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FQS-Forschungsprojekt NaBeMi: Nachhaltige Betriebsmittelplanung für die manuelle und hybride Montage

FQS Forschungsprojekt NaBeMi

Nachhaltigkeit gewinnt zunehmend an Bedeutung für produzierende Unternehmen – nicht nur als gesellschaftliches Ziel, sondern auch als strategischer Wettbewerbsfaktor. Insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bestehen jedoch Hemmnisse bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen in der Produktionsplanung. Während ökologische, ökonomische und soziale Aspekte in der Produktentwicklung teilweise berücksichtigt werden, fehlt es in der Betriebsmittelplanung, speziell im Bereich der Montage, häufig an systematischen Ansätzen zur Integration dieser Zielgrößen.

Das über die FQS – Forschungsgemeinschaft Qualität geförderte Forschungsprojekt NaBeMi widmet sich im Rahmen einer zweijährigen Laufzeit der Entwicklung eines digitalen Assistenzsystems, das eine nachhaltigkeitsorientierte Planung von Betriebsmitteln in manuellen und hybriden Montagesystemen ermöglicht. Im Zentrum steht ein ganzheitliches Zielgrößensystem, das klassische Planungsziele wie Zeit, Kosten und Qualität mit den drei Nachhaltigkeitsdimensionen verbindet. Die methodische Grundlage bilden drei miteinander verknüpfte Qualitätsregelkreise zur systematischen Erfassung von Anforderungen, Zielgrößen und möglichen Lösungskonfigurationen (siehe Abb. 1).

Durch die Strukturierung des Planungsprozesses und die Bereitstellung einer IT-gestützten Lösung soll insbesondere KMU der Zugang zu nachhaltiger Betriebsmittelplanung erleichtert und die Planungsqualität langfristig erhöht werden.

Durchführende Forschungseinrichtungen sind das Bremer Institut für Produktion und Logistik (BIBA) sowie das Institut für Fabrikanlagen und Logistik (IFA). Begleitet wird das Projekt von sieben Unternehmen im Projektbegleitenden Ausschuss. Zudem unterstützen die Industrie- und Handelskammer Bremen sowie die Region Hannover das Vorhaben.

Im Interview gibt Dirk Schweers (BIBA) einen Ausblick auf das Projekt und erläutert, wie Unternehmen von den Forschungsergebnissen profitieren können.

Aus welcher Problemstellung heraus ist das Forschungsprojekt entstanden?

Schweers: Bei der Planung neuer beziehungsweise der Umstrukturierung bestehender Betriebsmittel werden die Anforderungen und Ziele in einem Lastenheft gebündelt, um Fremdfirmen mit der Erstellung zu beauftragen. Die Ausgestaltung stützt sich häufig auf bestehende Lösungen, persönliche Erfahrungen oder kurzfristige Wirtschaftlichkeitsaspekte. Die Vielfalt an Anforderungen, die sich aus variierenden Montageaufgaben, Automatisierungsgraden oder organisatorischen Rahmenbedingungen ergeben, werden kaum methodisch erfasst. Die Folge sind für Auftragnehmer schwer verständliche Lastenhefte und erhöhter Kommunikationsaufwand. Für die Auftraggeber entstehen nicht selten suboptimale Investitionen, zum Beispiel durch eingeschränkte Wiederverwendbarkeit von Betriebsmitteln oder verpasste Chancen zur Mitarbeitendenentlastung und Energieeinsparung. Soziale und ökologische Kriterien werden bislang nicht berücksichtigt.

Welches Know-how wird im Rahmen des Forschungsprojekts NaBeMi entwickelt und wie kann es zur Lösung der geschilderten Problemstellung beitragen?

Schweers: Im Projekt NaBeMi wird ein methodisches und technisches Wissen aufgebaut, das auf die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Betriebsmittelplanung ausgerichtet ist. Zentraler Bestandteil ist die Entwicklung eines ganzheitlichen Zielgrößensystems. Neben klassischen Kriterien wird es auch soziale, ökologische und ökonomische Wirkungen systematisch abbilden. Um die vielfältigen Zusammenhänge zwischen diesen Zielgrößen sichtbar zu machen, kommen Wirknetze zum Einsatz. Diese ermöglichen es, Abhängigkeiten, Wechselwirkungen und mögliche Zielkonflikte transparent darzustellen und in der Planung zu berücksichtigen.

Das System wird durch eine mehrstufige Methodik operationalisiert, die in Form digitaler Assistenzfunktionen umgesetzt wird. Dazu gehören die strukturierte Anforderungsanalyse, eine Zielgrößenbewertung unter Einbezug der Wirknetze sowie die Generierung und Bewertung von Lösungskonfigurationen für konkrete Betriebsmittelbedarfe. Ergänzt wird dieses methodische Know-how durch ein webbasiertes Software-Tool, das die Anwendung der entwickelten Methoden in der Praxis erleichtert.

