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Einfluss von ESG-Ratings auf die Nachhaltigkeit von Unternehmensprozessen, Teil 2

ESG, Environmental, Social, Governance

ESG-Ratings kommt bei der Bewertung der Nachhaltigkeit von Unternehmen eine hohe Bedeutung zu. In Teil 1 dieses Fachbeitrags standen grundlegende Aspekte von ESG-Ratings im Fokus. Teil 2 beleuchtet verschiedene Perspektiven auf mögliche ESG-Strategien von Unternehmen und die Aussagekraft von entsprechenden Ratings.

ESG-Ratings vermitteln ein übersichtliches und verständliches Bild davon, wie ein Unternehmen in den Bereichen Umwelt (E), Soziales (S) und Unternehmensführung (G) abschneidet. Diese Ratings haben sowohl für Shareholder als auch für Stakeholder Bedeutung, da diese vermehrt Geschäftsentscheidungen auf Grundlage ethischer Grundprinzipien treffen. Für Unternehmen gibt es eine Reihe von Vorteilen, die gute ESG-Ratings mit sich bringen. Hierzu zählt sowohl der Zugang zu günstigem Eigenkapital, da die eigenen Aktien stärker nachgefragt werden, als auch zu Fremdkapital, da Kreditinstitute bei nachhaltig ausgelegten Unternehmensführungsansätzen ein geringeres Ausfallrisiko sehen. Zusätzlich kann sich ein Unternehmen durch externe Bestätigungen der eigenen Nachhaltigkeit sehr gut am Markt positionieren und mit verbesserter Markenbekanntheit rechnen.

Bedeutung der EU-Taxonomie für ESG-Ratings

Hinsichtlich Selbstverständnis und Ziel von ESG-Ratings gibt es aktuell keine Einheitlichkeit, da die verschiedenen Ratingagenturen ihre Beurteilungen aus unterschiedlichen Perspektiven einbringen. Einige Ratings sind eher für kapitalmarktorientierte Unternehmen bestimmt und andere Ratings für die Geschäftspartner dieser Unternehmen. Die Ratings wiederum, die für die Zielgruppe der Shareholder ausgelegt sind, lassen sich ihrerseits wieder aus der Reputationsperspektive und der Risikosteuerungsperspektive betrachten. Da es so viele Unterschiede gibt, lässt sich auch nicht abschließend eine spezifische Ratingform ermitteln, die für alle Unternehmen gleich „richtig“ ist. Hier empfiehlt es sich, den Peer-Vergleich heranzuziehen.

Die Erwartungen an die Umsetzung der 2023 veröffentlichten Regulierungen im Rahmen der EU-Taxonomie sind vor diesem Hintergrund enorm. Experten aus dem Kreis der Unternehmensberatungen rechnen mit einer Revolution der „Ratingwelt“ sowie klaren Fortschritten bei der Erreichung der Klimaziele. Die erstmalige Definition von Nachhaltigkeit als Konzept sowie die Formulierung der wichtigsten Risiken kann bereits ein erster und dringend gebrauchter Schritt sein, um immer besser und sicherer, gemeinsam den Klimawandel zu bewältigen. Da jedoch viele der Regulierungen erst noch in Kraft treten, bleibt es abzuwarten und zu beobachten, wie der Markt auf die neuen Nachhaltigkeitsberichte reagiert, die im Rahmen der CSRD für zahlreiche Unternehmen verpflichtend werden. Wenn damit praktisch eine „zweite Säule“ neben der finanziellen Berichterstattung etabliert wird, können Share- und Stakeholder Unternehmen künftig deutlich besser einschätzen. Außerdem sollen einheitliche Daten veröffentlicht werden, ermittelt anhand einheitlicher Formeln, geprüft und bestätigt von unabhängigen Prüfern.

Die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte wird demnach künftig einer der essenziellen Blöcke sein, auf den Ratings sowie Informationen für Shareholder und Stakeholder aufbauen. Da in kurzer Zeit sehr viele Prüfungsaufträge entstehen werden, wenn in kommender Zeit viele Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen müssen, könnte sogar ein ganzes Geschäftsfeld entstehen und ausgebaut werden.

In diesem Zusammenhang gewinnt die Green Asset Ratio an Bedeutung. Diese in Nachhaltigkeitsberichten anzugebende Kennzahl gibt wieder, zu welchem Anteil ein Unternehmen seine Prozesse mit 0-Emissionen betreibt. Da die Green Asset Ratio sehr vergleichbar ist, könnte sie ESG-Ratings sogar überflüssig machen – abhängig davon, wie der Markt sie annimmt.

Die ersten Nachhaltigkeitsberichte werden ab 2024, jeweils mit Stichtag 31. Dezember 2023, veröffentlicht. Da die EU-Taxonomie in so vielen Bereichen übersichtlicher, vergleichbarer und standardisierter als ESG-Ratings sein soll, stellt sich die Frage, ob ESG-Ratings überhaupt einen zusätzlichen Mehrwert bieten oder nur noch dazu sind, dass Anleger beim Investieren ein gutes Gewissen haben. Experten zufolge jedoch waren und sind ESG-Ratings ein Schritt in die richtige Richtung. Damit einhergehend können die neuen Regelungen seitens der EU einen großen Unterschied machen.

