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„Qualität beinhaltet für mich immer auch eine Dimension der Eigenverantwortung“

Ende April wurde Prof. Dr. Robert Schmitt zum neuen Präsidenten der DGQ gewählt. Im Interview erläutert er seine Sicht auf Qualität. Außerdem erklärt er, was ihn nach der langjährigen Vorstandstätigkeit bei der DGQ motiviert hat, auch dieses Amt zu übernehmen und welche Schwerpunkte er setzen möchte.

Wie sind Sie mit der DGQ in Berührung gekommen? Wie war Ihr Weg in den Vorstand der DGQ?

Nach meinem Studium der Elektrotechnik in Aachen kam ich bereits im Rahmen meiner Promotion, anschließend durch meine berufliche Tätigkeit bei MAN mit QM-relevanten Fragen in Kontakt. Als dort ein neues Fahrzeug auf die Straße gebracht werden sollte, ging es vor allem darum, wie sich viele Technologien verbraucherfreundlich und sicher zuverlässig verbinden lassen. Der Einsatz elektronischer und informationstechnischer Komponenten damals erhöhte die Komplexität deutlich. In meiner späteren Leitungsaufgabe in der Montage habe ich dann erfahren, wie wichtig es ist, verschwendungsarm zu produzieren. Qualität bedeutet hier nicht nur Zuverlässigkeit, sondern auch ressourcenschonend und mit möglichst wenig Ausschuss und null Fehlern zu fertigen. Sie sehen, von einer überwiegend technischen hat sich meine Perspektive zu einer systemischen gewandelt. Nach dem Ruf als Professor an das produktionstechnische WZL der RWTH Aachen bin ich über meinen Vorgänger Tilo Pfeiffer mit der DGQ in Kontakt gekommen. 2010 wurde ich in den Vorstand gewählt.

Was begeistert Sie an dem Thema „Qualität“?

Vor allem die Bandbreite. Es geht bei Qualität nicht nur um die technische Exzellenz, sondern die Organisation in den Unternehmen. So abstrakt sich die Methoden anhören mögen, so konkret ist Qualität in der Praxis erfahrbar. In einem sich kontinuierlich verschärfenden Wettbewerbsumfeld hilft das Qualitätsmanagement gerade den kleinen und mittelständischen Unternehmen. Es gibt Orientierung, fördert die Kompetenzentwicklung und bringt Klarheit hinsichtlich der Frage, wie ich ein Unternehmen organisiere. Qualität hat für mich vor allem drei Komponenten: technisch, organisatorisch, menschlich. Technisch und organisatorisch gilt es, die Prozesse so zu gestalten, dass die Produkte den Kundenanforderungen entsprechen. Die menschliche Komponente umfasst die Frage, wie ich den Menschen dabei helfen kann, Qualität umzusetzen und Erfüllung im Handeln zu finden. Qualität manifestiert sich im Erleben des Endnutzers. Dies gilt vielleicht in unterschiedlichem Maße in verschiedenen Bereichen, besonders aber beispielsweise in der Medizintechnik, wenn Menschen eine Spritze erhalten, die nicht schmerzt – und den Wirkstoff dort platziert, wo er wirkt.

Digitalisierung, verkürzte Produktlebenszyklen, sich wandelnde Kundenanforderungen, agile Arbeitsformen – welche Relevanz hat das Thema „Qualität“ heutzutage noch?

Die Bedeutung von Qualität ist extrem hoch – sie vermittelt Werte und wird daher noch wichtiger. Der Qualitätsbegriff wird sich vielleicht nicht grundlegend ändern, aber er muss grundlegende Entwicklungen berücksichtigen. Das Ausbuchstabieren des Qualitätsbegriffs bedeutet für mich, einen Leitstern für mein Unternehmen zu haben – egal in welchem Bereich und in welcher Branche. Auch die Sicht des Qualitätsmanagements zielt auf neue Lösungen für die digitale Transformation. Es gilt neue Fragen zu stellen. Wie vermeide ich beispielsweise Überproduktion vor dem Hintergrund sich verkürzender Produktlebenszyklen? Wie reagiere ich auf geänderte Kundenanforderungen? Welchen Beitrag leiste ich zu den drängenden gesellschaftlichen Fragen? Es reicht nicht mehr nur, die Basisanforderungen zu erfüllen. Die Produktionsbedingungen spielen eine immer größere Rolle und Nachhaltigkeitsaspekte treten in den Vordergrund. Das ist die Verbindung des Begriffs der  Qualität zur Sinnstiftung. Das kann sehr motivierend wirken. Ich bin überzeugt, wer bei Qualität nur an die Produktbeschaffenheit und nicht an die Art der Produkterstellung denkt, der verschenkt große Potenziale.

Es geht nicht nur um Zuverlässigkeit, sondern auch um Vertrauenswürdigkeit. Im Englischen gibt es dafür das schöne Wort „Trustworthyness“. Man muss sich eines Vertrauens auch würdig erweisen.

Dazu gehört auch, dass Qualität für mich eine Dimension der Eigenverantwortung beinhaltet. Wir müssen also mehr auf die Menschen, mehr auf die Verantwortung und nicht so sehr auf abstrakte Systeme setzen. Für mich hieße das: Weg von der kleinteiligen Intervention von oben hin zu mehr Eigenverantwortung der Handelnden.

Sie gehören schon seit 2010 dem Vorstand an. Was hat Sie dazu motiviert, die Nachfolge von Herrn Hansen als Präsident anzutreten?