Das entwickelte Wissen befähigt insbesondere KMU, fundierte Entscheidungen auf Basis nachvollziehbarer Kriterien zu treffen – unabhängig von individueller Erfahrung. Die Nutzung von Qualitätsregelkreisen trägt dazu bei, die Planungsgüte zu erhöhen und langfristige Wirkungen bereits in frühen Planungsphasen zu berücksichtigen.

Konzept von NaBeMi

Abb.1: Konzept von NaBeMi: Drei miteinander verknüpfte Qualitätsregelkreise zur systematischen Erfassung von Anforderungen, Zielgrößen und möglichen Lösungskonfigurationen.
(© Institut für Fabrikanlagen und Logistik (IFA), Maik Nuebel)

Wer soll von den Ergebnissen profitieren und welcher konkrete Nutzen ergibt sich für Unternehmen?

Schweers: Das Projekt richtet sich primär an kleine und mittlere Unternehmen mit einem hohen Anteil manueller oder hybrider Montagetätigkeiten. Diese Zielgruppe soll durch die entwickelten Methoden und das digitale Assistenzsystem in die Lage versetzt werden, Betriebsmittel systematisch und unter Berücksichtigung nachhaltiger Kriterien zu planen. Dabei profitieren insbesondere Unternehmen, die bisher wenig methodische Unterstützung oder digitale Werkzeuge in der Planung einsetzen konnten.

Der konkrete Nutzen liegt in einer verbesserten Planungsqualität, die über systematische Zielgrößenabwägung, strukturierte Anforderungsdefinition und transparente Entscheidungsgrundlagen erzielt wird. Unternehmen erhalten ein Tool, mit dem nicht nur klassische wirtschaftliche Zielgrößen, sondern auch ökologische und soziale Wirkungen – etwa Ergonomie, Energieverbrauch oder Wiederverwendbarkeit – in die Entscheidungsfindung einfließen können. Darüber hinaus trägt die Methodik zur Entkopplung der Planung von individueller Erfahrung einzelner Fachkräfte bei und ermöglicht eine nachvollziehbare, dokumentierte Ableitung von Investitionsentscheidungen. Neben Effizienzgewinnen und Ressourceneinsparungen können Unternehmen auch Wettbewerbsvorteile realisieren, etwa bei Ausschreibungen mit Nachhaltigkeitskriterien oder im Hinblick auf Arbeitgeberattraktivität durch mitarbeitendenzentrierte Arbeitsplatzgestaltung.

Ein erstes Meinungsbild aus dem Projektbegleitenden Ausschuss über die Potentiale des Assistenzsystems ist in Abb. 2 zu sehen.

Abb. 2: Potenziale des Assistenzsystems für die nachhaltige Planung von Betriebsmitteln
(© BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik GmbH)

Wie sieht das weitere Vorgehen im Forschungsprojekt aus?

Schweers: Zunächst werden die inhaltlichen Grundlagen der drei Qualitätsregelkreise weiter ausdifferenziert, insbesondere im Hinblick auf funktionale Anforderungen, Zielgrößen und Bewertungsmaßstäbe. Wichtige Impulse hierzu liefern Workshops mit den beteiligten Unternehmen, in denen Anforderungen an Betriebsmittel, relevante Zielgrößen sowie die Gewichtung zentraler Key Performance Indicators (KPIs) diskutiert und abgestimmt werden.

Parallel dazu erfolgt die technische Konzeption des webbasierten Assistenzsystems, welches die entwickelten Methoden für die praktische Anwendung verfügbar macht. In enger Zusammenarbeit mit den Praxispartnern werden die Module des Systems prototypisch umgesetzt und in Anwendungsszenarien getestet. Dabei liegt der Fokus auf der Validierung in realitätsnahen Montagesettings – etwa in der IFA-Lernfabrik oder durch den Projektbegleitenden Ausschuss. Rückmeldungen aus der Praxis fließen systematisch in die Weiterentwicklung ein.

Abschließend erfolgt die vollständige Integration der Einzelkomponenten in das Gesamtsystem sowie eine abschließende Evaluierung hinsichtlich Anwendbarkeit, Nutzbarkeit und Planungsqualität. Ziel ist es, zum Projektende ein praxistaugliches Tool bereitzustellen, das in Unternehmen mit wenigen Anpassungen eingesetzt werden kann – ergänzt um Dokumentationen, Schulungsunterlagen und Handlungsempfehlungen für eine nachhaltigkeitsorientierte Betriebsmittelplanung.

