17. April 2020
Konsequenzen der aktuellen Corona-Pandemie für Akkreditierung und Zertifizierung
Aktuelle Hinweise für Zertifizierungsstellen und zertifizierte Organisationen
Auch die Zertifizierungs- und Akkreditierungslandschaft ist von der aktuellen Situation intensiv betroffen. Derzeit werden regelmäßig neue Regeln und Interpretationen erstellt, um flexibel reagieren zu können. Es ist bislang nicht vollständig und eindeutig geregelt, welche Maßnahmen und Aktivitäten als temporärer Ersatz für die bisherige Praxis geeignet und zulässig sind. Alle Akteure arbeiten intensiv an Lösungen – aber Risiken verbleiben sowohl auf Seiten der Konformitätsbewertungsstellen als auch der zertifizierten Organisationen.
Von Seiten der Verbände und Vereine, die Einfluss auf oder Mitwirkungsmöglichkeiten an Regelermittlungen haben, werden Informationen zusammengetragen und z.T. veröffentlicht. Hier sind neben der DGQ u.a. der Verband der akkreditierten Zertifizierungsstellen VAZ e.V. zu nennen und seitens der Verbände der VDMA, der für seine Mitglieder aktuelle Informationen bereitstellt, die in diesem Artikel z.T. integriert sind.
Seitens der nationalen und internationalen Akkreditierungsstellen sind die Änderungen über die jeweiligen Internetauftritte nachvollziehbar. In Deutschland gibt es bei der DAkkS nunmehr eine CORONAVIRUS-Seite – diese enthält auch Links zu IAF, ILAC und EA. Für Zertifizierungsstellen von besonderem Interesse ist die IAF FAQ Seite.
Nachfolgend sind ausgewählte Informationen nach bestem Wissen (Stand 17.04.2020) zusammengestellt, die Ihnen helfen können, sich ein Bild über eine mögliche Relevanz für Ihre Organisation und aktuelle Regeländerungen zu machen. Diese erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei konkreten Fragen wenden Sie sich bitte direkt an die zuständige Stelle, um eine verbindliche Klärung zu erzielen.
Auswirkungen auf die Akkreditierung von Zertifizierungsstellen und Laboren
Für die DAkkS hat weiterhin die Aufrechterhaltung ihrer hoheitlichen Aufgabe sowie der Schutz von Mitarbeitern, Begutachtern und Kunden gleichermaßen oberste Priorität. Sie ersetzt alle in Deutschland geplanten Begutachtungen innerhalb Deutschlands durch alternative Begutachtungsverfahren oder verschiebt diese wo es möglich ist (Auswirkungen der Corona Krise auf die Akkreditierung). Grundlage hierfür sind die IAF-Vorschriften für Remote Audits nach IAF MD 4 und die Sonderregelungen nach dem IAF ID 3:2011. Sollte, aus welchem Grund auch immer, keine Begutachtung durchgeführt werden können, so kann der Begutachtungstermin bis zu 90 Tage verschoben werden.
Die DAkkS hat einen Leitfaden veröffentlicht, wie Fernbegutachtungen (Remote Audits) von ihr durchgeführt werden und welche Regeln dafür gelten. Hierin ist auch enthalten, welche technischen Voraussetzungen gegeben sein müssen und welche Software zum Einsatz kommt.
Auswirkungen auf die Zertifizierung von Managementsystemen
Die DAkkS empfiehlt den Konformitätsbewertungsstellen (KBS) eine Risikobewertung in Bezug auf ihre eigene Situation und auf die ihrer Kunden, die von der Pandemie betroffen sind, durchzuführen und die Möglichkeit von Remote Audits zu prüfen. Derzeit ist das Bild bei den KBS unterschiedlich. Je nach Risikoeinschätzung werden derzeit u.a. Voraudits oder auch nur noch Remote Audits angeboten. Wenn Sie als zertifizierte Organisation in der Situation sind, dass ein Überwachungsaudit oder Rezertifizierungsaudit ansteht, dann setzen sie sich direkt mit ihrer Zertifizierungsstelle in Verbindung und prüfen die Möglichkeit eines Remote Audits oder einer Verschiebung des Termins. Problematisch wird es, wenn Konformitätsbewertungen nicht ohne Inaugenscheinnahme von Objekten oder Prozessen durchgeführt werden können. Dies kann durch gesetzliche Vorschriften oder die Programmeigner gefordert sein und führt schlussendlich dazu, dass keine Konformitätsbewertung vorgenommen werden kann.
