Neue Norm für Oberflächenrauheit seit 2022
Die geometrische Beschreibung von Bauteilen ist wesentlich, um die Funktion von Baugruppen und Produkten sicherzustellen. Dabei werden die Nenngeometrie und Toleranzen, mit denen die zulässigen Abweichungen begrenzt werden, unterschieden.
Als Makrogeometrie werden die Maße sowie Form- und Lageabweichungen bezeichnet. Die Mikrogeometrie entspricht der Oberflächenbeschaffenheit von Bauteilen und wird üblicherweise nur als Rauheit (gemeint ist damit die 2D-Rauheit an einem Profil) bezeichnet, obwohl noch viele andere Eigenschaften die Oberfläche charakterisieren. Funktionales Verhalten, zum Beispiel Gleiten oder Dichten, ist stark von der Beschaffenheit der Oberfläche abhängig. In geometrischen Produktspezifikationen, zum Beispiel technischen Zeichnungen, wird üblicherweise die Rauheit eingetragen, um zulässige Abweichungen der Oberfläche zu begrenzen.
Oberflächensymbol steht auf jeder Zeichnung
Das Oberflächensymbol hat jeder schon auf einer technischen Zeichnung gesehen, der mit technischen Zeichnungen in Kontakt kommt. Neben dem Symbol bestehend aus einem Dreieck verlängert mit einem Querstrich, sind eine Kenngröße und ein Toleranzwert die üblichen Angaben, wobei schätzungsweise 80 Prozent der Eintragungen in der Industrie mit den Kenngrößen Ra und Rz erfolgen. Das bedeutet nicht zwingend, dass die Oberflächen damit vollständig und eindeutig beschrieben sind, da sich die Kenngrößen nur auf die Höhe des damit in Verbindung stehenden Rauheitsprofils beziehen und eine Mittelung der Höhenwerte erfolgt. Das wird sich auch mit der neuen Rauheitsnorm nicht ändern. Aber es gibt eine große Anzahl weiterer Kenngrößen, die in Betracht gezogen werden können, um die Eigenschaften der Oberflächen eindeutiger zu beschreiben.
Zusammenführung und Anpassung bestehender Normen
Die bisherigen Normen wurden bereits vor 20 oder mehr Jahren veröffentlicht und mussten an den aktuellen Stand der Normung im Bereich der Geometrischen Produktspezifikation angepasst werden. Dieser Überarbeitungsprozess wurde gleichzeitig genutzt, um die verschiedenen Normen, zum Beispiel DIN EN ISO 1302, DIN EN ISO 4287 und DIN EN ISO 4288, zu einer neuen Normenreihe DIN EN ISO 21920 zusammenzufassen.
Zur Abgrenzung der bisherigen zu den neuen Festlegungen wurde als offensichtlicher Unterschied das Symbol mit einer Linie über dem Dreieck ergänzt. Zusätzlich sind zum Beispiel eine Veränderung der standardmäßigen Akzeptanzregel von 16 Prozent auf Max-Regel, Neuerungen zur Bezeichnung der Filter und Längen am Profil, Berechnung von Kenngrößen und neue zusätzliche Kenngrößen integriert.
Was bedeutet das für die Industrie?
Die Neuerungen in der Normenreihe DIN EN ISO 21920 führen auf Grund der Änderungen teilweise zu anderen Ergebnissen für die Oberflächenbewertung, selbst wenn Ra und Rz spezifiziert sind. Für die Auswertung der Kenngröße Rz ist beispielsweise eine neue Berechnung der Spitzen und Täler in der Abschnittlänge (bisher als Einzelmessstrecke bezeichnet) zu berücksichtigen. Das kann dazu führen, dass es in einer Abschnittlänge keinen Rp– oder Rv-Wert gibt, aus dem sich der Rz-Wert zusammensetzt. Damit kann sich der aus üblicherweise fünf Rz-Werten gemittelte Wert gegenüber dem bisherigen Rz-Wert verändern.
Kritisch ist zudem der gleitende (undatierte) Verweis zwischen der alten und der neuen Norm. Die Verwendung des alten Oberflächensymbols (ohne zusätzliche Linie über dem Dreieck) ruft eigentlich die DIN EN ISO 1302 auf. Diese wurde aber mit der DIN EN ISO 21920-1 ersetzt. Ohne die Eintragung der DIN EN ISO 1302 in Verbindung mit dem Datum der Norm, zum Beispiel DIN EN ISO 1302:2002, wird automatisch auf die neue Norm verwiesen. Zur Vermeidung von Diskussionen zwischen Kunden und Lieferanten, aber auch internen Produktfreigaben, ist eine Auseinandersetzung mit den Neuerungen in den Normen unumgänglich.
Über die Autorin:
Prof. Dr.-Ing. habil. Sophie Gröger leitet seit 2015 die Professur Fertigungsmesstechnik an der Technischen Universität Chemnitz. Darüber hinaus arbeitet sie im DIN-Normenausschuss Technische Grundlagen (NATG), NA 152-03 Arbeitsausschuss CEN/ISO Geometrische Produktspezifikation und -prüfung mit und unterstützt Unternehmen bei der Einführung und Anwendung der ISO GPS-Normen.