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Lean Management ist mehr als Aufräumen – die Bedeutung und Prinzipien

Lean Management, Logistik, Lager

Lean Management hat in den letzten Jahrzehnten einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt und ist zu einem integralen Bestandteil zahlreicher Unternehmensstrategien geworden. Doch oft wird Lean Management fälschlicherweise auf die schlichte Organisation und Sauberkeit am Arbeitsplatz reduziert. In Wahrheit ist Lean weit mehr als nur das.

Lean Management ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Steigerung der Effizienz und Wertschöpfung in Unternehmen. Es geht dabei nicht nur um die Reduzierung von Verschwendung und die Schaffung von Ordnung am Arbeitsplatz, sondern um eine tiefgreifende Transformation der Unternehmenskultur und -prozesse.

Die Lean Prinzipien: Grundlagen einer schlanken Organisation

Die Prinzipien des Lean Management bilden das Fundament für eine effektive Umsetzung. Die Kernprinzipien lauten:

  1. Wertschöpfung aus Sicht des Kunden:
    Das Hauptaugenmerk liegt darauf, den Wert aus Sicht des Kunden zu definieren und alle Aktivitäten darauf auszurichten, diesen Wert zu maximieren und Verschwendung zu minimieren.
  2. Identifikation und Eliminierung von Verschwendung:
    Wertstrom identifizieren. Der Ansatz zielt darauf ab, alle Arten von Verschwendung zu erkennen und zu beseitigen, sei es in Form von Überproduktion, Wartezeiten, unnötigen Bewegungen, Lagerbeständen oder Fehlern.
  3. Schaffung von Fluss:
    Die reibungslose Durchführung von Prozessen wird durch die Schaffung eines kontinuierlichen Flusses von Materialien, Informationen und Aktivitäten angestrebt, um Verzögerungen und Engpässe zu minimieren.
  4. Pull-Prinzip:
    Die Produktion wird durch die tatsächliche Nachfrage gesteuert, wodurch Überproduktion vermieden und eine Just-in-Time-Produktion ermöglicht wird.
  5. Streben nach Perfektion:
    Lean Management ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, bei dem ständig nach Möglichkeiten gesucht wird, Prozesse effizienter zu gestalten und die Qualität zu verbessern.

Sieben Arten der Verschwendung

Die sieben Arten der Verschwendung (Akronym TIMWOOD), auch bekannt als die “7 Muda” im Lean Management, sind grundlegende Kategorien von nicht-wertschöpfenden Aktivitäten oder Ressourcen, die die Effizienz von Prozessen verringern. Diese Konzepte wurden von Taiichi Ohno, einem Pionier des Toyota Production Systems, entwickelt.

Die sieben Arten der Verschwendung lassen sie wie folgt beschreiben:

  1. Überflüssige Transporte (Transportation):
    Überflüssige Transporte beziehen sich auf unnötige Bewegungen von Materialien oder Produkten innerhalb eines Produktionsprozesses oder zwischen verschiedenen Standorten. Dies kann zu zusätzlichen Kosten, Zeitverlusten und Beschädigungen führen.
  2. Bestände (Inventory):
    Bestände entstehen, wenn mehr Materialien oder Produkte vorhanden sind als unmittelbar benötigt werden. Dies führt zu erhöhten Lagerkosten, versteckten Qualitätsproblemen und einem erhöhten Risiko für Überproduktion und Verschwendung.
  3. Bewegung (Motion):
    Verschwendung tritt auf, wenn Mitarbeitende unnötige Bewegungen ausführen, um eine Aufgabe abzuschließen, zum Beispiel längere Laufwege, unergonomische Arbeitsplatzgestaltung oder unnötige Auspack- oder Umräumvorgänge. Dies kann zu Ermüdung, Verletzungen und einer Verringerung der Effizienz führen.
  4. Wartezeiten (Waiting):
    Wartezeiten entstehen, wenn Produkte oder Mitarbeitende auf den Beginn einer nächsten Aktivität warten müssen. Dies kann durch ineffiziente Prozesse, unzureichende Ressourcenauslastung oder Engpässe in der Produktion verursacht werden.
  5. Überproduktion (Overproduction):
    Überproduktion tritt auf, wenn mehr produziert wird, als tatsächlich benötigt wird. Dies führt zu unnötigen Lagerbeständen, erhöhten Lagerkosten und verdeckt oft andere Probleme in der Produktion, wie Engpässe und Qualitätsprobleme. Zudem sind Überproduktionen die Ursache für zwei bereits genannte Lean Verschwendungsarten, nämlich Transport und Bestände.
  6. Überbearbeitung (Overprocessing):
    Overprocessing oder auch overengineering bezieht sich auf unnötige oder übermäßige Arbeitsschritte oder Aktivitäten, die über die Anforderungen des Kunden hinausgehen oder keinen zusätzlichen Wert für das Endprodukt oder die Dienstleistung bieten. Dies führt zu einer ineffizienten Nutzung von Ressourcen und erhöhten Kosten, ohne einen entsprechenden Nutzen zu erzielen.
  7. Defekte (Defects):
    Defekte oder Ausschuss bezieht sich auf fehlerhafte Produkte oder Dienstleistungen, die nicht den Qualitätsstandards entsprechen und daher nachgearbeitet oder aussortiert werden müssen.

