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Qualität und Wissen – die neue Norm ISO 30401

Wissensmanagementsysteme

Im Herbst 2018 wurde mit ISO 30401 Knowledge Management Systems – Requirements erstmals ein ISO-Standard veröffentlicht, um Wissen – ausgerichtet an den Bedarfen und Zielen der Organisation – systematisch in Mehrwert zu überführen. Wissen wird hierbei definiert als: “Human or organizational asset enabling effective decisions and action in context”.

Die Anforderungen der Norm beschreiben im Wesentlichen Aktivitäten, mit denen das Asset bzw. die Ressource Wissen zur Realisierung geplanter Ergebnisse genutzt werden kann. ISO 30401 ist nach der High Level Structure (HLS) aufgebaut. Dies bedeutet, dass viele wichtige Handlungsfelder einer Organisation, wie z.B. Führung, Betrieb, Planung, Support, Evaluation und fortlaufende Verbesserung adressiert und systematisch aufeinander bezogen werden. Durch diesen ganzheitlichen Managementansatz können die Potentiale des komplexen und intangiblen Assets Wissen planvoll genutzt werden. Insellösungen für Wissensmanagement, deren Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in der Vergangenheit nicht immer den Erwartungen entsprachen, sind damit nicht mit ISO 30401 konform.

Der Aufbau der ISO 30401 nach der HLS schafft zudem Kompatibilität mit anderen Managementsystemen, die dieselbe Struktur aufweisen und damit vergleichbare organisationale Prozesse und Aktivitäten anleiten. Insbesondere die Qualitätsmanagementsysteme nach DIN ISO 9001:2015 – als mit Abstand erfolgreichste Management-Norm – bietet hier einen Anknüpfungspunkt und sogar eine Brücke, um Betrieben die gezielte Nutzung von Wissen zu erleichtern.

Die Verbindung von Qualität und Wissen besteht jedoch nicht nur in einer strukturellen Vergleichbarkeit der beiden Normen. Bekanntlich wurde in der Revision der DIN ISO 9001 im Jahr 2015 durch die Anforderungen im Kapitel 7.1.6 das Wissen der Organisation als wichtiger Faktor für Betriebe und damit als ein Element für das Qualitätsmanagement anerkannt. Allerdings wird in diesem Kapitel kein Wissensmanagement gefordert. Zudem scheint das dort verwendete Konzept von Wissen durch eine Engführung an den Begriff der Information entwickelt worden zu sein, wodurch andere Formen von Wissen unzureichend adressiert und genutzt werden können. Insbesondere werden die Transformationsprozesse zwischen den unterschiedlichen Wissensformen in ISO 30401 erheblich differenzierter beschrieben.

Neben diesen beiden offensichtlichen Schnittmengen von Qualität und Wissen sind drei weitere Punkte anzusprechen, die tieferliegende Verbindungen zwischen den beiden Themen beleuchten.

Risikobasiertes Denken

DIN ISO 9001:2015 weist dem risikobasierten Denken eine wichtige Rolle zu. Risiko ist definiert als: „Auswirkung von Ungewissheit“. Ungewissheit wiederum wird als das (auch teilweise) Fehlen von Informationen beschrieben, die für das Verständnis von oder für das Wissen über ein Ereignis notwendig sind. Systematisches wissensbasiertes Entscheiden und Handeln ist daher ein wichtiges Element im Umgang mit Risiken. Zugespitzt formuliert: Der bewusste Umgang mit Wissen senkt die Ungewissheit und macht damit den Umgang mit Risiken planbarer. Für einen risikobasierten Managementansatz können unterschiedliche Wissensmanagement-Aktivitäten nützlich sein, wie zum Beispiel:

  • Mitarbeiter gezielt und abgestimmt mit relevanten und verwertbaren Informationen versorgen
  • Wissens- und faktengestützte Entscheidungsprozesse implementieren
  • Den Umgang und den Einsatz mit (bewährtem) Erfahrungswissen planen

Kundenorientierung

Die Ausrichtung an den Anforderungen der Stakeholder und insbesondere der Kunden ist ein Leitprinzip für Qualitätsmanagement. Obwohl ISO 30401 ebenfalls eine deutliche Ausrichtung an den Anforderungen von Stakeholdern aufweist, fokussiert sie auf jene organisationalen Prozesse, in denen die unterschiedlichen Wissensformen weitergegeben und transformiert werden müssen, damit Produkte und Dienstleistungen verbessert werden. Beispielsweise könnten ISO 30401 konforme Prozesse Kundendaten in unternehmensrelevante Informationen umwandeln, um dadurch Kenntnisse für die (entsprechend kompetenten) betrieblichen Akteure zu generieren, damit die erzeugten Produkte und Dienstleistungen die Erwartungen der Kunden gut ‚matchen‘. Wissensmanagement kann damit ein wichtiges Instrument sein, um die Anforderungen der Kunden an Produkte und Dienstleistungen möglichst gut zu erfüllen und damit Qualität sicherzustellen.

Agilität

Das Managen von Qualität und Wissen aus einer Hand könnte perspektivisch dazu führen, die Herausforderungen von zunehmender Agilität besser zu bewältigen. Klare Kundenorientierung und gut kontrollierte Prozesse gepaart mit Wissensnetzwerken, in denen aufgabenabhängig und über Abteilungen hinweg Lösungen ‚unbürokratisch‘ gefunden werden, könnten als zwei Seiten einer Medaille des erfolgreichen betrieblichen Handelns aufgefasst werden. Unternehmen könnten mit entsprechenden Zertifikaten das Marktsignal setzen, sowohl reaktionsfähig und bereit für die wissensbasierte Wirtschaft zu sein und gleichzeitig weiterhin der verlässliche und vertrauensvolle Geschäftspartner zu bleiben.


Über den Autor:
Dr. Maik H. Wagner ist Managing Partner des Instituts für Wissensökonomie sowie Inhaber von MW Wissenskommunikation. Darüber hinaus ist er Experte für ISO 30401 Knowledge management systems – Requirements und Co-Convenor für ISO 10015 Quality management — Guidelines for competence management and people development.