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EUDR: EU-Entwaldungsverordnung stellt herausfordernde Anforderungen an Unternehmen

Eine bewaldete Landschaft mit offenen Feldern, gewundenen Flüssen und verstreuten ländlichen Häusern unter einem teilweise bewölkten Himmel.

Mit der EU-Entwaldungsverordnung (European Union Deforestation Regulation, kurz EUDR) setzt die EU einen weiteren Baustein ihrer Nachhaltigkeitsagenda um. Die neuen Verpflichtungen für Unternehmen erfordern umfassende Transparenz, Datenqualität und Nachverfolgbarkeit auf Material- und Artikelebene. Eine Anpassung von unter anderem Beschaffungs-, Risiko- und Lieferantenprozessen sowie Implementierung neuer Systeme zur Dokumentation und Weitergabe von Informationen sind unumgänglich.

Laut EU-Entwaldungsverordnung dürfen nach jetzigem Stand ab dem 30. Dezember 2025 bestimmte Erzeugnisse bestehend aus den Rohstoffen Kaffee, Kakao, Palmöl, Soja, Rind, Holz oder Kautschuk sowie Folgeprodukte aus diesen nur dann in die EU inverkehrgebracht, gehandelt und exportiert werden, wenn sie nachweislich nicht mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung stehen. Da der Anbau der genannten Rohstoffe erheblich zur globalen Entwaldung beiträgt, werden diese von der Verordnung erfasst. Für Unternehmen bedeutet die EUDR eine neue Stufe von Verantwortung und Transparenz auf transaktionaler Material- und Artikelebene.

EUDR im Trilog: Bis zum Kompromiss bleiben die bisherigen Pflichten bestehen

Nach der erstmaligen Verschiebung im Jahr 2024 hat die EU-Kommission Ende Oktober 2025 einen Vorschlag zur Vereinfachung der EUDR auf den Weg gebracht. Der Vorschlag sieht unter anderem für Klein- und Kleinstunternehmen einen erneuten Aufschub um ein Jahr sowie inhaltliche Anpassungen vor. Grund dafür seien laut Aussage der Kommission technische Probleme mit dem zentralen IT-System, das die Datenmengen voraussichtlich nicht bewältigen kann. Ob alle inhaltlichen Anpassungen des Vorschlags auch zu tatsächlichen Vereinfachungen in der praktischen Umsetzung führen, ist aktuell in gewissen Punkten noch fraglich und wird kontrovers diskutiert.

Der Vorschlag muss im nächsten Schritt allerdings vom EU-Parlament und dem Rat bestätigt werden (Stand 14.11.2025). Bis dahin gelten die bisherigen Anforderungen unverändert. Für Unternehmen ist es daher sehr wichtig, die aktuellen Entwicklungen in Brüssel genau zu verfolgen. In diesem Beitrag werden die aktuell gültigen Sorgfaltspflichten und ihre Auswirkungen erläutert.

Was ist das Ziel der EU-Entwaldungsrichtlinie?

Die weltweite Entwaldung, also der Verlust von bewaldeten Flächen, beispielsweise durch Rodungen oder Abholzungen, trägt massiv zum Verlust der Biodiversität und zu enormen Treibhausgasemissionen bei. Wälder dienen als natürliche CO₂ Speicher. Gehen diese verloren, entweicht das gebundene CO₂ in die Atmosphäre und befeuert den Klimawandel. Mit der EUDR will die EU sicherstellen, dass Lieferketten entwaldungsfrei sind und dadurch den Druck auf Produzentenländer hin zu einer nachhaltigen Forst- und Landwirtschaft erhöhen. In der Theorie klingt das sinnvoll, in der Praxis birgt dieses Vorhaben allerdings einige große Herausforderungen für Unternehmen, die mit betroffenen Erzeugnissen handeln.