 


Stimmen aus dem Projektbegleitenden Ausschuss:

Dr. Ing. Melvin Isken, Head of IT, cellumation GmbH:

Als junges, innovatives Start-up-Unternehmen aus dem Bereich der Intralogistik sind wir stets daran interessiert, unsere Prozesse nachhaltiger zu gestalten. Die Qualität der Prozesse und Produkte spielt gerade für den Eintritt in neue Märkte eine entscheidende Rolle. Mit unserem Produkt „celluveyor“ stellen wir ein weltweit einzigartiges, hochflexibles, modulares Förder- und Positioniersystem zur Verfügung, welches Unternehmen in einem sich wandelnden Produktionsumfeld die nötige Effizienz und Flexibilität bietet. Die Entwicklung und Montage der einzelnen Module und der Systeme, in denen diese zum Einsatz kommen, geschieht komplett bei uns vor Ort. Im Rahmen von NaBeMi wollen wir unsere Montageprozesse unter sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeitskriterien qualitativ verbessern.

 

Über den Interviewpartner:

Dirk Schweers, Senior Research Associate, BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik GmbH


Über das Forschungsprojekt: 
Das Projekt wird im Rahmen des Programms “Industrielle Gemeinschaftsforschung” durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert (Förderkennzeichen: 01IF23363N; Forschungsvereinigung: FQS – Forschungsgemeinschaft Qualität e.V.)

Weitere Informationen zum Projekt und zu Beteiligungsmöglichkeiten können über die Geschäftsstelle der FQS bezogen werden. Eine Mitarbeit im Projekt ist auch nach Laufzeitbeginn noch möglich.

Über die FQS:
Die FQS – Forschungsgemeinschaft Qualität e. V. (FQS) unterstützt seit 1989 die anwendungsorientierte Forschung rund um das Thema Qualität in Deutschland. Sie versteht sich selbst als Forschungsbereich der Deutschen Gesellschaft für Qualität e. V. (DGQ) und wird von ihr getragen. Die FQS fördert innovative Forschungsideen über das Instrument der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) und des Forschungsnetzwerks CORNET des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Ziele der Förderung sind möglichst anwendungsnahe Forschungsideen, die einen unmittelbaren Nutzen für die Wirtschaft, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), erbringen.

Vorstellung der FQS Forschungsgemeinschaft Qualität e.V. 
Wer ist die FQS Forschungsgemeinschaft Qualität e.V. und was tut sie? Lernen Sie im Video den Forschungsbereich der DGQ kennen und erfahren Sie von Dr. Christian Kellermann-Langhagen, wissenschaftlicher Geschäftsführer der FQS, wie die FQS arbeitet, welche Themen beforscht werden und wie sich Unternehmen in der FQS beteiligen und von den eingesetzten Förderprogrammen profitieren können.

Kontakt:
FQS – Forschungsgemeinschaft Qualität e. V.
August-Schanz-Straße 21A
60433 Frankfurt am Main
infofqs@dgq.de


Fünf Schritte zum CO2-Fußabdruck

Schritte zum CO2-Fußabdruck

Die Kenntnis des CO2-Fußabdrucks ist für alle Unternehmen essenziell. Das gilt unabhängig von den aktuellen Diskussionen um das Ominbus Paket 1 der Europäischen Union sowie der Stop-the-Clock Richtlinie vom 14. April 2025 und den damit in Verbindung stehenden Regelwerken:

  • Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD),
  • European Sustainability Reporting Standards (ESRS),
  • Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD, in Deutschland das
  • Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz LkSG),
  • EU-Taxonomie-Verordnung
  • etc.

Eine andere häufig verwendete Bezeichnung für den CO2-Fußabdruck ist der Corporate Carbon Footprint (CCF) – nicht zu verwechseln mit dem Product Carbon Footprint (PCF). Der CCF beschreibt die direkten und indirekten Gesamtemissionen einer Organisation. Der PCF konzentriert sich auf ein Produkt oder eine Dienstleistung.

Um den anthropogenen, von Menschen gemachten, Klimawandel zu beschreiben, hat sich die Messgröße CO2-Äquivalent (CO2e) etabliert. Dazu wurden verschiedene Treibhausgase (THG), wie zum Beispiel Methan (CH4), Lachgas (N2O) und zahlreiche fluorierte Treibhausgase (F-Gase) über die entsprechende Äquivalentwerte auf das Kohlendioxid (CO2) normiert, um ihren Beitrag zur Erderwärmung zu bestimmen.

Trotz aller zu erwartenden regulatorischen Erleichterungen – Verschiebung der Berichtspflicht, Anhebung der Schwellenwerte, Reduktion der Berichtspflichten und Vereinfachung der Standards – ist für eine ganzheitliche Klimastrategie die Kenntnis des Fußabdrucks wichtig. Kenngrößen wie CO2e / EUR oder EUR / CO2e sind in vielen Organisationen bereits fest verankert.

Die Frage ist, wie ermittelt man den CO2-Fußabdruck seiner Organisation?

Die nachfolgenden fünf Schritte:

  • Management einbeziehen
  • Systemgrenzen festlegen
  • Daten und Informationen aufbereiten
  • Berechnungsmethode festlegen
  • Carbon Footprint ermitteln

liefern eine Antwort auf die Frage.

