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Reklamationsmanagement – die richtige Mischung aus Prozess, Recht und Kulanz macht’s!

Reklamationsmanagement, Kundenzufriedenheit

Mit einem guten Reklamationsmanagement erreicht ein Unternehmen viele Ziele: Geordnete Abwicklung von – berechtigten und nicht berechtigten – Reklamationen, Verbesserung der Produkte, Minimierung von Haftungsrisiken, Compliance. All dies geschieht aus Interesse am Erfolg des eigenen Unternehmens und an der Zufriedenheit seiner Kunden und Mitarbeiter.

Der Begriff „Reklamationsmanagement“ wird meist bekannt sein. Qualitätsmanagement im Allgemeinen und zum Beispiel die ISO 10002 im Besonderen adressieren (auch) das Reklamationsmanagement, allerdings primär aus allgemeiner Prozesssicht. Doch was sich zunächst nach bloßer Prozessabwicklung anhört, entpuppt sich schnell als komplexe Aufgabe, die auch betriebswirtschaftliche und rechtliche Elemente berücksichtigen muss, um die gewünschten Ziele (s.o.) auch tatsächlich zu erreichen. Bei grenzüberschreitenden Kunden /Lieferbeziehungen ergeben sich insofern weitere Herausforderungen. Die konkrete Ausgestaltung des Reklamationsmanagements orientiert sich am Charakter des eigenen Unternehmens. Es versteht sich von selbst, dass beispielsweise ein Online-Händler von Massenware ein anderes Reklamationsmanagement hat beziehungsweise haben sollte als ein Hersteller individuell gefertigter Artikel.

Dieser Fachbeitrag möchte die für das Reklamationsmanagement wesentlichen rechtlichen Implikationen aufzeigen und sowohl praxistaugliche als auch möglichst rechtssichere Lösungsansätze skizzieren.

Ausgangslage: Kundenreklamation

Ausgangslage soll hier eine Kundenreklamation sein, das heißt die Reklamation eines Kunden gegenüber dem eigenen Unternehmen. Gegenstück ist eine Lieferantenreklamation, das heißt die eigene Reklamation gegenüber einem Lieferanten. Die wesentlichen Grundsätze sind aber „spiegelbildlich“ ähnlich und eine Kundenreklamation wird häufig auch eine Lieferantenreklamation oder zumindest die Prüfung einer solchen nach sich ziehen.

Vorfragen bei Eingang einer Kundenreklamation

Reklamationsmanagement im Ganzen ist Chefsache. Im Tagesgeschäft wird eine Kundenreklamation jedoch meist bei der Service- beziehungsweise (After-)Sales-Abteilung eingehen.

Hier stellen sich zunächst verschiedene Vorfragen:

  1. Prüfung von Sofortmaßnahmen bei „Gefahr im Verzug“.
    Bestehen durch die (behaupteten) Mängel Gefahren für Leib und Leben von Personen? Handelt es sich um einen Serienfehler? Um insofern Haftungsrisiken zu vermeiden sind gegebenenfalls – und dann sehr kurzfristig – Maßnahmen zu prüfen und zu ergreifen, womöglich bis hin zu einem Rückruf.
  2. Droht aus sonstigen Gründen ein besonderes Haftungsszenario?
    Zum Beispiel ein außergewöhnlicher Schadenumfang oder sollte die Reklamation berechtigt sein?
  3. Differenzierung in Abhängigkeit von der „Wichtigkeit“ des reklamierenden Kunden?
    Grundsätzlich wird man seine Kunden gleich behandeln wollen und müssen. Einem Unternehmen wird man es aus unternehmerischer Sicht jedoch nicht verübeln können, gegenüber einem besonders wichtigen Großkunden einen anderen, das heißt, kulanteren Maßstab anzulegen.

In diesem Zusammenhang wird man sich im Reklamationsfall auch die gesamte Kundenvertrags-/-Geschäftsbeziehung ansehen (Offene Rechnungen? Bisherige Reklamationsfälle mit diesem Kunden? Zukünftige Geschäftsaussichten mit diesem Kunden?). Abhängig von diesen Vorfragen kann die weitere Reklamationsabwicklung abweichende und ergänzende Sonderwege erforderlich machen.

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Aufgaben und Handlungspflichten/-optionen gegenüber dem Kunden

Im Übrigen beginnt die Reklamationsabwicklung mit der Aufnahme der Reklamation und erster Korrespondenz mit dem Kunden.