Die Befassung mit Qualität hat mich über meine gesamte berufliche Laufbahn hinweg begleitet und mir sehr viel gegeben. Auch stelle ich immer wieder fest, dass sich viele meiner Mitarbeitenden am WZL in Aachen, an vielen Lehrstühlen und in den Betrieben dafür begeistern. Wie gesagt – Qualität wirkt oft motivierend, weil sie immer auch zu einer Sinnstiftung beitragen kann. Es ist eben schon angeklungen, dass auch der Qualitätsbegriff sich an neue Entwicklungen anpassen muss. Es ist ein Begriff, um den wir alle gemeinsam ringen sollten. Wir müssen uns immer wieder fragen: Was ist Qualität und wie münzen wir diesen Wert in vielen Bereichen hier in einen Wettbewerbsvorteil um? Die Deutsche Gesellschaft für Qualität ist für mich mit ihren zahlreichen Mitgliedern, Delegierten, Regionalkreisen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genau die richtige Organisation, um eine Plattform für einer solche Diskussion zu bieten und den Qualitätsbegriff mit Leben zu füllen. Dieser Weiterentwicklung haben sich besonders auch die starken Kolleginnen und Kollegen im Vorstandsteam verschrieben.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen der DGQ in den kommenden Jahren?

Die DGQ sollte sich aus meiner Sicht neben den klassischen produzierenden Branchen auch in anderen Bereichen engagieren, um dort neue Mitglieder und Kooperationspartner zu gewinnen. Beim Thema „Pflege“ haben wir uns beispielsweise schon auf den Weg gemacht. Es gibt aber noch weitere spannende Branchen, wo wir den Qualitätsgedanken und die Diskussion darum weiter fördern können. Da müssen wir auch mal deutlicher in der Öffentlichkeit auftreten – und vielleicht auch mal plakativ, einfach „talkshow-tauglich“ argumentieren. Auf den groben Klotz der Geringschätzung der Qualität als Haltung des Wollens und des fakten- und qualifikationsbezogenen Handelns als Grundlage unseres Wohlstandes gehört der grobe Keil, dass interventionistisches Agieren eben das Gegenteil davon ist. Der Beschluss von noch so vielen Vorlagen hat geringen Effekt. Für eine Wirkung bedarf es schon des Bemühens und des Machens.

Was wollen Sie anders machen, was wollen Sie beibehalten?

Viele wichtige Strukturelemente sind in der DGQ in den letzten Jahren bereits geschärft worden. Auch strategisch wurden ebenfalls einige Weichen gestellt. Dazu gehört, dass wir unsere Kernthemen – wie beispielsweise QM und QS – gerade unter der Perspektive des Wandels weiterentwickeln. Gleichzeitig möchten wir Fokusthemen – zunächst sind dies Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Pflege – verstärkt besetzen, die aufgrund ihrer grundsätzlichen Gesellschaftsrelevanz neue Öffentlichkeiten und Zielgruppen erschließen. Hierbei bieten wir einerseits eine Plattform für den neutralen Austausch und schlagen dabei immer auch die Brücke zu dem, was Qualität prägt.

Diese Entwicklung durfte ich als Vorstand bereits aktiv mitbegleiten. Diesen Weg möchte ich grundsätzlich weiterbeschreiten. Gerne möchte ich das DGQ-Netzwerk insgesamt weiterentwickeln. Dazu gehört es auch, die Regionalkreise, die Fachkreise sowie die anderen Netzwerkgruppen zu unterstützen. Bei den virtuellen Veranstaltungen und auf der DGQplus-Plattform passiert das beispielsweise bereits. Denn ein starkes Netzwerk stärkt auch die Mitgliedschaft und vergrößert den Nutzen. Neben einer weiteren Aktivierung des Netzwerkes freue ich mich natürlich auch über eine Steigerung der Anzahl der persönlichen wie der Firmenmitglieder.

Was werden die Schwerpunkte Ihrer Arbeit als Präsident sein?

Ich möchte gerne weiter daran arbeiten, dass wir neben unseren klassischen auch neue Branchen mit wichtigen Impulsen erschließen. Ein wichtiges Thema wird die Digitalisierung bleiben. Es ist wichtig, dass wir neue „Peer-Gruppen“ erschließen, jüngere Menschen erreichen, sie für die DGQ gewinnen und die Vielfalt unserer Gesellschaft mit ihren Herausforderungen und Chancen abbilden. Dafür gilt es, die Vorteile einer Mitgliedschaft deutlicher hervorzuheben. Gerade die letzte Netzwerkbefragung hat ergeben, dass wir durch die Digitalisierung unseres Angebots schon die richtigen Dinge zur Verfügung stellen. Vor allem im letzten Jahr haben wir hier einiges sehr kurzfristig erreicht. Mein Dank gilt hierbei den hauptamtlichen Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen, Mitgliedern und allen weiteren Beteiligten. Die Befragung hat aber auch gezeigt, dass wir den Nutzen für Mitglieder noch deutlicher nach Außen darstellen müssen.

Darüber hinaus hat die letzte, lebhafte Delegiertenversammlung im April das große Interesse an der Weiterentwicklung der DGQ gezeigt. Es gab bei dieser Veranstaltung zahlreiche hilfreiche Hinweise der Delegierten. Gerne möchte ich den Dialog dazu fortsetzen, um die DGQ mit ihrem Netzwerk weiterzuentwickeln.

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