Beispielhaft wird für ein imaginäres Textilunternehmen exemplarisch die Ermittlung des CO2-Fußabdrucks erläutert. Bewusst wurden in dem Beispiel einige Vereinfachungen vorgenommen, um die Übersichtlichkeit zu wahren und die Komplexität nicht unnötig zu erhöhen. Für eine ausführliche Beschreibung der fünf Schritte wird auf das Fachbuch Nachhaltigkeit und Qualitätsmanagement verwiesen.

Folgende Annahmen wurden für das imaginäre Unternehmen getroffen:
Herr Tuch ist verantwortlich für das Qualitätsmanagement, Umweltmanagement und Energiemanagement in einem Textilunternehmen. Das Unternehmen, Textil-Green, ist nahe der Wupper im Städtedreieck Remscheid-Solingen-Wuppertal ansässig. Das Unternehmen hat sich auf die Herstellung von Tischtüchern spezialisiert.

Immer häufiger fragen externe Stakeholder (zum Beispiel Kunden, NGOs, Versicherungen, etc.) an, wie viel CO2-Emissionen bei der Herstellung eines Tischtuchs entstehen. Das gesellschaftliche Interesse ist ebenso sehr groß. Endkunden wollen wissen, wie groß der CO2-Fußabdruck eines Tischtuchs ist und wie viel Emissionen pro Jahr das Textilunternehmen verantwortet.

Schritt 1: Management einbeziehen

Der Geschäftsführer des Unternehmens spricht Herrn Tuch sein Vertrauen aus und beauftragt ihn mit der Erstellung des CO2-Fußabdrucks für das Unternehmen Textil-Green. Herr Tuch ist als Beauftragter des Integrierten Managementsystems sehr gut innerhalb des Unternehmens vernetzt. Er kennt die Geschäftsprozesse inkl. der Prozessbeschreibungen und er kennt sich mit Kennzahlen aus. Zu Beginn klären die beiden einige grundlegende Fragen.

Nachfolgend eine Auswahl der wichtigsten Fragen:

  • Wer wird in dem Projektteam benötigt (zum Beispiel Kolleg:innen aus dem Bereich Controlling, Produktion, Entwicklung, Logistik, Einkauf)?
  • Stehen die notwendigen Ressourcen zur Verfügung (aufgrund der hohen Priorisierung müssen die Bereiche die Ressourcen zur Verfügung stellen und ggf. Vertretungen organisieren)?
  • Wer ist im Steuerungskreis (das Top-Management stellt den Steuerkreis)?
  • An wen wird, wie oft und in welcher Form wird berichtet (an den Steuerkreis wird einmal im Monat mit Hilfe der etablieren Projektmanagementtools berichtet)?
  • Wie sieht das Eskalationsprozess aus (der Eskalationsprozess aus dem Projektmanagement wird übernommen, die 1. Eskalationsstufe sind das Projektteam und der Projektleiter, die 2. Eskalationsstufe sind die Vorgesetzten, die 3. Eskalationsstufe ist der Steuerkreis?)
  • Die Zielsetzung ist SMART beschrieben. Die Abnahmekriterien für das Projekt sind eindeutig definiert.

Um alle Beschäftigten über das Projekt zu informieren, verfasst der Geschäftsführer eine Information im Internet. Die Ermittlung des CO2-Fußabdrucks stellt er als ersten großen Meilensteine der bevorstehenden nachhaltigen Transformation dar und kündigt eine Nachhaltigkeitsstrategie für das Unternehmens an. Der Geschäftsführer lädt persönlich das Projektteam und alle Interessierten zum Kick-off Gespräch ein und hält im Kick-off Gespräch die Eröffnungsrede. Dabei geht er auf die Zielsetzung des Projekts ein, stellt die strategische Bedeutung des Projekts nochmals heraus und wünscht Herrn Tuch und seinem Projektteam viel Erfolg.

Schritt 2: Systemgrenzen festlegen

Für das erste Treffen im Projektteam hat sich Herr Tuch vorgenommen, die zeitlichen, operativen und organisatorischen Systemgrenzen zu klären. Die zeitliche Systemgrenze hatte Herr Tuch bereits mit dem Geschäftsführer abgestimmt. Der CO2-Fußabdruck soll für das vergangene Geschäftsjahr 2024, vom 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2024, bestimmt werden. Das Jahr 2024 soll auch als Referenzjahr für die zukünftigen Berechnungen und Vergleiche dienen. Als operative Systemgrenzen legt das Projektteam fest, dass die Scope-1-, -2- und -3-Emissionen berücksichtigt werden. In Abb. 1 sind die Scope-1-, -2- und -3-Emissionen dargestellt.