Ergänzend wird häufig noch das ungenutzte Talent beziehungsweise die ungenutzte Kreativität der Mitarbeiter sowie das Ungleichgewicht („Mura“) und die Überbeanspruchung („Muri“) aufgenommen. Diese beiden Begriffen lassen sich wie folgt beschreiben:

Begriffsdefinition Muri 
Muri bezeichnet Überlastung oder Überbeanspruchung. Es tritt auf, wenn Mitarbeiter, Maschinen oder Prozesse über ihre Kapazitätsgrenzen hinaus belastet werden. Dies kann zu übermäßiger Anstrengung, Erschöpfung, Qualitätsproblemen und ineffizienten Abläufen führen. Beispiele für Muri sind übermäßige Arbeitsbelastung für Mitarbeiter, unzureichende Kapazität von Maschinen oder unnötig komplexe Arbeitsabläufe.
Begriffsdefinition Mura
Mura bezeichnet Ungleichgewicht oder Unausgeglichenheit. Es tritt auf, wenn es Unregelmäßigkeiten oder Schwankungen in einem Prozess gibt, die zu Instabilität und Ineffizienz führen. Dies kann zu Engpässen, Wartezeiten, Überproduktion oder unvorhersehbaren Ergebnissen führen. Beispiele für Mura sind ungleichmäßige Arbeitsbelastung, unregelmäßige Produktionsplanung oder unvorhersehbare Schwankungen in der Nachfrage.

 

In einem Lean-Produktionssystem strebt man danach, Muri und Mura zu reduzieren oder zu beseitigen, um einen gleichmäßigen, stabilen und effizienten Produktionsfluss zu erreichen. Durch die Eliminierung von Muri und Mura kann die Produktivität gesteigert, die Qualität verbessert und die Verschwendung reduziert werden.

Die sieben Verschwendungsarten werden besonders interessant, wenn man sie genauer analysiert und dabei möglicherweise feststellt, dass eine Verschwendung nur durch eine andere vermieden werden kann. Dadurch entwickeln sich die sieben Muda, insbesondere im Zusammenspiel mit Mura und Muri, zu einem umfassenden Denkmodell, das bei der Gestaltung von Organisationen, der Prozessoptimierung und der Digitalisierung äußerst nützlich ist.

Grundlegende Philosophie für mehr Wettbewerbsfähigkeit

Die Prinzipien des Lean, wenn sie konsequent angewendet werden, führen zu einer schlanken Organisation, die in der Lage ist, sich schnell an Veränderungen anzupassen, Verschwendung zu minimieren und höchste Qualität zu liefern. Es ist eine Philosophie, die die gesamte Organisation durchdringt und einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil schafft.

In der heutigen schnelllebigen Geschäftswelt ist es entscheidend, dass Unternehmen über die traditionellen Grenzen des Lean Managements hinausblicken und die tieferen Prinzipien verstehen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern. Lean Management zielt auf eine grundlegende Veränderung der Art und Weise ab, wie Unternehmen betrieben werden.