DGQ-Qualitätspodcast Folge 52: Die EU-Entwaldungsverordnung und ihre Folgen für Unternehmen

Die neue EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) stellt Unternehmen jeder Größe vor enorme Herausforderungen. Im DGQ-Qualitätspodcast erläutert Rechtsanwalt Clemens Bauer von PWC Legal im Gespräch mit Moderatorin Natalie Rittgasser, warum Transparenz künftig über den Marktzugang entscheidet, welche Produktgruppen weit über Holz hinaus betroffen sein können und wie komplex die Umsetzung in globalen Lieferketten wird. Zudem wird deutlich, wo sich trotz steigender Anforderungen an Nachhaltigkeit, Datenqualität und Compliance neue Chancen für Unternehmen eröffnen. Zum Podcast »

Umsetzung in der Praxis: Wo Unternehmen ansetzen können

Die Anforderungen der EUDR sind sehr anspruchsvoll, herausfordernd und variieren je nach Position des Unternehmens im Markt. Der erste Schritt in der praktischen Umsetzung ist daher eine Betroffenheitsanalyse. Ob ein Erzeugnis von der EUDR betroffen ist, wird über die sogenannte Zolltarifnummer (HS-Code) bestimmt. Im Anhang 1 der Verordnung sind alle Zolltarifnummern aufgelistet, die von der EUDR umfasst sind. Unternehmen müssen, abhängig von ihrer Marktposition, bestimmte Sorgfaltspflichten erfüllen, um weiterhin mit betroffenen Waren handeln zu können. Daher spielt die Identifikation der eigenen Marktposition (als Marktteilnehmer oder Händler) in sämtlichen Beschaffungsvorgängen der betroffenen Erzeugnisse eine entscheidende Rolle.

Erstinverkehrbringung von EUDR-Erzeugnissen in die EU

Ein Marktteilnehmer, der beispielsweise EUDR-relevante Erzeugnisse aus Drittstaaten in die EU importiert, ist verpflichtet, im Rahmen einer Risikoanalyse unter anderem Geolokalisationsdaten der Anbauflächen zu prüfen. Ziel ist es, sicherzustellen, dass auf diesen Flächen keine Entwaldung stattgefunden hat und relevante Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes eingehalten wurden. Das Ergebnis dieser Prüfung sowie weitere wichtige Informationen wie zum Beispiel Produktbeschreibung, Mengenangaben und Gewicht müssen in einem IT-System der EU (EU-Traces System) hochgeladen werden. Dort wird anhand dieser Eingaben eine sogenannte Sorgfaltserklärung (Due Diligence Statement) generiert, die vorliegen muss, bevor die Ware die EU-Grenze passiert. Diese Sorgfaltserklärung soll den Zollbehörden als Grundlage zur Prüfung der Einfuhr dienen. Besonders herausfordernd ist für importierende Unternehmen der Erhalt der notwendigen Daten ihres Lieferanten, beispielsweise die genauen GPS-Koordinaten der betroffenen Flächen. Es ist daher essenziell, so zeitnah wie möglich mit den Lieferanten ins Gespräch zu kommen, um bestehende Daten- und Informationslücken zu schließen. Auch die Risikoanalyse dieser Daten erweist sich in der Praxis als enorme Herausforderung. Zum Beispiel lassen sich ohne Satellitenaufnahmen der Flächen, die die Entwicklung über mehrere Jahre abbilden, kaum fundierte Bewertungen vornehmen. Für die Einhaltung der EUDR-Vorgaben ist die Qualität und Verfügbarkeit der relevanten Daten somit von zentraler Bedeutung. Werden relevante Erzeugnisse weiterverkauft oder weitergegeben, sind diese Informationen verpflichtend an die nachfolgenden Marktteilnehmer weiterzureichen.

Nachgelagerte Weitergabe von EUDR-Erzeugnissen:

Als Teilnehmer der nachgelagerten Lieferkette gelten unter anderem Händler, die EUDR-relevante Waren unverändert vertreiben oder zu EUDR-relevanten Erzeugnissen weiterverarbeiten. In dieser Marktposition sind Händler zwangsläufig auf die vollständigen und korrekten Informationen ihrer Lieferanten angewiesen und übernehmen abhängig von ihrer Größe Haftung für diese Daten. Um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, ist es daher ratsam, frühzeitig mit den Lieferanten in Kontakt zu treten und verbindlich zu klären:

  • Welche EUDR-relevanten Informationen (zum Beispiel die Referenznummer des Due Diligence Statements) bereitgestellt werden müssen,
  • In welcher Form diese Informationen übermittelt werden,
  • Zu welchem Zeitpunkt die Informationen spätestens vorliegen müssen.

