Pflege im Fokus: Gesundheitsrisiken im OP verringern
Risiken für die Gesundheit durch kleine Partikel
Die Pandemie hat auch Themen in das öffentliche Bewusstsein katapultiert, die früher allenfalls eine kleine Wissenschaftsgemeinde interessiert haben. Dazu gehören die großen Gefahren, die von winzigen Partikeln in unserer Umgebungsluft ausgehen können. Aerosole sind ein potentielles Gesundheitsrisiko und die flüssigen oder festen Inhaltsstoffe in dem Luftgemisch können Krankheitserreger enthalten.
Durch die Presse gingen im vergangenen Jahr zum Beispiel mehrere Fälle von sogenannten „Superspreader“-Ereignissen in Chören, wo jeweils eine einzige infizierte Person viele andere Menschen ansteckte (aerzteblatt, 2020). Dabei war die Dauer der Zusammenkünfte häufig relativ kurz. Sogar die Säle, in denen die entsprechenden Gesangsproben stattfanden, waren alles andere als klein. Nicht zu vergleichen jedenfalls mit der Enge vieler Operationsräume, in denen die Gefahr noch verstärkt wird durch das Arbeitsgeschehen. Denn die Menschen operieren einander zugewandt auf engstem Raum und häufig stundenlang.
Aerosole im OP
Aerosole können aber eine Vielzahl weiterer Bestandteile enthalten, die potenziell gesundheitsgefährdend sind und für die es häufig keinen Impfschutz gibt. Ganz besonders gilt das, wenn Menschen diesen Substanzen über längere Zeit ausgesetzt sind. Bei Operationen entstehen solche gefährlichen Luftgemische vor allem, wenn Gewebe erhitzt wird. Das passiert bei vielen Eingriffen, wenn zum Beispiel Gefäße regelrecht verschweißt werden, damit sie während der Operation nicht in das Operationsgebiet bluten.
Beim Erhitzen des Gewebes steigen Partikel mit der Luft auf wie über einem dampfenden Feuer. Dieses Luftgemisch wird von den Menschen im Operationssaal eingeatmet. Es enthält Rußpartikel, Zellreste und unter Umständen auch Viren. Je nach der Substanz, der Intensität und der Dauer, die ein Mensch solchen Stoffen ausgesetzt ist, können unterschiedliche Erkrankungen ausgelöst werden. Rauchpartikel, die beim Erhitzen von Gefäßen während der Operation freigesetzt werden, können zum Beispiel Lungen, Augen, Nase und Kehle reizen und zu akuten und chronischen Entzündungen führen und sogar Krebs verursachen (ESNO, 2021).
Patienten tragen dabei das geringere Risiko, solange es sich um einen einmaligen Eingriff von kurzer Dauer handelt. Viel größer ist die Gefahr für diejenigen, welche dieselben Operationstechniken täglich immer wieder durchführen und über Stunden und regelmäßig derartige Luftgemische einatmen.
Nachholbedarf bei Ursachenforschung
Dass im Falle der Freisetzung von potenziell gesundheitsgefährdenden Substanzen nicht in jedem Fall der Gesundheitsschutz zum Zuge kommt, erscheint auf den ersten Blick unverständlich. Tatsächlich ist aber der Nachweis, dass ganz bestimmte Substanzen klar definierte Erkrankungen nach sich ziehen, wissenschaftlich nur sehr aufwändig zu erbringen. Es überrascht daher kaum, dass entsprechende Studien fehlen und insbesondere Langzeitfolgen nur spärlich untersucht sind.
Zwar erscheint es logisch, dass Erreger, die über Aerosole in die Atemwege gelangen, ein Krankheitsrisiko darstellen. Aber ohne valide Ursache-Wirkungs-Nachweise laufen Arbeitsschutzbemühungen ins Leere. Dennoch sind die bisher vorliegenden wissenschaftlichen Hinweise ernst zu nehmen, auch wenn die Datenlage noch dünn ist (Michaelis et al., 2020).
Lösungsansätze: Mensch und Technik
Es ist zu hoffen, dass die gegenwärtige Pandemie, bei der in Teilen dieselben Mechanismen wirken, zu einem Aufmerksamkeitsschub für die Erforschung weiterer gesundheitsgefährdender Substanzen und Erreger in Aerosolen führt. Fortschritte in der Forschung mit validen Nachweisen zu den Wirkungs-Zusammenhängen könnten den Arbeitsschutz in dem Bereich verbessern. Die Industrie steht bereit, um mit intelligenten Geräten das technisch Machbare zur Verringerung der Risiken zu leisten. Aber sensorgestützte Abgas-Absauganlagen, die hier eine gute Wirkung erzielen können, haben ihren Preis und gehören nicht zum Standard der Ausrüstungen klassischer OP-Räume.
Auch gesundheitsfördernde Maßnahmen und Arbeitsschutz-Schulungen können einen Beitrag zur Vermeidung von Erkrankungen leisten. Wer fit in den OP geht, trägt weniger Risiko und wer die Gefahren kennt, kann sein Verhalten ein Stück weit anpassen. Entscheidend ist aber auch hier, dass nur die Maßnahmen einen Schutz bieten, die an den Wirkungs-Mechanismen ansetzen. Dazu muss man diese Zusammenhänge valide bestimmt haben.
Um Patient:innen und das Personal besser zu schützen, muss also die Forschung intensiviert werden, um Gefahren durch Operations-Gase genauer zu analysieren. Technische Anlagen können dann zielgerichtet eingesetzt werden, um nicht vermeidbare Erreger besser aufzufangen oder sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Denn eines ist klar: Gezielte Maßnahmen zum Gesundheitsschutz des Pflegepersonals sind immer auch ein aktiver Beitrag, um die Attraktivität des Berufsfelds zu erhöhen und dem drohenden „Pflexit“ entgegenzuwirken.
European Specialist Nurses Organisation and the European Operation Room Nurses Association, ESNO (2021) Hazardous smoke surgical smoke Nurses Information, Education and Communication Guide, S.11 Michaelis, M., Nienhaus, A., Eickmann, U. (2020) Zur Prävention von chirurgischem Rauch im Operationssaal, ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 55 | 07.2020