Interview: Qualität und Nachhaltigkeit
Dr. Wilhelm Floer ist Mitglied im Qualitätsleiterkreis sowie im Fachkreis QM/Organisationsentwicklung der DGQ. Als Leiter QM Audit bei Vorwerk Elektrowerke GmbH & Co. KG gewinnt für ihn das Thema Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung. Gemeinsam mit seinen Kollegen Thomas Hajduk, Nachhaltigkeitsbeauftragter, und Dr. Axel Bilsing, Programmmanager, erläutert er im Interview, welchen Stellenwert dieses Thema bei seinem Arbeitgeber genießt und welche Anknüpfungspunkte zum Qualitätsmanagement bestehen.
Herr Hajduk, für Sie als Nachhaltigkeitsbeauftragten von Vorwerk: Warum ist Nachhaltigkeit eines der Zukunftsthemen, um das man sich kümmern muss?
Hajduk: Aus ökonomischer Sicht heißt nachhaltiges Wirtschaften langfristig orientiertes Wirtschaften. Das bedeutet, dass sich Unternehmen schon heute intensiv mit konkreten Nachhaltigkeitsthemen wie dem Klimawandel beschäftigen, um auch in 5, 10 oder 20 Jahren wettbewerbsfähig zu bleiben. Und ganz grundsätzlich wollen wir natürlich jungen und künftigen Generationen eine lebenswerte Welt überlassen – dafür ist „enkelgerechtes Handeln“ eine notwendige Voraussetzung.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei den Kundenanforderungen? Worin sehen Sie den Zusammenhang von Qualität und Nachhaltigkeit?
Hajduk: Vorwerk stellt Premium-Produkte für Konsumenten her. Kunden haben entsprechend hohe Erwartungen an unsere Produkte. Neben klassischen Qualitätsmerkmalen wie Funktionalität und Design gehören hierzu auch „Nachhaltigkeitsmerkmale“ wie Energieeffizienz, Haltbarkeit und Reparierbarkeit. In diesem Sinne ist Nachhaltigkeit Bestandteil eines erweiterten Qualitätsversprechens.
Was fasziniert Sie an dem Thema „Nachhaltigkeit“?
Hajduk: Nachhaltigkeit ist mittlerweile ein zeitloser Klassiker, der nie langweilig wird, weil immer neue Themen dazukommen. Aktuell ist beispielsweise viel von „Klimaneutralität“, „Sorgfaltspflichten“ oder „ethischer KI“ die Rede – Themen, über die vor 10 Jahren kaum jemand sprach. Denn Nachhaltigkeit ist am Ende kein Zielzustand, sondern ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess.
Berufsbild Nachhaltigkeitsmanager Die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz gehören zu den Megatrends unserer Zeit. Für Unternehmen wird es somit immer wichtiger, CSR-Maßnahmen umzusetzen und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Mit dem größeren Fokus auf Nachhaltigkeit haben sich in den letzten Jahren eine Vielzahl an grünen Jobs entwickelt, wie beispielsweise der Job als Nachhaltigkeitsmanager. Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Nachhaltigkeitsmanager:
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Herr Floer, inwiefern ist Nachhaltigkeit auch ein Thema für das Qualitätsmanagement bzw. die QM-Verantwortlichen?
Floer: Nachhaltigkeit ist sehr vielschichtig. Klassischerweise werden darunter ökonomische, ökologische und soziale Aspekte verstanden. Nachhaltigkeit war und ist ein wichtiges Thema für das Qualitätsmanagement und wird es auch zukünftig sein. Nachhaltige Lösungen streben die QM-Verantwortlichen bei Qualitätsproblemen an. In der Produktentwicklung und Qualitätsvorausplanung geht es darum, nachhaltig Nutzen zu schaffen und beispielsweise die Langlebigkeit von Produkten sicherzustellen.
Welchen Beitrag kann QM zur Nachhaltigkeit leisten? Wo sehen Sie Anknüpfungspunkte?
Floer: Die gesellschaftliche und politische Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit nimmt zu. Unsere Stakeholder interessieren sich immer mehr für Nachhaltigkeit. Managementsysteme müssen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen und Chancen sowie Risiken abwägen. Dies kann auf vielen unterschiedlichen Wegen geschehen und bietet viele Anknüpfungspunkte im Managementsystem und in der Organisation.
Welchen Nutzen hat eine Beschäftigung mit Nachhaltigkeit für das Qualitätsmanagement?
Floer: Nachhaltigkeit kann dazu beitragen den Reifegrad des Qualitätsmanagements einer Organisation zu erhöhen. Nicht ohne Grund ist Nachhaltiger Nutzen auch ein Kriterium im EFQM Modell.