Stellungnahme des International Accreditation Forums (IAF) zu Begutachtungen von Programmen nach ISO/IEC 17021-1:2015 (Managementsystemzertifizierung):
Wenn es nicht möglich ist, Audits durchzuführen (physisch oder gemäß IAF MD4:2018) und wenn die von IAF ID3:2011 empfohlenen Bedingungen erfüllt sind, können alle Zertifizierungsaktivitäten (z.B. Überwachungen, Rezertifizierungen) um bis zu 6 Monate verschoben werden. Die Gültigkeit der Zertifikate kann um einen entsprechenden Zeitraum von bis zu 6 Monaten verlängert werden.
Stellungnahmen spezieller Programmeigner (Stand 15.04.2020):
Automobilindustrie: Die Durchführung von Remote Audits ist von der IATF 16949 derzeit nicht akzeptiert. Sowohl die IATF (CB COMMUNIQUE # 2020-001 REVISION 01) als auch das VDA-QMC (2020-03-17_VDA6x-Guidance Coronavirus) haben die Möglichkeiten geschaffen, die Termine für die Zertifizierungs-, Überwachungs- und Transferaudits unbürokratisch in Absprache mit den Konformitätsbewertungsstellen um zusätzliche 60 Tage zu verschieben. Der VDA hat alle aktuellen Informationen auf einer speziellen Coronavirus Webseite verfügbar gemacht.
Luftfahrtindustrie: Remote Audits können durchgeführt werden. Aus den entsprechenden Aufzeichnungen muss klar hervorgehen, dass es sich um ein Remote Audit handelt. Alle vom Kunden vorgelegten Dokumente sind in den PEAR´s und der QMS Matrix zu referenzieren. Für Bereiche, die nur eingeschränkt auditiert werden können, wie Produktion und Prüflabore, muss beim nächsten Audit die Auditzeit entsprechend erhöht werden.
Medizintechnik: Grundsätzlich sind Remote Audits möglich. In Zusammenarbeit mit der Konformitätsbewertungsstelle muss im Einzelfall geprüft werden, ob dies vor dem Hintergrund der Produkte, des Standorts und der Risikoeinschätzung realisierbar ist.
Auswirkungen auf die Zertifizierung von Personen
Auch für den Bereich der Personenzertifizierung werden die Regeln des IAF MD 4 derzeit angewandt. Schulungen zur Aufrechterhaltung der Zertifikate werden teilweise online angeboten, so auch bei der DGQ. Remote Prüfungen bzw. Prüfungen unter Nutzung elektronischer Medien ohne Präsenz können angeboten werden, sofern die Randbedingungen und Anforderungen der jeweils zugrunde liegenden Zertifizierungsprogramme eingehalten sind. Dies ist im Einzelfall von der jeweiligen Stelle zu prüfen und mit dem Programmeigentümer zu klären.
Zertifizierung von Qualitätsfachpersonal und Auditoren auf Basis des EOQ Zertifizierungsprogramm COS CS 9000:
Seitens der EOQ wurden Interpretationsregeln erlassen, die den Umgang mit Remote Methoden beschreiben: „EOQ CC Interpretation – Use of remote / e-based methods and techniques in training programs and examinations based on requirements of EOQ COS and CS 9000 2019 and related documents /April 2020“. Die Zertifizierungsstellen – hier in Deutschland insbesondere die DGQ – arbeiten an der Umsetzung praktikabler Möglichkeiten.
Im Rahmen der Auditoren Qualifikation hat der VDA in einer Sonderregelung zur Verlängerung der Zertifikate wegen COVID-19 für Zertifikate zu den Standards VDA 6.3 und IATF 16949 1st/2nd party, welche ein Gültigkeitsdatum bis zum 30. Juni 2020 aufweisen, die Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2020 verlängert.
Es ist davon auszugehen, dass weitere Regeln von Stellen und Programminhabern zum Umgang mit der Corona Situation erstellt bzw. wieder geändert werden – hier ist Agilität, ein gewisser Mut zu risikobasierten Entscheidungen und regelmäßige Prüfung auf neue Informationen das Gebot der Stunde.
Wir wünschen allen betroffenen Organisationen und handelnden Personen einen erfolgreichen Umgang mit der Situation und dass Sie die Krise nicht nur überstehen, sondern hoffentlich auch gestärkt daraus hervorgehen.
Bleiben Sie gesund!
Autor: Thomas Votsmeier, Leiter Normung / Internationale Kooperationen, DGQ e.V.