29. September 2014
Wie neue Technologien den Standort Deutschland zukunftsfähig machen
Qualität 4.0
Vor rund 20 Jahren wäre das, was die Industrie 4.0 ausmacht, als Science-Fiction klassifiziert worden: Materialien, die über das Internet mit Maschinen kommunizieren. Fabriken, die sich ohne Planung des Menschen selbst organisieren. Wartungseingriffe, die über das Internet erfolgen. Industrie 4.0 ist die Zukunft der Produktion.
Grundlage für die von Wissenschaft und Bundesregierung “Industrie 4.0” genannte Entwicklung sind cyber-physische Systeme – das Internet der Daten und Dinge. Hier gibt es in Deutschland laut der DGQ Handlungsbedarf.
Entwicklungsdruck hin zur Industrie 4.0
Denn als bedeutender Produktionsstandort mit hohem Lohnniveau und wenig Rohstoffressourcen stehe gerade Deutschland unter dem Druck, sich hin zur Industrie 4.0 zu entwickeln, um die eigene Premiumposition zu halten.
Der Handlungsbedarf ist in erster Linie marktgetrieben: Kostendruck einerseits und andererseits die Notwendigkeit, kundenindividueller zu fertigen und schneller marktreif zu sein, erfordern maximal flexible und optimal kosteneffiziente Fabriken und Entwicklungsprozesse.
Die menschenleere Produktion ist nicht zu befürchten. Allerdings verändern sich und steigen die Anforderungen an Produktionsmitarbeiter erheblich. Anteilig werden mehr Ingenieure benötigt. Facharbeiter müssen IT- und systemtechnische Kompetenzen aufweisen.
Professor Dr. Ralph Stengler, Präsident der Hochschule Darmstadt, kennt die künftigen Qualifizierungsanforderungen: “Noch nie ist das Fachwissen unserer Ingenieure so schnell veraltet wie heute.”
Fehler vor ihrer Entstehung identifizieren
Felix Artischewski schreibt, von Professor Stengler betreut, seine Masterarbeit an der Hochschule Darmstadt. Das Thema: Qualitätssicherung 4.0.
Artischewski untersucht, welche neuen Anforderungen die veränderten Entwicklungs- und Produktionsprozesse der Industrie 4.0 an die Qualitätssicherung stellen. Klassische Ansätze der Qualitätssicherung greifen künftig nicht mehr. Die gesamte Qualitätssicherung muss digital und vor allem medienbruchfrei erfolgen, um eine ausreichend schnelle und umfassende Datenerfassung zu ermöglichen und den Engpassfaktor Mensch bei der Datenübertragung auszuschließen.
In der Folge werden Instandhaltung und Qualitätssicherung effizienter sowie vorausschauender. Dies geschieht auf Basis virtueller Modelle und Expertensysteme, die alles überwachen und bereits vor der Umsetzung genauestens berechnen, um Ausschluss und Kosten durch “trial and error” zu vermeiden.
Die Industrie 4.0 muss sich zusätzlich gegen ungewollte Eingriffe wie Hacker-Attacken schützen. Dafür sind erhebliche technische und organisatorische Entwicklungen erforderlich: Datenformate und Schnittstellen müssen standardisiert werden, und der unbefugten Nutzung von Produkt- und Fertigungsdaten gilt es vorzubeugen.
Industrie 4.0 macht Qualitätssicherung einfacher
Die neue Technik macht die Qualitätssicherung aber auch einfacher. So stehen viele neue, kleinere und damit besser in die Maschinen integrierbare Sensoren und Messvorrichtungen zur Verfügung.
Wo früher aus ökonomischen Gründen nur punktuell Stichprobenprüfungen und statistische Verfahren durchgeführt wurden, ist heute eine 100 %-Prüfung wieder wirtschaftlich. Die IT-Systeme können riesige Mengen von Mess- und Qualitätsdaten verarbeiten.
So werden etwa durch Losgröße eins auch die Steuerungsparameter qualitätsrelevant, da sie nicht mehr im Voraus geplant, sondern mit jedem Produkt geändert werden.
Moderne Systeme erkennen Auffälligkeiten und helfen dabei, Ursachen sowie Quellen von Fehlern zu identifizieren – im Idealfall sogar vor der Fehlerentstehung.
Grundsteine sind gelegt
In Kooperation mit der DGQ setzt Artischewski seine Masterarbeit zur Qualitätssicherung 4.0 um. Die DGQ hat ein besonderes Interesse an diesem Thema: “Wir leisten durch unsere Arbeit rund um Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung einen Beitrag zur Standortsicherung Deutschlands”, sagt DGQ-Abteilungsleiter Dr. Benedikt Sommerhoff. Gemeinsam mit Stengler betreut er die Masterarbeit von Artischewski.
“Die frühe Auseinandersetzung mit dem Thema sehen wir als Chance, die notwendigen Entwicklungen voranzutreiben. So können wir die heutige Stärke deutscher Unternehmen wahren und die weltweit nachgefragte Qualität deutscher Entwicklungen und Produkte nachhaltig gewährleisten”, so Sommerhoff.