Erläuterung der Scope-1-, -2-, -3-Emissionen

Abb. 1: Erläuterung der Scope-1-, -2-, -3-Emissionen, ©Wilhelm Floer

Bei den Scope-3-Emissionen wird zwischen vor- und nachgelagerten Emissionen unterschieden. Diese Emissionen sind in 15 Kategorien eingeteilt. Die ersten acht Kategorien stehen für Emissionen in der vorgelagerten, die letzten sieben Kategorien für die Emissionen der nachgelagerten Wertschöpfungskette.

Die organisatorischen Systemgrenzen sind schnell ermittelt, da Textil-Green nur einen Standort hat. Bei mehreren Standorten hätte man entscheiden müssen ob alle Standorte zu Beginn berücksichtigt werden oder unter Umständen auch iterativ vorzugehen ist.

Schritt 3: Daten und Informationen aufbereiten

Die Datenherkunft und Datenqualität ist für die Aufbereitung der Daten und Informationen von hoher Bedeutung.

Für die Scope-1- und -2-Emissionen kann das Projektteam auf Primärdaten zugreifen. Diese „low hanging fruits” stehen Hr. Tuch durch das Energiemanagementsystem auf Knopfdruck zur Verfügung: Um die kontinuierliche Verbesserung der energetischen Leistung des Energiemanagementsystems zu dokumentieren, hat Herr Tuch den Gas- und Stromverbrauch der vergangenen Jahre festgehalten. Die Verbrauchswerte hat der Energieversorger mit der Jahresabrechnung bereitgestellt. Auf der Abrechnung sind auch die Verbrauchswerte in CO2-Emissionen umgerechnet aufgeführt. Somit entfällt das Bestimmen der Emissionsfaktoren und das Ausrechnen der Emissionen für den Gas- und Stromverbrauch.

Laut der Jahresabschlussrechnung liegen die Emissionen für den Gasverbrauch bei 18.139 kg CO2e für Scope 1 und für den Stromverbrauch bei 7.965 kg CO2e für Scope 2.

Den kompletten Fuhrpark hat das Unternehmen 2023 auf Elektroantrieb umgestellt. Dadurch fallen für Scope 1 keine weiteren Emissionen an.

In Summe ergeben sich damit für Scope 1 und 2 ca. 26.000 kg CO2e oder 26 t CO2e.

Die Scope-3-Emissionen müssen häufig mit Hilfe von Sekundärdaten abgeschätzt werden, da keine Verbrauchsdaten vorliegen. Ein erstes Screening kann hierbei sehr hilfreich sein, um herauszufinden, welche der Scope-3-Kategorien die größten THG-Emissionen verursacht.

Bzgl. der Datenqualität und Informationsaufbereitung gelten die Grundsätze der finanziellen Rechnungslegung:

  • Relevanz: der Treibhausgasemissionen
  • Konsistenz: hinsichtlich der Berechnungsmethode und Vergleichbarkeit
  • Genauigkeit: mit Verweis auf zuverlässige Informationsquellen
  • Transparenz: bezüglich der dokumentierten Informationen, Annahmen und Schätzungen
  • Vollständigkeit: Ausnahmen werden dokumentiert

Welche der 15 Kategorien für Textil-Green relevant sind, legt das Projektteam zusammen fest. Das Ergebnis der Bewertung und die Erläuterung der 15 Kategorien ist der Checkliste in Abb. 2 zu entnehmen.

Checkliste Treibhausgasemissionen Scope1, 2, 3

Abb. 2: Checkliste Treibhausgasemissionen Scope1, 2, 3, © Wilhelm Floer

Das Projektteam ist zu der Erkenntnis gekommen, dass die nachgelagerte Wert-schöpfungskette vernachlässigt werden kann. Für die vorgelagerte Wertschöpfungskette sind die Kategorien 3.1 und 3.4 relevant.

Schritt 4: Berechnungsmethode festlegen

Vorweg: Einen rechtlich verbindlichen Standard für die Berechnung des CO2 -Fußabdrucks gibt es nicht. Zur Erstellung einer CO2-Bilanzierung haben sich jedoch die folgenden drei Regelwerke etabliert:

Die drei Standards sind hier sehr detailliert erläutert und gegenübergestellt. Die am häufigsten verwendete Methode ist die Berechnung nach dem Greenhouse Gas Protokoll (GHG). Für die Berechnung der Treibhausgasemissionen werden Emissionsfaktoren benötigt. Diese findet man häufig auch im Internet. Nachstehend sind einige kostenlose Datenbanken für Emissionsfaktoren aufgeführt:

  1. Defra: Emissionsumrechnungsfaktoren, die von britischen und internationalen Organisationen verwendet werden
  2. GHG: Diverse Listen von Emissionsfaktoren
  3. IEA: Internationale Energieagentur, Indikatoren in Bezug auf Emissionen aus der Strom- und Wärmeerzeugung
  4. IZU: EXCEL-Template zu Berechnung der Scope 1und Scope 2 Emissionen, (Emissionsfaktoren sind hinterlegt)
  5. IPCC: umfangreiche Emissionsfaktoren des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)
  6. UBA: Sehr viele und umfangreiche Informationen über und Publikationen zu Emissionsfaktoren
  7. BAFA: Infoblatt zu den CO2-Faktoren der Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft – Zuschuss

Sind die notwendigen Emissionsfaktoren bekannt, ist die Berechnung der CO2 Emissionen trivial. Die Aktivitätsdaten müssen dazu nur mit dem zugehörigen Emissionsfaktor multipliziert werden und als Ergebnis erhält man die Emissionslast in CO2e, wie nachfolgendes Beispiel zeigt:

Aktivitätsdaten x Emissionsfaktor = CO2e Emissionen
Stromverbrauch x CO2e Emissionsfaktor = CO2e Emissionen [kg pro Jahr]
1.000.000 kWh pro Jahr x 0,363kg CO2e/kWh = 363.000kg CO2e pro Jahr

Hier wurde der Emissionsfaktor gemäß deutschem Strommix für das Jahr 2024 angesetzt.

Herr Tuch und das Projektteam erfahren große Unterstützung durch ihre Lieferanten. Die Lieferanten notieren schon seit einiger Zeit die für die Herstellung ihrer Produkte anfallenden CO2-Emissionen auf den Lieferscheinen. Damit erleichtert sich die Situation um ein Vielfaches. Somit müssen nur alle Lieferscheine für 2024 gesichtet und die Emissionen addiert werden. Für die Herstellung der eingekauften Waren nach Scope 3 Kategorie 3.1 ergeben sich somit 75.364 kg CO2e Emissionen.

Um die Scope-3-Kategorie 3.4 für den Transport der eingekauften Waren zu ermitteln, müssen die Transportwege und Transportmittel analysiert werden. Die eingekauften Waren werden von Asien per Schiff nach Rotterdam transportiert. Von dort geht es dann weiter mit einem LKW zu Textil-Green.

In Summe wurden 1.690 l Diesel für den Transportweg eingesetzt, was 4512 kg CO2e THG entspricht.

Schritt 5: Carbon Footprint ermitteln

Sobald für alle Aktivitäten die CO2 Emissionen nach Scope 1, 2 und 3 vorliegen, kann durch Aufsummieren der CO2-Fußabdruck für die Organisation ermittelt werden.

In nachfolgender Tabelle sind die THG-Emissionen für Scope 1, 2 und 3 sowie die Summe der Emissionen für Textil-Green für das Jahr 2024 zusammengefasst:

Scope CO2e Emissionen [kg]
Scope 1 und 2 26.104
Scope 3, Kat. 3.1 75.364
Scope 3, Kat 3.4 4.512
Summe 105.980

Für die Herstellung von 50.000 m² Tischtuchware ergibt sich somit ein CO2-Fußabdruck von 105.980 kg CO₂e, gerundet 106 t CO₂e. Pro Tischtuch mit einer Fläche von 1 m² und einem angenommenen Gewicht von ca. 100 g entstehen also 2,1 kg CO₂e.

An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass sich für Textilunternehmen in der Praxis gänzlich andere Werte ergeben können.

In Abb. 3 ist der CO2-Fußabdruck und die Verteilung der Scope 1, 2, 3 Emissionen grafisch dargestellt. Es wird deutlich, dass die THG-Emissionen der Kategorie 3.1 mit ca. 71 Prozent am größten sind. Lediglich 25 Prozent der Emissionen sind Scope 1 und 2 zuzuschreiben.

CO2-Fußabdruck und die Verteilung der Scope1, 2, 3, Emissionen

Abb. 3: CO2-Fußabdruck und die Verteilung der Scope1, 2, 3, Emissionen, ©Wilhelm Floer

Zusammenfassung und Ausblick

Anhand eines imaginären Textilunternehmens wurde eine strukturierte Vorgehensweise zur Ermittlung des CO2-Fußabdrucks vorgestellt. Die eingangs genannten fünf Schritte haben sich mehrfach bewährt:

  1. das Management einbeziehen: Das Management stellt Ressourcen und Geld zur Verfügung und unterstreicht die Wichtigkeit des Themas.
  2. Systemgrenzen festlegen: Was will ich untersuchen, was nicht? Betrifft Standorte, Organisationseinheiten, Scope 1, 2 und/oder 3 etc.
  3. Daten und Informationen aufbereiten: Welche „low hanging fruits“ haben wir, zum Beispiel internes System, Energie- und Umweltmanagement? Was brauchen wir noch?
  4. Berechnungsmethode festlegen: GHG oder ISO 14064 oder PAS2060? (Kostenlose Software für Emissionsfaktoren verwenden).
  5. Carbon Footprint ermitteln: Emissionen für Scope 1, 2 und 3 summieren und darstellen, siehe Abb. 3.