Denn auch Händler sind verpflichtet, eine Sorgfaltserklärung abzugeben und die relevanten Informationen an ihre nachgelagerten Kunden zu übermitteln. Die Einhaltung dieser Pflichten ist entscheidend, um die Transparenz entlang der Lieferkette sicherzustellen und rechtliche Risiken zu vermeiden.

Prozesse, Daten und Lieferantenmanagement im Fokus

Im nächsten Schritt sollten Unternehmen ihre Prozesse in den Bereichen Beschaffung und Risikomanagement sowie ihre Stammdaten EUDR-konform anpassen oder neu aufsetzen.

  1. Risikomanagement erweitern:
    Neben klassischen Qualitäts- und Compliance-Kriterien müssen Umwelt- und Sozialrisiken systematisch in die Risikobewertung einbezogen werden. Die Analyse der Geolokalisationsdaten ist dabei ein zentraler Bestandteil, um die Herkunft und die Entwaldungsfreiheit der betroffenen Erzeugnisse für jede bestellte Charge nachzuweisen.
  2. Lieferantenmanagement stärken:
    Künftige Verträge und Verhaltenskodizes mit Lieferanten sollten verbindliche EUDR-Anforderungen enthalten, um die Datenverfügbarkeit und -qualität entlang der gesamten Lieferkette sicherzustellen. Trainings und Audits können helfen, ESG-Standards bei Lieferanten zu etablieren.
  3. Stammdaten optimieren:
    Unternehmen sollten sicherstellen, dass alle relevanten Daten, insbesondere Zolltarifnummern, Produktinformationen und Geolokalisationsdaten, systematisch und digital erfasst sowie dokumentiert werden. Eine zentrale Datenplattform kann die Transparenz und Nachverfolgbarkeit deutlich erhöhen. Unternehmen sollten bestehende IT-Systeme und deren Schnittstellen gezielt auf die EUDR-Anforderungen zur Sammlung und Weitergabe von Informationen analysieren und optimieren, um manuelle Arbeitsschritte weitestgehend zu automatisieren und die Datenqualität sowie Prozesssicherheit zu erhöhen.

Jetzt handeln: Unternehmen müssen EUDR-Transparenz und Datenqualität sicherstellen

Die EUDR markiert einen Paradigmenwechsel: Rohstoff-Lieferketten werden nicht mehr nur nach Effizienz, Kosten, Qualitätsaspekten und Verfügbarkeit bewertet, sondern nun auch nach ihrem Einfluss auf Wälder und Ökosysteme. Unternehmen, die sich bislang noch nicht mit den Anforderungen der EUDR auseinandergesetzt haben oder unsicher sind, ob und wie sie betroffen sind, sollten jetzt dringend aktiv werden. Es empfiehlt sich, zeitnah die eigenen Lieferketten zu analysieren, relevante Datenstrukturen und Prozesse aufzubauen und die Zusammenarbeit mit Lieferanten zu intensivieren. Nur so lässt sich die Einhaltung der neuen gesetzlichen Vorgaben sicherstellen und rechtliche Risiken vermeiden.

 

Über den Autor:
Yannic von Raesfeld
ist Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements der Werner & Mertz Gruppe. Dabei befasst er sich seit über 10 Jahre intensiv mit strategischer Nachhaltigkeit, sowie den Managementsystemen nach EMAS, ISO 14001 und der ISO 50001. Er ist Beauftragter für das Umwelt-, Energie-, und Lieferkettenmanagement an mehreren Standorten, sowie interner Auditor. Als zertifizierter ESG-Officer koordiniert er die Umsetzung regulatorischer Nachhaltigkeitsvorgaben. Darüber hinaus ist Yannic von Raesfeld als Dozent und Trainer im ESG-Bereich tätig.

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