Unternehmensintern stehen dann die folgenden Hauptaufgaben im Vordergrund:

  • Liegt eine berechtigte oder eine unberechtigte Reklamation vor?
  • Welchen Pflichten beziehungsweise welcher Haftung bin ich als Unternehmen gegenüber dem Kunden ausgesetzt, sollte die Reklamation berechtigt sein?
  • Wie kommuniziere ich mit dem Kunden richtig, wenn die Reklamation (un)berechtigt war?

Die Prüfungen dieser Hauptaufgaben sind sowohl technischer als auch rechtlicher Art.

In technischer Hinsicht muss insbesondere geklärt werden, ob tatsächlich ein Fehler vorliegt und dieser bereits bei Übergabe vorlag. Hierzu wird meist eine Untersuchung des reklamierten Teils erforderlich sein. Typische Abnutzungen und Verschleiß sind keine Fehler, die einen rechtserheblichen Mangel darstellen. Liegen womöglich Anhaltspunkte für eine unsachgemäße Verwendung, Gewalteinwirkung etc. vor? Vorsorglich, für den Fall eines späteren Rechtsstreits, sind die Erkenntnisse beweismäßig zu sichern und zu dokumentieren. Die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels liegt im Streitfall jedoch grundsätzlich beim Kunden.

Bei Vorhandensein eines Fehlers aus technischer Sicht muss sodann in rechtlicher Hinsicht unter Berücksichtigung des geltenden Rechtsrahmens (das heißt gemäß Gesetz, Vertrag, gegebenenfalls einbezogener Allgemeiner Geschäftsbedingungen, abgegebener Garantien und sonstiger Bestimmungen, zum Beispiel zur Verjährung) geprüft werden, ob der Fehler ein rechtsrelevanter Mangel ist und welche Rechtsfolgen, das heißt Einstandspflichten sich daraus für das Unternehmen ergeben. Liegt eine Lieferkette vor, sind insbesondere auch die Vorschriften zum Lieferantenregress zu beachten. Besonders praxisrelevant ist auch, ob der Kunde seiner Verpflichtungen aus § 377 HGB zur unverzüglichen Untersuchung und Rüge ordnungsgemäß nachgekommen ist. Ist dies nicht erfolgt, geht der Kunde grundsätzlich leer aus.

Liegt im Ergebnis eine berechtigte Reklamation, das heißt ein Mangel vor, für den das Unternehmen gegenüber dem Kunden einzustehen hat, kommen grundsätzlich mehrere/verschiedene Einstandspflichten in Betracht, wie im Einzelnen durch Gesetz, Vertrag, Garantie etc. bestimmt.

Ausgehend von der Anwendung deutschen Gesetzesrechts sind dies insbesondere (jeweils unter weiteren Voraussetzungen):

  1. Nacherfüllung, das heißt Ersatzlieferung oder Reparatur in Verbindung mit Kostenersatz
  2. Rücktritt oder Minderung
  3. Schaden- und/oder Aufwendungsersatz

Unter Berücksichtigung dessen, was der Kunde verlangt hat, sollte eine entsprechende Lösung gegenüber dem Kunden kommuniziert werden. Im Idealfall einigt man sich mit dem Kunden auf eine angemessene Kompromisslösung, ohne dass es zum Rechtsstreit kommt.

Bei einer im Ergebnis unberechtigten Reklamation sollten im Regelfall die vom Kunden geltend gemachten Ansprüche mit geeigneter Begründung zurückgewiesen werden. Im Einzelfall wird sich aus Gründen der Kundenzufriedenheit und zur Vermeidung eines Rechtsstreits die Frage nach einer Kulanzlösung stellen. Für angemessene Kulanzlösungen sollte grundsätzlich ein gewisser Spielraum bestehen, dies jedoch nicht im Regelfall aus Unsicherheit über die eigenen Verpflichtungen, sondern nur im Ausnahmefall bewusst unter Abwägung der eigenen Position und der Vor- und Nachteile der Kulanzlösung. Die Kommunikation einer Kulanzlösung gegenüber dem Kunden bedarf besonderer Sorgfalt, um keine ungewollten Rechtswirkungen wie zum Beispiel ein Anerkenntnis oder eine Verlängerung der Verjährungsfrist auszulösen.

