„Auch das Integrierte Managementsystem vom Prozess her denken“
Qualität, Energie, Umwelt oder Arbeitsschutz – die Anforderungen an Unternehmen werden immer vielfältiger und umfangreicher. Als effiziente Lösung bietet sich hier ein integriertes Managementsystem (IMS) an. Doch wie ein solches implementieren? Im Interview erläutert Philipp Hörmann, DGQ-Trainer und Gründer der Unternehmensberatung WeitBlick, die Vorteile eines IMS, warum die Prozesssicht entscheidend ist und welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration zu erfüllen sind.
Wo sehen Sie bei einem integrierten Managementsystem die größten Vorteile?
Philipp Hörmann: Um es auf den Punkt zu bringen – mehr Effektivität, Effizienz und Transparenz! Mit Hilfe eines integrierten Managementsystem schafft man, Aufwände, Kosten und Abläufe im Managementsystem und für die angestrebten Zertifizierungen zu optimieren. Dazu bedarf es einer ganzheitlichen Sichtweise und einer konsequenten Prozessorientierung. Außerdem sehe ich, wo Synergieeffekte optimal genutzt werden können und kann dadurch die verschiedenen Normanforderungen zentral bündeln. Da die Dokumentation meist ein ungeliebtes Thema ist, lässt sich auch hier mit einem gut aufgesetzten IMS der Aufwand reduzieren. In Verbindung mit dem einheitlichen methodischen Vorgehen erreicht man in der Regel auch mehr Akzeptanz bei den Mitarbeitenden und Beteiligten.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist hinsichtlich des Risikomanagements die ganzheitliche Betrachtungsweise im Kontext mit Identifikation, Bewertung und Behandlung von Risiken inklusive des erforderlichen Maßnahmenmanagements. Auch die Pflege eines Rechtskatasters, mit dem gesetzliche und andere verbindliche Anforderungen von Stakeholdern erfasst und überwacht werden, schafft mehr Rechtssicherheit und reduziert Risiken.
Da es heutzutage zunehmend um Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien geht, spielt ein IMS auch hier eine Rolle. Durch bessere Informations- und Entscheidungsgrundlagen lässt sich die Wertschöpfung zielgerichteter steuern und die Leistung verbessern, während Fehlleistungen, Reklamationen oder Ausschuss reduziert werden.
Neben zahlreichen Vorteilen eines integrierten Managementsystems gibt es sicherlich auch viele Herausforderungen beim Aufbau und der Pflege. Worauf ist zu achten, damit eine Integration reibungslos funktioniert?
Philipp Hörmann: Sicherlich muss man einen Überblick über die Anforderungen der verschiedenen Bereiche haben, die ein IMS abdecken soll. Hinzu kommt ein solides Normverständnis – sei es als verantwortliche Einzelperson oder innerhalb eines Teams von Managementbeauftragten. Hier gilt es zu unterscheiden und zu berücksichtigen, welche Normen bereichsspezifisch oder übergreifend gültig sind. Dasselbe gilt für die Kenntnis der relevanten Regelwerke. Nur so lassen sich die Synergiepotenziale heben. Auch bei der Dokumentation gilt es dann, dass richtige Maß zwischen der Erfüllung von Anforderungen und einer möglichst einfachen Umsetzung zu finden. Hierbei ist ein grundsätzlich pragmatischer Ansatz sinnvoll. Schließlich sollte man über die Integration hinausdenken. Man muss klären, wie eine Integration so in den Arbeitsalltag gelingen kann, dass sie langfristig funktioniert und von den Mitarbeitenden gelebt wird. Denn eines sollte deutlich werden: Ein gut funktionierendes Managementsystem ist vor allem für die Mitarbeitenden und nicht für die Managementsystembeauftragten oder eine kleine Gruppe gedacht. Schließlich sind die Mitarbeitenden die Nutzer und Anwender.
Aber wie geht man konkret vor, wenn man beispielsweise auf der grünen Wiese beginnt?