Berufsbild Nachhaltigkeitsmanager

Die Themen Nachhaltigkeit und Klima­schutz gehören zu den Mega­trends unserer Zeit. Für Unter­nehmen wird es somit immer wichtiger, CSR-Maßnahmen um­zu­setzen und ihrer gesell­schaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Mit dem größeren Fokus auf Nachhaltigkeit haben sich in den letzten Jahren eine Vielzahl an grünen Jobs entwickelt, wie beispielsweise der Job als Nachhaltigkeitsmanager.
Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Nachhaltigkeitsmanager:

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  • Wie werde ich Nach­haltigkeits­beauf­tragter?
  • Welche Weiter­bildungs­möglich­keiten gibt es?
  • Was verdient ein Nach­haltigkeits­manager?
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Rating-Verbesserungen und Greenwashing-Gefahr

Die aktuellen ESG-Ratingmechanismen sind zum Teil noch sehr undurchsichtig. Ratingagenturen zeigen in ihrer Bewertungsstrategie keinerlei Transparenz, gleichzeitig aber verlangen sie sehr hohe Lizenzgebühren, die von Dritten nicht einsehbar sind. Bewertungen scheinen oft unfair und nicht nachvollziehbar oder gar widersprüchlich. Daher empfiehlt es sich nicht, Unternehmensprozesse für eine Ratingverbesserung zu ändern. Stattdessen empfehlen Experten, für eine Ratingverbesserung einfach mehr Informationen offenzulegen. Dabei ist grundsätzlich weniger wichtig, welche Informationen offengelegt werden, solange es insgesamt „mehr Informationen“ sind. Ratingagenturen verfügen über automatische Crawler, also Bots, die die veröffentlichten Informationen von Unternehmen herunterladen und auswerten. Jedoch haben die Agenturen nicht die Ressourcen, um die Informationen zu validieren oder gar qualitativ zu bewerten.

Als Folge könnten Unternehmen also bei der Definition der Ziele „einen Puffer einbauen“, um den eigenen CO2-Ausstoß bis 2030 weniger reduzieren zu müssen. Wenn für ein Unternehmen absehbar ist, dass der CO2-Ausstoß sich durch einen ohnehin anstehenden Lieferantenwechsel oder ähnliches verringert, könnte die Zielformulierung dementsprechend so ausfallen, dass das Ziel ohne Probleme erreicht wird. Je nach Auswirkung des beispielhaften Lieferantenwechsels wird das Ziel damit eventuell sogar unterschritten, sodass Mitarbeiter:innen zum Beispiel sogar mehr als zuvor mit dem Flugzeug reisen könnten, ohne dass die Zielerreichung gefährdet wird. Im Ergebnis kann es also vorkommen, dass ein Rating sich verbessert, obwohl ein Ziel nicht sehr ambitioniert gesetzt wurde – allein dadurch, dass neue Informationen veröffentlicht wurden. Aus diesem Grund ist eine Verbesserung der Ratings vergleichsweise simpel, was wiederum Anlass zu Greenwashing-Kritik gibt.

Argumente für ESG-Ratings

Es gibt viele gute Gründe, als Unternehmen ein sehr gutes ESG-Rating anzustreben. Ganz vorne liegen laut Experten insbesondere finanzielle Incentivierungen. Allerdings können bislang keine klaren statistischen Korrelationen zwischen Ratingverbesserungen und Kapitalkosten bewiesen werden. Jedoch sind finanzielle Anreize, als Unternehmen ein ESG-Rating zu erlangen, auch über die Gewinnung von lukrativen neuen Geschäften gegeben. So benötigen vor allem jene Unternehmen, die bereits Nachhaltigkeitsberichte schreiben, einen Nachweis über die Nachhaltigkeit ihrer Geschäftspartner.

Darüber hinaus wird immer wieder eine verbesserte Reputation als Anreiz angeführt: Wenn ein Unternehmen sich als besonders „grün“ positionieren möchte, darf ein gutes Rating nicht fehlen. Jedoch sind für eine solche Positionierung zwingend auch weitere „Commitments“ notwendig, die diese Behauptungen unterstreichen.

Wenn ein Unternehmen sein Rating verbessern möchte, scheint es aktuell allerdings entweder nicht genug oder überhaupt nicht wirkungsvoll, seine CO2-Werte zu reduzieren. Dies mag auf den ersten Blick widersprüchlich klingen. Was jedoch für die tatsächliche Erreichung von Klimazielen gebraucht wird, sind eine klare Strategie und ambitionierte selbstgesetzte Ziele. Ein gutes Rating sollte sich nicht darauf verlassen, wie viel CO2 das Unternehmen aktuell einspart, wenn keine Informationen darüber vorliegen, wie die Pläne des Unternehmens über die Beibehaltung dieser Umstellung sind. Stattdessen empfiehlt es sich, die langfristigen Ziele eines Unternehmens zu bewerten, auch bevor sie vollständig umgesetzt sind. Künftig sollen Ratings sinnvollerweise auch das abdecken und so interessierten Parteien ein umfassenderes und eindeutigeres Bild über die Nachhaltigkeitsaktivitäten eines Unternehmen geben.

