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Lässt sich Pflegequalität messen?

Wer nach einer geeigneten Pflegeeinrichtung sucht, möchte sich ein realistisches Bild von der Qualität der Einrichtung und der dortigen Versorgung machen. Dass die Informationen über die Pflegequalität der Wirklichkeit entsprechen, will auch der Gesetzgeber. Dabei soll „hochwertige Pflege“ nicht nur wünschenswert, sondern sogar der Maßstab der Qualitätsdarstellung sein (BMG, 2020).

Fiktive Qualität versus Realität

In der Langzeitpflege konnte man dennoch das Phänomen der „fiktiven Qualität“ erleben. Flächendeckend erhielten Einrichtung, die sich auf die Anforderungen eingestellt hatten, Bestnoten nach dem System des sogenannten Pflege-TÜVs. Hinzu kam, dass die Kriterien nicht einheitlich Pflegephänomene abbildeten. Daher war auch die Validität der Ergebnisse nicht gesichert und die Prüfergebnisse stimmten somit nicht mit dem Anspruch überein, gute Pflege abzubilden (Pflege-SHV, 2015).

Um einen methodisch und fachlich gesicherten und fairen Qualitätsvergleich mit realistischen Qualitätsaussagen zu erhalten, wurde Ende 2019 das Modell der Pflegeindikatoren eingeführt (Wingenfeld et al., 2018). Diese Indikatoren geben an, zu welchen Ergebnissen pflegerisches Handeln führt und wo diese im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt liegen.

Auch für die Einrichtungen selbst gibt es hierbei eine wesentliche Änderung: Die Erhebung von Indikatoren wird stärker mit dem internen Qualitätsmanagement verzahnt. Die Prüfung der Ergebnisqualität (der tatsächliche Bewohnerzustand) gewinnt an Bedeutung gegenüber der Prüfung der Prozessdokumentation. Die Plausibilität der von den Pflegeeinrichtungen selbst erhobenen Daten wird zusätzlich durch eine externe Qualitätsprüfung kontrolliert.

Welche Qualitätsindikatoren in der Pflege gibt es?

Die Qualitätsindikatoren sind eine Bestandsaufnahme der Ergebnisse des pflegerischen Handelns in den Einrichtungen. Dazu gehören zum Beispiel der Grad der Selbstständigkeit der Heimbewohner, Sturzfolgen oder der Einsatz freiheitsentziehender Maßnahmen in besonderen Bedarfslagen.

Es handelt sich um zehn Indikatoren, die wiederum drei Qualitätsbereichen zugeordnet sind und als Kennzahlen dargestellt werden. Ein Indikator ist dabei immer eine Verhältniszahl. Wie eine Einrichtung in den Qualitätsbereichen im Vergleich mit anderen Einrichtungen abschneidet, lässt sich anhand der Einstufung nach Referenz-und Schwellenwerten erkennen.

Qualitätsbereich 1: Erhalt und Förderung von Selbständigkeit

  1. Erhaltene Mobilität
  2. Erhaltene Selbstständigkeit bei Alltagsverrichtungen
  3. Erhaltene Selbständigkeit bei der Gestaltung des Lebensalltags

Qualitätsbereich 2: Schutz vor gesundheitlichen Schädigungen und Belastungen

  1. Dekubitusentstehung
  2. Schwerwiegende Sturzfolgen
  3. Unbeabsichtigter Gewichtsverlust

Qualitätsbereich 3: Unterstützung bei spezifischen Bedarfslagen

  1. Durchführung eines Integrationsgesprächs
  2. Anwendung von Gurten
  3. Anwendung von Bettseitenteilen
  4. Aktualität der Schmerzeinschätzung

Der Qualitätsbericht – wirklich hilfreich?

Die in den Einrichtungen erhobenen Daten werden an eine dafür geschaffene Auswertungsstelle gemeldet und dort mit extern erhobenen Prüfergebnissen in öffentlich zugänglichen Qualitätsberichten zusammenführt. Da diesen eine gewisse Komplexität und Wissenschaftlichkeit anhaftet, gab es mittlerweile Kritik von Verbrauchervertretern. Der Grund: Für Laien sind die Hintergründe der Ergebnisdarstellung nur schwer zu durchdringen. Darüber hinaus wird bemängelt, dass Leistungsempfänger bei der Errichtung des Indikatorenmodells nicht genügend einbezogen wurden (BIVA, 2019).

In der Tat besteht das Modell aus Kriterien, die ausschließlich der quantitativen Messbarkeit zugänglich sind. Hingegen wäre die Messbarkeit (sowie Skalierbarkeit und Validierung) von subjektiven Kriterien zwar eine Herausforderung. Aber gerade solche Merkmale können zu einem umfassenderen Bild der Einrichtungsqualität beitragen und Menschen bei der Suche nach einer Pflegeeinrichtung sehr wichtige Hinweise liefern. Insbesondere die gegenwärtige Corona-Krise macht deutlich, dass Aspekte wie Beziehungsgestaltung, soziale Netzwerke und Teilhabe wichtige Bausteine der individuellen Lebensqualität bilden.

In 2020 wurde das Qualitätssicherungsverfahren bereits einmal aufgrund der Corona-Pandemie vorübergehend ausgesetzt. In 2021 wird es aus demselben Grund keine verpflichtende Datenerhebung geben und es ist daher erst ab Ende 2022 mit der Veröffentlichung der ersten Ergebnisse zu rechnen (aqua, 2021). Frühestens dann wird sich zeigen, ob das neue Verfahren dem Anspruch gerecht wird, pflegebedürftigen Menschen den Weg zu guter Pflege zu weisen.


Als zentrale deutsche Qualitätsgesellschaft besetzt die DGQ, neben ihren fachlichen Schwerpunkten Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung, auch gesellschaftsrelevante Themen, die einen Qualitätsbezug aufweisen. Sie definiert dabei „Qualität in der Pflege“ als eines ihrer Fokusthemen.