Mehr Prozesseffizienz durch Lean-Management-Methoden

Lean Management-Methoden können im Qualitätsmanagement dazu beitragen, Prozesse effizienter zu gestalten, indem sie Verschwendung reduzieren, kontinuierliche Verbesserungen fördern und eine stärkere Kundenorientierung ermöglichen. Hier sind einige Beispiele aus der Praxis:

Identifizierung und Eliminierung von Verschwendung:

Lean-Methoden wie Value Stream Mapping helfen dabei, den Fluss von Materialien und Informationen durch den gesamten Produktions- oder Dienstleistungsprozess zu visualisieren. Durch die Analyse dieses Flusses können Unternehmen nicht wertschöpfende Aktivitäten identifizieren und eliminieren, die die Qualität beeinträchtigen könnten.

Kontinuierliche Verbesserung:

Durch die Einführung von Methoden wie Kaizen-Veranstaltungen oder PDCA-Zyklen (Plan-Do-Check-Act) können Organisationen kontinuierlich nach Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Qualitätsprozesse suchen. Zum Beispiel könnte ein Unternehmen regelmäßige Kaizen-Veranstaltungen durchführen, um potenzielle Qualitätsprobleme zu identifizieren und zu lösen, bevor sie sich auf die Endprodukte auswirken.

Kundenorientierung:

Durch die Anwendung von Methoden wie Kundenfeedback-Analysen oder Voice of Customer (VOC)-Studien können Unternehmen ein besseres Verständnis für die Anforderungen ihrer Kunden entwickeln und sicherstellen, dass ihre Qualitätsprozesse diese Anforderungen erfüllen. Zum Beispiel könnte ein Unternehmen VOC-Studien verwenden, um direktes Feedback von Kunden über die Qualität seiner Produkte oder Dienstleistungen zu erhalten und Verbesserungen vorzunehmen, um ihre Zufriedenheit zu steigern.

Just-in-Time-Produktion:

Durch die Implementierung von Just-in-Time-Prinzipien können Unternehmen die Effizienz ihrer Produktionsprozesse steigern und gleichzeitig die Qualität verbessern. Indem Materialien und Ressourcen nur dann bereitgestellt werden, wenn sie benötigt werden, können Unternehmen Überproduktion und Lagerbestände reduzieren, die die Qualität beeinträchtigen könnten. Zum Beispiel könnte ein Unternehmen Kanban-Systeme verwenden, um den Materialfluss zu steuern und sicherzustellen, dass Materialien nur dann nachgeliefert werden, wenn sie tatsächlich benötigt werden.

 

Auch wenn der Ursprung aus dem produzierenden Umfeld stammt, ist die die Anwendung von Lean Management auch bei Dienstleistungen problemlos möglich:
Ein Callcenter analysiert beispielsweise gezielt Kundenfeedback, um die wichtigsten Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden zu identifizieren. Dabei stellt sich heraus, dass die Kunden vor allem schnelle und präzise Antworten auf ihre Fragen erwarten und keinen Wechsel der Ansprechpersonen wünschen.

Durch die Anwendung von Lean-Tools wie Value Stream Mapping wird der Kundenserviceprozess visualisiert, von der Annahme des Anrufs bis zur Lösung des Kundenproblems. Dabei werden nicht-wertschöpfende Aktivitäten wie unnötige Übertragungen zwischen Abteilungen oder wiederholte Dateneingaben identifiziert und beseitigt.

 

Über den Autor:
Oliver Schneider studierte Ernährungswissenschaften (M.Sc.) in Gießen und war danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektassistent tätig. Seit 2015 ist er als Produktmanager bei der DGQ und verantwortet aktuell das Weiterbildungsportfolio zum Thema Qualitätsmanagement und Lean Six Sigma. Seine Qualifizierungen zum Qualitätsmanager und Lean Six Sigma Green Belt helfen ihm bei der Weiterentwicklung und Beratung seiner Themenbereiche.

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