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Automatisierte Oberflächeninspektion dank industrieller Bildverarbeitung – welche Möglichkeiten gibt es?

Ein feiner Riss, eine abgebrochene Ecke, eine verfärbte Stelle – und es winkt die kostspielige Reklamation. Oberflächen sind der erste Kontaktpunkt zwischen einem Produkt und einem Kunden. Bereits kleinste Makel stören das Gesamtbild und beeinträchtigen die Kundenzufriedenheit. Neben ästhetischen Aspekten wirken sich viele Fehler auf die Funktionalität eines Produktes aus und reduzieren dessen Lebensdauer. Die Inspektion von Oberflächen bildet daher einen unverzichtbaren Bestandteil der Qualitätsprüfung.

Warum die manuelle Oberflächeninspektion an ihre Grenzen stößt

Oberflächenfehler sind vielfältig. Verschmutzungen und Verfärbungen entstehen oft durch Kontaminationen während der Produktion. Beim Gießen von Kunststoff oder Beton führen Verdichtungsfehler zu Lunkern im Material. Kratzer entstehen durch Reibung mit Schmutzpartikeln, während Risse unter anderem durch Spannungskonzentrationen oder hohe Temperaturen auftreten.

Automatisierte Risserkennung auf Beton Automatisierte Risserkennung auf Beton
Abb. 1: Automatisierte Risserkennung auf Beton (© IDS Imaging Development Systems GmbH) Abb. 2: Automatisierte Risserkennung auf Beton (© IDS Imaging Development Systems GmbH)

 

Unterschiedliche Werkstoffe bringen zusätzliche Herausforderungen mit sich. Spiegelnde Materialien wie Metalle, Lack und Glas erzeugen je nach Lichteinfall unterschiedliche Reflexionen, die Oberflächenfehler leicht tarnen. Gekrümmte Objekte erschweren es, alle Winkel zuverlässig zu inspizieren.

Weitere Schwierigkeiten sind komplexe oder sehr kleine Fehler, die mit bloßem Auge kaum erkennbar sind. Hohe Stückzahlen pro Tag machen die Oberflächeninspektion zu einer monotonen Tätigkeit, bei der Konzentrationsschwächen auftreten können. All diese Aspekte gestalten eine manuelle Inspektion fehleranfällig.

Bildverarbeitungslösungen machen unsichtbare Fehler sichtbar

Ob hundert oder tausend Teile – eine maschinelle Prüfung führt Oberflächenprüfungen zuverlässig durch und erzielt reproduzierbare Ergebnisse. Dafür werden Industriekameras beispielsweise über Förderbändern installiert. Die Kameras erzeugen hochauflösende Bilder der Objekte, die im Anschluss von einer Bildverarbeitungssoftware analysiert werden. Klassische Bildverarbeitung arbeitet mit vordefinierten Regeln und Algorithmen. Auf dieser Basis untersuchen Kameras Objekte Pixel für Pixel. Die Bildverarbeitungssoftware extrahiert Merkmale aus den Bildern und analysiert, ob sie mit den festgelegten Regeln übereinstimmen. Im Gegensatz zum menschlichen Auge ermöglicht die Bildverarbeitung eine kontinuierliche Überwachung aus verschiedenen Blickwinkeln und erkennt selbst mikroskopisch kleine Abweichungen vom Soll-Zustand.

Noch flexibler dank künstlicher Intelligenz

Viele Bildverarbeitungslösungen nutzen heutzutage künstliche Intelligenz (KI). Diese lernt, ähnlich wie ein Mensch, anhand von Bildern und Merkmalen, wie der gewünschte Zustand der zu prüfenden Objekte aussieht. Nach der Trainingseinheit ist sie in der Lage, unter verschiedenen Bedingungen flexibel zu agieren und eigenständig Rückschlüsse zu ziehen.

