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Active Assisted Living (AAL) – Perspektiven und Ziele beim Einsatz von digitalen Assistenzsystemen

Teilhabe, Selbstbestimmung, Selbstständigkeit – digital vernetzte Assistenzsysteme eröffnen durch ihre Verknüpfung von Technik und Dienstleistung für viele Menschen neue Möglichkeiten, die weit über den Hilfe- und Pflegebedarf in der Alten- und Behindertenhilfe hinausgehen. Zwar haben sich digitale Assistenzsysteme insbesondere in der Medizin und der ambulanten Pflege entwickelt, sie bieten aber Chancen für das gesamte Gesundheitswesen.

In der Pflege zeigt sich, welche Potenziale die Systeme haben. Besonders deutlich wird dies in der Corona-Krise. Denn die ohnehin angespannte Personalsituation verschärft den Pflegenotstand und darüber hinaus erhöht persönlicher Kontakt das Ansteckungsrisiko. In beiden Bereichen könnte intelligente Technik für Entlastung sorgen.

Wie können Assistenzsysteme also helfen?

Um diese Frage zu beantworten, ist es sinnvoll, Assistenzsysteme aufgrund der Vielzahl an Produkten zu klassifizieren und dabei die Perspektive der Nutzer und Anwender einzunehmen. Ein wichtiges Kriterium ist die Aktivierung und der Erhalt von Kompetenzen, die ein gesundes Leben ermöglichen. Dafür bietet der Bereich „Active Assisted Living“ (AAL, auch „Ambient Assisted Living“) eine hilfreiche Gliederung, die sich an den Kundenbedürfnissen orientiert.

Vier Dimensionen von Assistenzsystemen

Assistenzsysteme lassen sich vier Kategorien zuordnen, das sind „Pflege und Gesundheit“, „Soziale Teilhabe“, „Sicherheit“ und „Komfort“. Die Grenzen zwischen den Kategorien sind fließend, wie zum  Beispiel beim Hausnotruf. Der ist originär dem Bereich „Sicherheit“ zuzuordnen. Aber in der Praxis dient er vielen alleinlebenden Menschen auch zum gelegentlichen Austausch und erfüllt damit eine soziale Funktion.

Pflege und Gesundheit

In diesen Bereich fallen Technologien wie Telemedizin und TeleCare. So können beispielsweise Vitalwerte kontaktlos an den Arzt übermittelt und dort ausgewertet werden. Auch sensorgestützte Systeme, die im Pflegeprozess beispielsweise bei der Kontinenz-Versorgung oder der Vorbeugung von Stürzen helfen, gehören hierzu.

Soziale Teilhabe

Menschen haben ein natürliches Bedürfnis nach Kontakten. Videogestützte Systeme bieten die Möglichkeit, am sozialen Leben teilzunehmen. Dieser Bedarf ist besonders hoch, wenn körperliche Einschränkungen vorliegen, große Entfernungen zu überwinden sind oder wie im Falle der Corona-Krise die physischen Kontakte ein hohes Risiko darstellen können.

Sicherheit

Hierzu zählen Notrufdienste. Im Notfall wird per Knopfdruck oder mittels Sensorik ein Alarm ausgelöst, der in einer Notrufzentrale eingeht. Dort sind Gesundheitsdaten hinterlegt, die eine individuelle Hilfeleistung ermöglichen.

Komfort

Diesem Bereich sind Produkte und Dienste zuzuordnen, die Bedürfnisse abdecken, welche über lebenswichtige Funktionen hinaus gehen. Dazu zählen Apps und Gadgets wie Schrittzähler und Ernährungs- bzw. allgemeine Gesundheits-Apps und auch SmartHome-Anwendungen.

Zielsetzung bei der Nutzung von Assistenzsystemen

Die Möglichkeiten, die sich durch den gezielten Einsatz von digital vernetzter Technik ergeben, sind verheißungsvoll. Auch in der Pflege könnten solche Systeme im Zuge der Corona-Krise einen Schub erhalten.

Assistenzsysteme haben neben den oben genannten Aspekten auch das Potenzial, bei vielen Routine-Aufgaben zu unterstützen und das Personal zu entlasten. Bei der Dokumentation der Pflege- und Therapieprozesse mittels elektronischer Datenverarbeitung wird dies beispielsweise längst praktiziert. Somit lassen sich personelle Ressourcen freisetzen und an anderer Stelle sinnvoller einsetzen.

Auch die oftmals körperlich fordernde Pflegetätigkeit kann durch Technik gezielt unterstützt werden. Assistenzsysteme, wie zum Beispiel Exoskelette, können beim Heben oder der Mobilisierung von Menschen den Kraftaufwand verringern.

In der Diagnostik und der Therapie ergeben sich darüber hinaus Möglichkeiten, wenn Sensoren Daten liefern und damit ärztliches oder pflegerisches Handeln unterstützen.

Der Einsatz von Assistenzsystemen kann also zur Effizienzsteigerung, zur Verbesserung der Qualität in der Leistungserbringung führen und das Sicherheitsgefühl erhöhen. Vielfach wird auch eine Komfortsteigerung erreicht, was insgesamt die Lebensqualität verbessert.

Einsatz von Assistenzsystemen in der Pflege steht vor großen Hürden

Trotz aller Vorteile: Der großflächige und regelmäßige Einsatz solcher Systeme steht vor allem in der Pflege noch vor großen Hürden. Eine Ausnahme macht lediglich die Softwarenutzung zur Dokumentation und Leistungsabrechnung.

Zwar mangelt es nicht an Initiativen zum Einsatz von Assistenzsystemen in der Pflege. Es gibt jedoch Hindernisse, die derzeit einen flächendeckenden Einsatz erschweren. Hierzu gehören u. a. gesetzliche und damit finanzielle Hürden, unzureichende Wirksamkeitsnachweise, überholte Denkmodelle und auch Vorurteile bei den Pflegekräften. Nicht zuletzt die fehlende Berücksichtigung digitaler Kompetenzen in den Curricula der Pflegeausbildung führt dazu, dass ein selbstverständlicher Umgang mit Assistenzsystemen nicht schnell zu erwarten ist.

Die Überwindung dieser Hürden könnte hingegen einen Emanzipations-Schub für die Profession Pflege bedeuten. Voraussetzung ist, dass Pflegekräfte die Kompetenzen erwerben, genau die Assistenzsysteme zu schaffen, die dem Pflegeprozess dienen. Diese Bedingungen sind zurzeit nicht erfüllt. Mit der Technisierung und Digitalisierung könnte hingegen auch die Attraktivität des Berufsfeldes gefördert werden. Denn Erschaffung, Anwendung und Nutzung dieser Systeme macht   eigenständiges pflegefachliches Know-how erforderlich.

Die Erfüllung dieser Voraussetzungen bietet Chancen für gute Pflege. Das käme vor allem den pflegebedürftigen Menschen und den Patienten zugute.

 

 

 

 

 

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