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17. Dezember 2013

Leichtbauwerkstoffe auf dem Vormarsch – Wie aber die Qualität messen?

Produkte aus Leichtbauwerkstoffen erobern momentan den Markt. Aus guten Ideen und Prototypen müssen aber qualitativ hochwertige Produkte werden, nur wie misst man die Qualität von Fasern, Schäumen, CFK und Honeycombs? Dieser Frage gingen der Hanser Verlag und die Deutsche Gesellschaft für Qualität während ihrer gemeinsamen Tagung „Qualität Messen: Mess- und Prüfpraxis für den Leichtbau“ nach. Sie fand am 13. und 14. November 2013 in Stuttgart-Fellbach statt.

Herausforderung: Multimaterial-Mix
Bei der Vielzahl der Leichtbauwerkstoffe liegt der Fokus auf den faserverstärkten Kunststoffen wie CFK und GFK, da diese Werkstoffe aktuell am meisten verwendet werden. Bekannteste Beispiele sind die Karosseriestruktur des BMW i3 aus Carbon wie auch der Airbus A350 XWB. So setzte sich Dr. Manfred Sindel von der Audi AG, Neckarsulm, mit den Qualitätsanforderungen im Karosseriebau auseinander. Dort stelle vor allem der Multimaterial-Mix aus Aluminium, Stahl und CFK die Herausforderung an die Qualitätssicherung. Die dabei zum Einsatz kommenden Messtechniken und zugehörigen Wirkprinzipien in Produktion und Prüfung erläuterten Dr. Marco Schneider und Markus Hüttel vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), Stuttgart. Michael Hage, Bertrandt AG, Ehningen, bescheinigte Werkstoffen auf Basis von Fasern wie CFK „gute Wachstumsaussichten“. Sie seien zugleich die technologischen Herausforderungen in der Messtechnik für die Qualitätssicherung bei Fügeverbindungen und dem Korrosionsschutz. „Besonderes Augenmerk ist dabei auf die jeweiligen optischen Fehlerbilder zu legen, wie etwa Verzeichnung und Aberrationen“, sagte Dr. Wolfram Kleuver Geschäftsführer der Dr. Heinrich Schneider Messtechnik GmbH; Bad Kreuznach, der die Elemente der optischen Kette von der Lichtquelle über den Strahlengang, die Linsen bis hin zur Abbildung für Leichtbauwerkstoffe untersuchte. In diesem Zusammenhang unterstrich Michael Beising, Geschäftsführer der EVT Eye Vision Technology GmbH, Karlsruhe, die Bedeutung des Kontrastes für die Bildverarbeitung bei Kohlenstofffasern und gab aktuelle Beispiele der Umsetzung optischer Messtechnik. Messverfahren wie Thermografie, Shearografie und Computertomografie beleuchtete dann Ira Effenberger vom Fraunhofer-IPA. Dabei beschrieb sie vor allem die Möglichkeit der zerstörungsfreien Prüfung und Erkennung von innenliegenden Schäden bei Leichtbauwerkstoffen.

Wenn messen, dann richtig
Dr. Joachim Jonuscheit vom Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik, Kaiserslautern, führte die Zuhörer in die Welt der Terahertzstrahlung. Sie ermögliche Einblicke in das Innere der Werkstücke „explizit für Kunststoffe und Keramiken in Form von Waben und Schäumen“. Zur inline-Messung im Herstellungsprozess von Faserverbundmaterialien äußerten sich die CEOs der Apodius Machine Vision Systems, Aachen, Jonathan Roberz und Alexander Leutner. Sie setzten sich schwerpunktmäßig mit optischen Messtechniken und Algorithmen zur Erkennung der Lagewinkel auseinander.

Der Frage, wo schließlich der Leichtbau ende und der Leichtsinn beginne, erörterte Ernst Brust, Geschäftsführer der Velotech.de GmbH, Schweinfurt. Er veranschaulichte seinen Vortrag anhand von Prüfaufgaben im Bereich von Elektrofahrrädern mit Impulsthermografie, CT und Schwingungsmesstechnik. Brust betonte, dass aussagekräftige Prüfungen stets unter realistischen Belastungsszenarien gewonnen werden müssten und demonstrierte Herausforderungen der Pedelecs wie Flattern oder Rahmenbrüche aufgrund großer Massen. Die Prüfprozesseignung und Messunsicherheit im industriellen Alltag stand auch im Mittelpunkt des Vortrags von Hildegard Pauler-Beckermann, Dozentin an der FH Bielefeld. Darin zeigte die DGQ-Trainerin den Handlungsbedarf für Leichtbauwerkstoffe auf. „Wenn messen, dann richtig“, sagte sie und forderte ein norm- und praxisgerechtes Vorgehen nach den einschlägigen VDI/ VDA-Normen. Zur Nutzung von Polarisationseigenschaften von Kohlenstofffasern auf Licht als Messprinzip äußerte sich Jürgen Ernst vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS), Erlangen. Mittels Kamerachips und integriertem Polarisationsgitter ließen sich insbesondere Faserorientierung in Gelegen erfassen.

Seniormanager Roland Fröwis von der Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH, Oberkochen, erläuterte die Bandbreite industrieller Messtechnik vom Reinraum bis zur Inline-Messung bei Zeiss. So schilderte er die Entwicklungen von Multisensorsystemen aus optischen und taktilen Sensoren für Leichtbauwerkstoffe und den Einsatz von Robotern zur Prüfung dieser Strukturen. Abschließend demonstrierten Hermann Finck vom Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf und Christian Leibold von der DYNAmore GmbH, Stuttgart, dem Fachpublikum das Zusammenwirken von FEM-Werkstoffsimulation und der Vermessung von faserverstärkten Bauteilen, um Herstellungsgenauigkeiten durch eine messtechnische Erfassung in FEM-Modelle abzubilden.

Fazit der beiden Tagungsleiter Dr. Alexander Schloske und Dr. Marko Schneider vom Fraunhofer-IPA: Die reale Fertigung der Bauteile, die Simulation von Bauteil- und Werkstoffeigenschaften sowie die Messtechnik und Qualitätssicherung bilden die drei Schwerpunktbereiche für die Weiterentwicklung des Leichtbaus.