19. Oktober 2018
IATF 16949 und Automotive Tools
Die automobile Welt ist zurzeit intensiv mit dem Thema Revisionen ISO 9001 und IATF 16949 beschäftigt. Welche Auswirkungen haben diese Neuerungen auf die Bedeutung von Automotive-Methoden und -Werkzeugen? Worauf müssen sich Lieferanten einstellen? Antworten liefert DGQ-Trainerin Tanja Wälzholz im Interview.
Wie verändern die Revisionen von ISO 9001 und IATF 16949 Methoden wie 8D-Report oder Produktfreigaben?
Tanja Wälzholz: Im Grundsatz gibt es nichts wirklich Neues bezüglich der Automotive-Methoden und -Werkzeuge. Nach wie vor ergibt sich die Anforderung an den Einsatz automotiver Methoden aus den vertraglich vereinbarten Kundenanforderungen bzw. kundenspezifischen Anforderungen. Allerdings unterstreicht IATF 16949 an einigen Stellen den Einsatz dieser Methoden, zum Beispiel im Kapitel 10 bei den Problemlösungsmethoden. Hier steckt im Anforderungstext die Systematik der 8D-Methode, ohne dass 8D explizit genannt wird. 8D als vorgeschriebene Methodik zur Reklamationsbearbeitung wird explizit
nur in den Kundenanforderungen genannt. Ein Schwerpunkt der ISO-9001-Revision ist das Thema Risiko. Die IATF präzisiert und unterstreicht das Thema Risikomanagement mit der zentralen Anforderung an die Produktsicherheit im Kapitel 4.4. Die Methode, die direkt mit diesem Thema verknüpft ist, ist die FMEA. Der neue Band zur Harmonisierung der FMEA (VDA/AIAG) hebt das Thema im Automotive-Bereich auf das nächsthöhere Niveau und löst die bisherigen Branchenstandards zur FMEA des VDA (VDA-Band 4) und der AIAG (FMEA Manual) ab. Ein weiterer Schwerpunkt aus IATF 16949 ist das Thema Lieferantenmanagement. In diesem Zusammenhang wird die Forderung nach der Weitergabe der kundenspezifisch geforderten Methoden und Werkzeuge klarer zum Ausdruck gebracht. Das heißt die Organisationen müssen alle geforderten Automotive-Methoden nicht nur selbst umsetzen, sondern auch per Vertrag von allen Lieferanten einfordern – jetzt auch von Dienstleistern und Anlagen- und Werkzeuglieferanten. Das heißt, Unternehmen benötigen Methodenkompetenz überall dort, wo Verträge gemanagt werden – also typischerweise im Vertrieb und im Einkauf. Das fängt mit FMEA an, geht über PPF (Produkt-Prozessfreigabe) – darin finden sich dann Methoden wie SPC und MSA –, und endet schließlich beim 8D-Report. Damit schließt sich dann wiederum der Kreis zur FMEA, mit der alles beginnt. Schließlich hebt IATF 16949 noch das Änderungsmanagement hervor. Jede Änderung ist zu behandeln wie ein Neuprojekt. Das heißt, für jede Änderung – egal wer sie verursacht – muss das große Rad gedreht werden: Projektmanagement (Reifegradabsicherung/APQP), Machbarkeitsanalyse, FMEA, Produktsicherheit, PPF/PPAP.
Worauf müssen sich Lieferanten durch diese Neuerungen einstellen in Bezug auf die Anwendung und Umsetzung von Automotive-Methoden und -Werkzeugen?
Tanja Wälzholz: Auch hier im Grunde auf nichts wirklich Neues. Wichtig ist eine gründliche Analyse der geforderten Methoden in der Anfrage- bzw. Angebotsphase. Hier gilt es zu erkennen, welche Methode in welcher Ausprägung vom jeweiligen Kunden gefordert wird, um dann die Anwendung der zu Produkt, Prozess oder Technologie passenden Methode anzubieten. Dazu muss natürlich die entsprechende Kompetenz im Unternehmen vorhanden sein. So ist sichergestellt, dass die vertraglich vereinbarten Methoden dann auch wirklich umgesetzt werden können. Entscheidend dafür ist eine saubere Machbarkeitsanalyse im interdisziplinären Team vor Vertragsabschluss! Viele Unternehmen sind sich nicht bewusst, dass der „richtige“ Methodeneinsatz Vertragsbestandteil ist und damit Einfluss auf das Haftungsrisiko hat. Daraus ergibt sich, dass nicht nur die Anwender der Methoden im multidisziplinären Team betroffen sind, sondern auch die Auditoren, die den mit den geforderten Methoden konformen Einsatz überprüfen.
Wie kann es gelingen, diese zum Beispiel im Rahmen von APQP oder der Reifegradabsicherung effektiv und effizient einzuplanen?
Tanja Wälzholz: Es geht aus meiner Erfahrung insbesondere um die effektive und effiziente Umsetzung bzw. den Einsatz der Methoden. Also nicht einfach Methoden anwenden um der Anwendung willen – was ich leider sehr häufig in den Unternehmen erlebe! Sondern Methodeneinsatz mit Hirnschmalz und Herzblut, also mit Sinn und Verstand. Nur wenn ich den Sinn und Zweck der Methode verstanden habe, kann ich sie effektiv, – das heißt im Sinne des Kunden, – und effizient, das heißt zur Risikoabsicherung/für das Risikomanagement, verwenden. Methodeneinsatz nur zum Zweck des Methodeneinsatzes ist reine Verschwendung und aus meiner Sicht grob fahrlässig, weil so der Nutzen für die Risikominimierung nicht zum Tragen kommt!
Was wird in Zukunft im Hinblick auf die Kompetenz und Qualifikation des Personals in diesem Kontext wichtig sein?
Tanja Wälzholz: Aus allem oben Gesagten ergibt sich schon die dringende Notwendigkeit, Personal in allen Prozessen des Unternehmens mit entsprechender Kompetenz auszustatten. Die oberste Leitung bzw. der einzelne Prozesseigner/ Prozessverantwortliche hat jeweils die Verantwortung zu ergründen, welche Kompetenzen und Qualifikationen im von ihm verantworteten Prozess gefordert bzw. notwendig sind. Es ist nun auch genau dieser Prozesseigner/Prozessverantwortliche, der im Audit dazu Rede und Antwort stehen muss. In so gut wie jedem Prozess ist Produktsicherheit und damit die FMEA als Methodik ein Thema. Aufgrund der Notwendigkeit eines interdisziplinären Teams für alle von der Anfrage-/Angebotsphase (Machbarkeitsanalyse) über Projektmanagement – Reifegradabsicherung/APQP und die Notfallplanung, das Ersatzteil- und das Reklamationsmanagement bis zum End of Life der Produkte reichenden Aufgaben ist jeder Prozessverantwortliche von der Forderung nach für die zutreffenden Methoden qualifiziertem Personal betroffen. Nur kompetentes, qualifiziertes Personal ist in der Lage, die teilweise komplexen Methoden effizient und effektiv im Unternehmen einzusetzen. In jedem Prozess ist ein Kundenbeauftragter zu benennen und mit der jeweiligen Kompetenz und Qualifikation auszustatten. Er stellt sicher, dass im jeweiligen Prozess die vom Kunden geforderten Methoden und Werkzeuge konform umgesetzt werden – FMEA, SPC, MSA, PPF.