit Zulieferern aus Regionen zusammenzuarbeiten, in denen bereits ein robuster gesetzlicher Rahmen für Umwelt- und Menschenrechte besteht.
Erfahrung aus Managementsystemen nutzen
Gerade bei der Auswahl von neuen – und der Bewertung von bestehenden Lieferanten können Expertinnen und Experten aus dem Bereich Managementsysteme mit ihrer Erfahrung in strukturierten Bewertungs- und Auditprozessen einen wertvollen Beitrag leisten. So wird die Beschaffung nicht nur regulatorisch compliant, sondern auch zu einem Hebel für nachhaltige Wertschöpfung und Resilienz.
Qualität von Lieferantenstammdaten sind essenziell
Die Qualität der Lieferantenstammdaten ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für ein funktionierendes Lieferkettenmanagement. Nur wenn grundlegende Informationen, insbesondere zum Land und zur Branche eines Lieferanten, korrekt und vollständig vorliegen, lässt sich eine belastbare erste Risikoabschätzung vornehmen. Diese beiden Parameter sind essenziell, um potenzielle menschenrechtliche und ökologische Risiken entlang der Lieferkette frühzeitig zu identifizieren und geeignete Präventions- oder Abhilfemaßnahmen zu planen.
Ein systematischer Aufbau und die kontinuierliche Pflege dieser Stammdaten schaffen die notwendige Transparenz, um sowohl den Anforderungen des LkSG als auch der künftigen CSDDD gerecht zu werden.
Risikomanagement als Hebel für Lieferkettenstrategie
Ein wirksames Risikomanagement bildet das Herzstück einer nachhaltigen Lieferkettenstrategie. Es ermöglicht Unternehmen, potenzielle menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken systematisch zu identifizieren, zu bewerten und zu priorisieren. Grundlage dafür sind strukturierte Prozesse zur Risikoanalyse, die regelmäßig aktualisiert und an neue Erkenntnisse angepasst werden müssen. Zur Durchführung einer fundierten Risikoanalyse von Lieferanten kann der Einsatz systemischer und automatisierter Lösungen entscheidend sein. Digitale Tools und Plattformen ermöglichen es, große Datenmengen effizient zu verarbeiten, Risiken anhand definierter Kriterien wie Branche, Herkunftsland oder Unternehmensstruktur zu bewerten und kontinuierlich zu überwachen.
Besonders im Rahmen des LkSG und der künftigen CSDDD ist es entscheidend, dass Unternehmen nicht nur auf bekannte Risiken reagieren, sondern auch proaktiv präventive Maßnahmen entwickeln. Dazu gehören die Einbindung relevanter Stakeholder, die Definition klarer Verantwortlichkeiten und der Aufbau einer Compliance-Struktur, die insbesondere die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern in den Fokus nimmt.
Frühzeitige Vorbereitung auf CSDDD und LkSG sinnvoll
Obwohl die CSDDD noch nicht final verabschiedet ist, sollten Unternehmen bereits frühzeitig mit der Vorbereitung beginnen. Die Erfahrungen aus der Umsetzung des LkSG zeigen: Auch Firmen, die formal nicht unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, wurden von größeren Kunden dazu verpflichtet, vergleichbare Anforderungen umzusetzen und diese wiederum an ihre eigenen Lieferanten weiterzugeben. Wer die Anforderungen des LkSG nicht nur formal erfüllt, sondern als Chance zur Weiterentwicklung nutzt, kann die kommenden europäischen Pflichten souverän und effizient meistern und gleichzeitig seine Resilienz in globalen Lieferketten stärken.
Über den Autor:
Yannic von Raesfeld ist Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements der Werner & Mertz Gruppe. Dabei befasst er sich seit über 10 Jahre intensiv mit strategischer Nachhaltigkeit, sowie den Managementsystemen nach EMAS, ISO 14001 und der ISO 50001. Er ist Beauftragter für das Umwelt-, Energie-, und Lieferkettenmanagement an mehreren Standorten, sowie interner Auditor. Als zertifizierter ESG-Officer koordiniert er die Umsetzung regulatorischer Nachhaltigkeitsvorgaben. Darüber hinaus ist Yannic von Raesfeld als Dozent und Trainer im ESG-Bereich unterwegs.