Philipp Hörmann: Der beste Rat, den ich hier geben kann, lautet: Auch beim IMS immer vom Prozess her denken. Denn Mitarbeitende haben einen besseren Zugang zum Managementsystem, wenn sie dort ihre Prozesse und ihre Begrifflichkeiten wiederfinden. Die Abläufe des Alltags sollten wiedererkannt werden. Manche Organisationen machen den Fehler, dass sie sich eher an der Kapitelstruktur der Normen orientieren. Zwar unterstützt die „Harmonized Structure“ – eine einheitliche Struktur, nach der viele Normen aufgebaut sind – den Gedanken eines IMS. Die konkrete Gestaltung sollte sich jedoch am jeweiligen Prozess ausrichten. In jedem Schritt ist dann zu fragen, welches Managementsystem gerade zu beachten ist, welche Anforderungen ergeben sich daraus, welche Norm ist relevant und welche Dokumentation bietet sich an? Zumal die Komplexität in den Unternehmen hinsichtlich der Prozesse, Schnittstellen und Entscheidungen immer weiter steigt.
Im Idealfall kann man Mehraufwände durch ein IMS reduzieren, was modular und prozessorientiert aufgebaut ist. Ideal wäre, wenn man nur eine Prozesslandkarte hat und nicht zwei, drei oder vier. So lassen sich auch künftige neue Anforderungen leichter andocken. Falls mehrere Regelwerke und Normen angestrebt werden, ist meine dringende Empfehlung – „Schritt für Schritt“. Integrieren Sie nicht alle Normen auf einmal, sondern planen Sie die Integration nach und nach. Meist sind Mitarbeitende mit dem großen Wurf überfordert. Und kommunizieren sie! Binden Sie auch die oberste Leitung bei der Planung ein. Idealerweise unterstützt sie Sie bei der Kommunikation.
Berufsbild Prozessmanager Wir leben in einer Zeit geprägt von Digitalisierung und Schnelllebigkeit. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen anpassungsfähig sind und auf veränderte Marktbedingungen eingehen können. Eine kontinuierliche Analyse und Optimierung von bestehenden Geschäftsprozessen ist sowohl für die Kosteneffizienz und Wirtschaftlichkeit, aber auch für die Kundenzufriedenheit von zentraler Bedeutung. Prozessmanager sind also gefragte Arbeitskräfte mit guten Zukunftsaussichten. Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Prozessmanager:
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Wie sehen die Verantwortlichkeiten für ein IMS typischerweise in der Praxis aus?
Philipp Hörmann: Das hängt stark von der Unternehmensgröße ab. In kleineren Organisationen erhält der Qualitätsmanagementbeauftragte oft den Auftrag, sich beispielsweise auch um Fragen des Umweltschutzes oder der Arbeitssicherheit zu kümmern. Größere Unternehmen können sich dagegen ein Team aus Spezialisten für den jeweiligen Bereich leisten. Die Teamleitung behält als Managementbeauftragter oder Koordinator für IMS den Überblick, ohne dabei fachlich tief in die Spezialgebiete einzusteigen. In dieser Funktion steht er häufig auch in einer direkten Berichtslinie zur Unternehmensleitung. Keine Frage, wer für das IMS zuständig ist, nimmt eine Schlüsselposition ein. Deswegen setzt diese Funktion – über die fachliche Expertise hinaus – ein breites Kompetenzprofil voraus. Apropos Kompetenzen, die notwendigen Kenntnisse zur Integration von Managementsystemen vermittelt übrigens das neue DGQ-Training „Integrierte Managementsysteme“. Die Premiere im Mai ist vielversprechend gestartet und die Rückmeldungen waren durchweg positiv.
Über welche weiteren Kompetenzen sollte ein Managementbeauftragter für IMS denn verfügen?
Philipp Hörmann: Neben den eher fachlich geprägten “Hardskills” sind auch die “Softskills” wichtig. Wie auch schon als Qualitätsmanager ist man in verschiedenen Rollen unterwegs und füllt verschiedene Funktionen aus: Beziehungsmanager, Kommunikator, Motivator, Einbinder, Stratege, Themenmanager, Übersetzer, Sprachrohr, Überzeuger und Durchsetzer. Da die Integration oftmals mit Change-Prozessen verbunden ist, spielt es eine entscheidende Rolle auch die oberste Leitung und die Beteiligten bei der Planung und Umsetzung einzubinden. Hier steckt viel Erfahrung und Prozesswissen dahinter.