Wie geht es danach weiter?

Ist der CO2-Fußabdruck bekannt, geht es darum eine Klimastrategie zu entwickeln und kontinuierlich die Emissionen im Fokus zu halten. Die Faustregel für die nächsten Schritte lautet:

  1. vermeiden
  2. reduzieren
  3. kompensieren

Bezogen auf Textil-Green würde das bedeuten, zunächst über Vermeidungsmaßnahmen nachzudenken. Hierzu gehört zum Beispiel der Einsatz regenerativer Energiequellen (zum Beispiel Sonnen- und Windenergie).

Um den Energieverbrauch und somit auch die THG-Emissionen zu reduzieren, bieten sich neue, hocheffiziente Technologien an, beispielsweise durch die Investition in eine neue Heizung, Umrüstung auf energetisch effiziente Maschinen und Anlagen oder den Austausch von ineffizienten Antrieben. Durch den Einsatz von recyceltem Garn könnte Textil-Green bei der Herstellung und Veredelung Emissionen reduzieren. Ebenso könnte sich durch die Bündelung der Lieferantentransporte der Kraftstoffverbrauch reduzieren.

Für die verbleibenden unvermeidbaren CO2-Emissionen könnten im letzten Schritt Kompensationsprojekte herangezogen werden. Hierfür müsste Textil-Green Emissions-Zertifikate erwerben.

Das Umweltbundesamt sieht die CO2-Kompensationen unter folgenden Bedingungen als sinnvoll an:

  • Gleichen Sie unvermeidbare Treibhausgasemissionen nach Möglichkeit durch freiwillige Kompensationszahlungen aus.
  • Achten Sie bei Kompensationszahlungen auf die Qualität von Anbieter und Angebot (Goldstandard).
  • Beachten Sie: „Klimaneutrale“ sind nicht automatisch auch umweltfreundliche Produkte.
  • Geben Sie der Vermeidung von Treibhausgasemissionen Vorrang vor deren Kompensation.

Warum sind „Qualitäter“ und Managementsystemverantwortliche gefordert?

Für einige Unternehmen ist schon jetzt das Nachhaltigkeitsmanagement das neue Qualitätsmanagement. Nachhaltigkeit ist Pflicht und Wettbewerbsvorteil zugleich und eine große Chance für Qualitätsmanager und Managementsystemverantwortliche. Organisationen müssen schneller auf neue Anforderungen in einem disruptiven Umfeld reagieren und gleichzeitig ihre Resilienz erhöhen. Hierbei können QMler und Managementsystemverantwortliche einige ihrer grund- und disziplinspezifischen Kompetenzen einbringen, wie zum Beispiel:

  • sehr gute Vernetzung innerhalb der Organisation,
  • ausgezeichnete Kenntnisse über Normen und Gesetze,
  • hohes Prozessverständnis,
  • umfangreiche Stakeholder- und Risikomanagementerfahrungen,
  • umfassende Kommunikation mit extenen Stakeholdern,
  • charakteristische Fähigkeiten zur Organisationsentwicklung,
  • ausgeprägte Affinität zu Kennzahlen
  • signifikantes Methoden- und Fachwissen

Wie groß ist der CO2-Fußabdruck Ihrer Organisation?

Der obenstehende Leitfaden, wenn auch sehr vereinfacht an einem imaginären Beispiel aus der Textilindustrie dargestellt, soll Orientierung geben und als Roadmap dienen, um den Fußabdruck in der eigenen Organisation zu ermitteln. Setzen Sie sich mit Geschäftsführung und Kolleg:innen zusammen. Gestalten Sie die nachhaltige Transformation proaktiv mit und warten Sie nicht, bis Stakeholder (zum Beispiel Kunden, Banken, Versicherer, etc.) danach fragen oder gesetzliche Vorgaben greifen. Extremwetterereignisse führen uns regelmäßig die Folgen des Klimawandels vor Augen. Die Hauptursache des anthropogenen Klimawandels ist der Ausstoß der Treibhausgase.

Bei Fragen können Sie Sich gerne an die Community des DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit wenden.

 

Die im Beitrag dargestellten Inhalte basieren auf der Erarbeitung einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Wilhelm Floer, Greta Hansen, Joachim Heißner und Christian Tigmann, aus dem DGQ-Fachkreis Nachhaltigkeit.

 

Über den Fachkreis Nachhaltigkeit:
Der Fachkreis Nachhaltigkeit bietet eine entscheidende Plattform, über die wir Wissen teilen, gemeinsam lernen und Umsetzungsbeispiele für die Praxis erarbeiten und bereitstellen. Wir wollen damit einen Gestaltungsspielraum für engagierte Personen aus Organisationen bieten, die sich ihrer unternehmerischen Verantwortung gegenüber der Umwelt und der Gesellschaft, aber auch der eigenen Organisation bewusst sind. Dies gilt für die Gegenwart und die Zukunft. Somit vereinen wir Managementsysteme und Nachhaltigkeitsbestrebungen.