Obwohl das zum Teil auch zu besseren Ratings auf Basis von leeren Versprechungen führen kann, stellen Unwahrheiten nicht die größte Herausforderung dar. Stattdessen greifen in diesem Fall die klassischen politischen Probleme: Definitionsfragen und lange Diskussionen über die Relevanz von Details. Dabei ist jedoch zu beachten, dass, wie oben erwähnt, Nachhaltigkeit zukünftig auch in Form von Mitgliedschaften, Initiativen und Verpflichtungen bei den Ratings berücksichtigt wird. Dass sich Unternehmen letztendlich dagegen entscheiden könnten, die geäußerten Verpflichtungen auch einzuhalten, wie es beispielsweise einzelne Länder bei der Erreichung der Klimaziele 2020 taten, ist in Ratings allerdings nicht berücksichtigt.

Fazit: Die richtigen Anreize für ESG-Ratings setzen

ESG-Ratings spielen eine zentrale Rolle bei der Bewertung der Nachhaltigkeit von Unternehmen, die sich sowohl an Shareholder als auch Stakeholder richtet. Die Auswahl einer geeigneten Ratingagentur durch ein Unternehmen gestaltet sich jedoch herausfordernd, da verschiedene Anbieter unterschiedliche Schwerpunkte und Kriterien haben, was zu widersprüchlichen Ergebnissen führen kann. Dieses Problem sollte jedoch durch das Inkrafttreten der EU-Taxonomie Regulierungen adressiert werden, da die meisten großen Unternehmen ab 2025/26 einmal jährlich einen standardisierten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen müssen. Dazu zählen kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die kapitalmarktorientiert sind, Drittstaatenunternehmen mit 150 Mio. Euro Umsatz in der EU oder Zweigniederlassungen, die mehr als 40 Mio. Euro Umsatz erreichen.

Die bisherigen Unterschiede in den Ansätzen der ESG-Ratings, insbesondere zwischen der Bewertung der Umweltauswirkungen und der Risiken durch ESG-Faktoren, sind allerdings als problematisch zu betrachten. Die Diversität der ESG-Ratings und die komplexe Thematik machen es für Leser des Ratings schwer, klare Schlussfolgerungen zur Nachhaltigkeit eines Unternehmens zu ziehen. Jedoch bleibt momentan auch bei gut funktionierenden ESG-Ratingsystemen und den genannten Vorteilen zum Teil noch fraglich, wofür Unternehmen ihr Rating verbessern sollten. Schließlich können viele der genannten Vorteile auch durch ein mittelmäßiges oder gutes Rating erzielt werden. Daher gilt es für die Zukunft, die Akzeptanz von ESG-Ratings im Allgemeinen in der Gesellschaft und Wirtschaft zu steigern und die Unabdingbarkeit von guten bis sehr guten Ratings gegenüber mittelguten Ratings zu festigen. Nur sehr gute Ratings sollten Unternehmen zum Vorteil gereichen, um dadurch den Anreiz zu steigern. Vor diesem Hintergrund müssen die Anreize für echte Änderungen offenbar weiterhin von der Politik durch gesetzliche Rahmenbedingungen getragen werden.

 

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Der Text wurde von Prof. Dr. Irina Mazilu-Eyaz und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Simone Schwarz verfasst und beruht auf der von Prof. Dr. Irina Mazilu-Eyaz und Prof. Dr. Alexander Rühl betreuten Bachelorarbeit von Herrn Maximilian Krause an der Hochschule RheinMain.

 

Über die Autoren:

Prof. Dr.-Ing. Irina Mazilu-Eyaz hat Materialwissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt und am Imperial College London studiert. Während Ihrer 11-jährigen Berufstätigkeit bei einem internationalen Technologiekonzern sammelte sie Erfahrung im Qualitätsmanagement und wurde zur Methoden-Expertin für technische Problemlösung. Seit 2021 ist sie Professorin für Qualitätsmanagement und Werkstoffkunde an der Hochschule RheinMain und entwickelt auch neue Lehrveranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit. Im Mai dieses Jahrs wurde sie ins Leitungsteam des DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit gewählt.

Kontakt: irina.mazilu-eyaz@hs-rm.de, www.hs-rm.de

Bis Ende 2023 war Simone Schwarz wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule RheinMain und arbeitet jetzt beim GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH in Darmstadt. Sie forscht für ihr Promotionsvorhaben zum Thema Nachhaltigkeit und Circular Economy im Bereich Maschinenbau.

Kontakt: s.schwarz@gsi.de, www.gsi.de

Corporate Social Responsibility, CSR Strategy

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