Sehen Sie das QM eher als Schnittstelle zum Nachhaltigkeitsmanagement oder sollte das Thema „Nachhaltigkeit“ im QM angesiedelt sein?
Floer: Integrierte QM-/UM-/EM-Systeme bieten sicherlich eine gute Möglichkeit, das Thema Nachhaltigkeit sowohl zu implementieren als auch zu adaptieren. Die Gefahr einer Überfrachtung des QM-Systems ist jedoch nicht zu unterschätzen. Die EU-Kommission hat Anfang des Jahres einen Vorschlag zur Änderung der CSR-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive) vorgelegt. Demnach sind in Deutschland künftig mehrere tausend Unternehmen verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht in ihren Lagebericht zu integrieren. Die geplanten Änderungen betreffen das Berichtsjahr 2023. Der Aufwand für ein erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement bindet sehr viele Ressourcen. Jede Organisation muss hierfür eine individuelle, effektive und effiziente Lösung erarbeiten. Es gibt keine allgemeingültige Patentlösung.
Wie muss sich das QM anpassen, um das Thema „Nachhaltigkeit“ ausreichend berücksichtigen zu können?
Floer: Ganzheitliche Betrachtung ist für das QM sicherlich nichts Neues und QM kann beim Aufbau und der Umsetzung von Nachhaltigkeit sehr gut unterstützen. Insbesondere bei der prozessualen Gestaltung der Abläufe. CO2 wird zukünftig eine wichtige Kennzahl zur Prozesssteuerung sein.
Herr Bilsing, Sie sind Programmmanager bei Vorwerk. Welche Schwerpunkte setzt Ihr Unternehmen beim Thema „Nachhaltigkeit“?
Bilsing: Wir haben eine Klimastrategie entwickelt. Dabei setzen wir auf ein kontinuierliches Tracking, die Reduzierung der CO2 Emissionen und eine Lebenszyklusbetrachtung. Nachhaltigkeitsaspekte werden bei Vorwerk im Produktentwicklungsprozess mit dem Ziel verankert, eine Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Dies umfasst unter anderem Recycling, Reparierbarkeit, Zweitverwendung, Langlebigkeit, Energieeffizienz.
Was sind die größten Herausforderungen? Was sind die größten Erfolgsfaktoren?
Bilsing: Komplexität und Kompliziertheit bilden bei diesem Thema die größten Herausforderungen. Viele Daten, viele verschiedene Modelle und die wachsenden regulatorischen Anforderungen treiben die Komplexität. Kompliziertheit entsteht vor allem durch neue Fragestellungen, zahlreiche Schnittstellen und übergreifende Aufgaben.
Der CO2-Fußabdruck ist die Basis für den Erfolg unserer Arbeit. Darauf aufbauend lassen sich alle weiteren Schritte mit Experten-Unterstützung planen. Spannend ist die Frage, wie wir ausgehend vom initial mit Emissionsfaktoren ermittelten CO2-Fußabdruck unsere Fortschritte nachverfolgen und messbar machen können.
Herr, Floer, was sind die größten Learnings? Welchen Rat können Sie anderen QMlern geben, die sich auch mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ beschäftigen?
Floer: Man darf die Eigendynamik des Themas nicht unterschätzen. Die Bedeutung des Themas kann sich schlagartig ändern. Darum ist es sinnvoll, sich frühzeitig mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Nachhaltigkeit wird zunehmend von den Kollegen und Kolleginnen als Herzensangelegenheit betrachtet und hat daher das Potenzial, zum Begeisterungsfaktor zu werden, insbesondere, wenn man konkrete Hilfestellungen zu nachhaltigerem Verhalten geben kann.
Sie gehören einem Qualitätsleiterkreis der DGQ an, der sich dem Thema „Nachhaltigkeit“ widmet. Was ist die Zielsetzung?
Floer: Wir möchten unsere Erfahrungen zum Thema Nachhaltigkeit aus der Praxis mit Kolleginnen und Kollegen sowie interessierten Personen teilen. Damit widmen wir uns Aspekten wie Lieferkettengesetz, CO2-Fußabdruck, Nachhaltigkeitsbericht oder Klimastrategie.
Den Nachhaltigkeitsbericht für Managementansätze und Kennzahlen im Bereich Nachhaltigkeit von Vorwerk finden Sie hier: www.vorwerk.de/nachhaltigkeit
Der nächste Nachhaltigkeitsbericht wird im Herbst 2021 auf der Website von Vorwerk erscheinen.