17. Oktober 2018
Die Forderungen von IATF 16949:2016 richtig interpretieren
IATF 16949:2016 übernimmt die High Level Structure der ISO-9000-Familie und baut auf ISO 9001:2015 auf. Dennoch sind die Anforderungen von IATF nicht nur als Erweiterung von ISO 9001 zu verstehen. Wie unterscheiden sich diese beiden Regelwerke von ihrem Charakter her? Antworten auf diese und weitere Fragen beantwortet DGQ-Trainer Hartmut Ide im Interview.
Welche Unterschiede bestehen zwischen IATF 16949:2016 und ISO 9001:2015. Was bedeuten die Revisionen für Unternehmen?
Hartmut Ide: Mit der Revision von ISO 9001 von 2008 auf 2015 haben die Autoren dieses Normenwerk modernisiert. Der Grundgedanke besteht nun darin, dass den Unternehmen zugetraut wird, ein funktionierendes, zu ihnen passendes Qualitätsmanagementsystem einzurichten. Die Norm beschreibt Anforderungen, die es ermöglichen, Prozesse sowie Produkte und Dienstleistungen zu planen, um damit erfolgreich am Markt bestehen zu können. Sie gibt aber nicht mehr konkrete Maßnahmen oder Methoden vor, wie Unternehmen dies umsetzen sollen. Man könnte sagen, die Unternehmen sind aus Sicht der Norm „erwachsen“ geworden. Die Autoindustrie teilt dieses Zutrauen nicht, wenn es um ihre Lieferanten geht. Zwar baut IATF 16949:2016 in ihrer Struktur auf 9001 auf und setzt deren Anforderungen voraus. Ihre Ergänzungen engen den Spielraum der Unternehmen aber wieder ein und formulieren konkrete Vorgaben.
Wie erklären Sie sich diesen Unterschied?
Hartmut Ide: Die Autoindustrie hat selbst nicht viel Spielraum. Verdrängungswettbewerb unter den etablierten OEMs, Investoren und neue Wettbewerber, teils aus derselben Branche, teils aus ganz anderen Branchen, erhöhen den Druck. Gleichzeitig sind die OEMs in wachsendem Maße von den Lieferanten abhängig. Das Auto in seiner heutigen Form muss Geld verdienen, solange das Geschäftsmodell der etablierten OEMs noch funktioniert. Die Bänder müssen laufen. Dieses Ziel zieht sich wie ein roter Faden durch die Forderungen von IATF.
Was vermitteln Sie vor diesem Hintergrund Teilnehmern, die zu Ihnen in die Auditoren-Qualifikation kommen?
Hartmut Ide: Mir ist wichtig, dass die Teilnehmer den Gesamtzusammenhang verstehen, dass sie ein „Big Picture“ von der Situation in der Automobilindustrie bekommen. Nur vor diesem Hintergrund lassen sich die Forderungen von IATF richtig interpretieren. Aus der Gesamtperspektive werden die Forderungen dann durchaus verständlich. In ihrer Praxis werden die Teilnehmer täglich mit Verhaltensweisen konfrontiert, die nur aus dieser besonderen Situation heraus zu erklären sind; gleich, ob sie es mit Kollegen aus der eigenen Firma oder mit Vertretern von Lieferanten oder OEMs zu tun haben. Wie immer im Audit gilt auch hier: Die Entscheidungen des Auditors müssen Sinn und Verstand haben. Dafür ist es unerlässlich, das Umfeld zu verstehen, in dem sich der Auditor bewegt.