Interne und externe Ressourcen sowie Werkzeuge für die Reklamationsabwicklung

Für die Durchführung der vorstehend skizzierten Schritte benötigt das Unternehmen geeignete Ressourcen und Werkzeuge.

An erster Stelle sind dies entsprechend ausgebildete und geschulte eigene Mitarbeiter der Reklamationsabteilung. Eine persönliche Haftung bei fehlerhaftem Handeln brauchen die Mitarbeiter regelmäßig nicht zu befürchten, denn es gelten die sogenannten Grundsätze der privilegierten Arbeitnehmerhaftung.

Da es im Ergebnis entscheidend auch auf rechtliche Beurteilungen ankommt, bedarf es zudem einer eigenen Rechtsabteilung oder einer spezialisierten externen Kanzlei, und zwar im Rahmen der erstmaligen Implementierung des Reklamationsmanagements sowie bei Bedarf im jeweiligen Einzelfall. Die nachstehend genannten Werkzeuge stellen jedoch eine weitgehend autonome Bearbeitung von typischen Reklamationsfällen durch das Unternehmen selbst sicher.

Für eine schnelle und zuverlässige Reklamationsbearbeitung kommen typischerweise folgende Werkzeuge zum Einsatz:

  • Leitfäden, Flussdiagramme, Checklisten
  • Zuständigkeitspläne
  • Musterschreiben
  • Schulungen und Beispielsfälle
  • Softwarelösungen

Weitere (interne) Konsequenzen einer Kundenreklamation

Im Rahmen einer Kundenreklamation sind vom Unternehmen weitere Aspekte zu prüfen, wie insbesondere:

  • Regressmöglichkeiten gegenüber Lieferanten fehlerhafter Teile unter Beachtung gesetzlicher und vertraglicher Bestimmungen, zum Beispiel § 377 HGB, Verjährung etc.
  • Maßnahmen gemäß Produkt-/Produzentenhaftung (Rückruf?)
  • Produktverbesserungen/-neuentwicklungen zur Vermeidung von Fehlern und Kundenreklamationen gleicher/ähnlicher Art und zur Verbesserung der Produktsicherheit
  • Korrektur oder Ergänzung von Bedienungsanleitungen im Hinblick auf eine bestimmte Handhabe des Produkts zur Fehlervermeidung
  • Berücksichtigung bei der Vertragsgestaltung, zum Beispiel Einschränkungen des Verwendungszwecks des betroffenen Produkts, sonstige Haftungsbeschränkungen
  • Anpassung von Garantiebedingungen
  • Versicherungsdeckung, Anpassung Versicherungsschutz

Auf den Punkt gebracht

Reklamationsmanagement ist komplex, aber mit der richtigen Vorbereitung und angemessenen Ressourcen erfolgreich zu bewerkstelligen.

Ein gutes Reklamationsmanagement versetzt das Unternehmen in die Lage,

  1. zwischen berechtigten und unberechtigten Reklamationen zu unterscheiden,
  2. im Falle einer berechtigten Reklamation die eigenen Einstandspflichten sowie Regressmöglichkeiten einzuschätzen und damit die eigene Haftung zu minimieren,
  3. bewusst zu entscheiden, in welchen Fällen Kulanzlösungen erfolgen,
  4. in allen Phasen der Reklamationsbearbeitung angemessen mit dem Kunden zu kommunizieren und
  5. die aus einer Reklamation gewonnenen Erkenntnisse zu verwerten, zum Beispiel im Rahmen von Produktverbesserungen und Produktneuentwicklungen.

Unternehmen mit einem solchen Reklamationsmanagement sichern sich die Zufriedenheit ihrer Kunden, reduzieren ihre Haftungsrisiken und sind damit langfristig erfolgreich.

 

Über den Autor:
Gunnar Helms ist Rechtsanwalt in Hamburg und Mitgründer der Kanzlei VON ILSEMANN | HELMS. Er berät vorrangig mittelständische Unternehmen im Handels- und Gesellschaftsrecht. Sein Schwerpunkt liegt dabei in der Beratung der Unternehmen in allen rechtlichen Belangen ihres operativen Geschäfts wie eine (ausgelagerte) Rechtsabteilung. Gunnar Helms ist regelmäßig als Referent tätig und u.a. Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) sowie im Internationalen Controller Verein (ICV), wo er zudem Leiter des Fachkreises „Compliance-Management & Controlling“ ist.

Kontakt: gh@vonilsemann-helms.de

 

Reklamationsmanagement

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