Bei unterschiedlichem Lichteinfall nimmt die künstliche Intelligenz beispielsweise automatische Beleuchtungskorrekturen vor und passt sich an neue Reflexionsmuster an. Des Weiteren besitzt ein Bildverarbeitungssystem mit künstlicher Intelligenz Stärken bei der Analyse von organischem Material, das in Form, Farbe und Struktur variiert. Früchte, Pflanzen und Menschen sehen immer unterschiedlich aus, weshalb keine Regeln vorprogrammiert werden können. Eine KI kann hingegen auch verschieden große Eier analysieren oder Gesichter voneinander unterscheiden.

Prüfung des Zustands von Eiern im Karton Anomalieerkennung bei Pflanzen mit der IDS NXT
Abb. 3: Prüfung des Zustands von Eiern im Karton (© IDS Imaging Development Systems GmbH) Abb. 4: Anomalieerkennung bei Pflanzen mit der IDS NXT (© IDS Imaging Development Systems GmbH)

Von der Schweißnahtprüfung bis zur Reifegradbestimmung

Die Arbeitsweise der Bildverarbeitungslösungen kann überall eingesetzt werden, wo optische Qualitätskontrollen notwendig sind. Klassische Branchen und Beispiele sind:

  • Automobilindustrie:
    Lackkontrolle und Bauteilinspektion
  • Bauindustrie:
    Schweißnahtkontrolle, Lunkererkennung in Beton- und Metalloberflächen, Kratzer- und Risserkennung in Fassaden, Fenstern und Türen
  • Kunststoffindustrie:
    Kontrolle von Kunststoffteilen, Qualitätsprüfung von Spritzguss und Gusserzeugnissen
  • Elektroindustrie:
    Defekterkennung an Leiterplatten, elektronischen Bauteilen und Gehäusen
  • Pharmaindustrie:
    Inspektion von Tabletten sowie deren Verpackungen auf Beschädigungen oder Verunreinigungen, Etikettenkontrolle
  • Lebensmittelindustrie:
    Pflanzenkrankheiten erkennen, Reifegradbestimmung von Obst und Gemüse
Reifegradbestimmung von Erdbeeren mit der IDS NXT Kontrolle und Vermessung von Schweißnähten
Abb. 5: Reifegradbestimmung von Erdbeeren mit der IDS NXT (© IDS Imaging Development Systems GmbH) Abb. 6: Kontrolle und Vermessung von Schweißnähten (© IDS Imaging Development Systems GmbH)

 

Viele Industriekamerahersteller bieten heutzutage Bildverarbeitungslösungen für verschiedene Anwendungsfälle an. Des Weiteren hat sich der Marktplatz visionpier etabliert, auf dem sich über 120 Anwendungen befinden. Diese lassen sich in wenigen Schritten anfragen und auf individuelle Herausforderungen anpassen, ohne das eigene Kenntnisse in der industriellen Bildverarbeitung notwendig sind.

Zusammengefasst

Die automatisierte Oberflächeninspektion mithilfe industrieller Bildverarbeitung bietet präzise und zuverlässige Lösungen zur Erkennung selbst kleinster Fehler. Sie löst die Herausforderungen der manuellen Kontrolle und stellt sicher, dass Produkte höchste Qualitätsstandards erfüllen. Je nach Anwendungsfall kommt künstliche Intelligenz zum Einsatz, wodurch Anwendungen noch flexibler auf unterschiedliche Situationen reagieren können. Bildverarbeitungslösungen vereinen Hardware, Software und Integration, wodurch Unternehmen niederschwelligen Zugang zu zukunftsweisenden Technologien erhalten und wertvolle Entwicklungszeit sparen.

 

Über die Autorin:
Jacqueline Krauß arbeitet bei IDS Imaging Development Systems GmbH, einem langjährigen Mitglied der DGQ. IDS ist führender Industriekamerahersteller und Pionier in der industriellen Bildverarbeitung. Das Unternehmen mit Sitz in Obersulm, Baden-Württemberg, entwickelt 2D- und 3D-Kameras sowie Modelle mit künstlicher Intelligenz. Das nahezu unbegrenzte Anwendungsspektrum der Kameras erstreckt sich über verschiedenste nicht-industrielle sowie industrielle Branchen des Geräte , Anlagen- und Maschinenbaus. Mit dem Marktplatz visionpier bietet IDS Zugang zu über 120 Bildverarbeitungslösungen.

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