Über den Autor:
Dr. Wilhelm Floer hat als promovierter Maschinenbauingenieur und Qualitätsmanagement-Experte zahlreiche praktische Erfahrungen im Bereich QM, QS und Audits gesammelt. Er war über zehn Jahre im Bereich Automotive in den unterschiedlichsten Positionen bei verschiedenen Unternehmen (OEM und First Tier) tätig. Bei einem namhaften Haushaltsgerätehersteller hat er sich unter anderem für agiles QM und als Energie- und Umweltmanagementvertreter für Nachhaltigkeitsthemen eingesetzt sowie als Co-Autor bei der Erstellung der Nachhaltigkeitsberichte mitgewirkt. Als Dozent für die DGQ leitet er verschiedene Trainings und führt im Namen der DGQ-Beratungsprojekte durch. Er ist Gründungsmitglied und Mitglied des Leitungsteams des DGQ Fachkreis Nachhaltigkeit.

Wer managt die Nachhaltigkeit? – Neue Themen, neue Zuständigkeiten

Nachhaltigkeitsmanagement, Zuständigkeiten, Meeting

In Unternehmen ist Nachhaltigkeit ein Thema, das Können und Zeit erfordert, Kompetenz und Ressource. Wachsende Verpflichtungen auf Basis neuer gesetzlicher Anforderungen und auch wachsende Einsicht in die Notwendigkeit der Zukunftssicherung begründen neue Funktionen: Nachhaltigkeitsmanager, -berater und -experten. Sie stellen aber vor allem kleine und mittelständische Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen.

Welche neuen Rollen zeichnen sich ab, wie richten Unternehmen die Funktionen ein, welche Zuständigkeiten kristallisieren sich heraus? Wird das Thema Nachhaltigkeit eigens adressiert oder mit anderen, wie dem Qualitätsmanagement kombiniert? Die DGQ geht diesen Fragen nach und stützt sich dabei auf Recherchen, Diskussionen in ihrem Netzwerk sowie eine eigens durchgeführte, nicht repräsentative Kurzumfrage mit 100 Teilnehmenden.

Im Vergleich zum Qualitätsmanagement, das in vielen Unternehmen schon lange eingerichtet und mit eigenem Personal ausgestattet ist, sind Stellen für das Nachhaltigkeitsmanagement in weniger Unternehmen und erst seit einigen Jahren geschaffen worden, zumeist innerhalb der vergangenen fünf Jahre. 13 Prozent der Unternehmen in der DGQ-Kurzumfrage planen die Einrichtung einer Stelle für Nachhaltigkeit, 27 Prozent haben und planen zurzeit keine, siehe Abb. 1. Doch das kann sich ändern, wenn externer Druck und interne Notwendigkeit weiter anwachsen.

Vorhandensein der Funktionen Qualitätsmanagement und Nachhaltigkeitsmanagement

Abb. 1: Vorhandensein der Funktionen Qualitätsmanagement und Nachhaltigkeitsmanagement

Budget bei den Großen …

Je größer das Unternehmen, desto länger und zahlreicher sind neue Berufsbilder bereits im Einsatz, desto eher ist für Nachhaltigkeit ein eigener Bereich aufgebaut worden. Und gerade in den großen Unternehmen genießt die Nachhaltigkeit zurzeit große Aufmerksamkeit und direkte Anbindung an Vorstände und Geschäftsführungen. Das ist verständlich, ist deren gesetzliche Verpflichtung und persönliche Verantwortung doch besonders umfangreich und weitreichend und der Blick der globalen Öffentlichkeit auf ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten und vor allem auch -unterlassungen fokussiert. Die Nachhaltigkeitsbereiche der Konzerne erfahren zurzeit eine Bedeutung, Wertschätzung und Budgetierung, auf die andere Stabs- und Expertenfunktionen durchaus sehnsüchtig und nicht selten ein wenig neidisch blicken.

Pragmatismus bei den Kleinen …

Im Mittelstand, vor allem in den zahlreichen kleinen Unternehmen, zeigt sich ein anderes Bild. Einige Unternehmen schlagen die recht neue Funktion Nachhaltigkeitsmanagement sehr pragmatisch einer bereits vorhandenen Stelle zu. Ein naheliegender Kandidat ist das Qualitätsmanagement, siehe Abb. 2.

Einzel- oder Doppelfunktion

Abb. 2: Einzel- oder Doppelfunktion

Zum einen herrscht gerade ein Engpass an Expertinnen und Experten für Nachhaltigkeit und die großen Unternehmen sowie Unternehmensberatungen grasen den ohnehin dünn besetzten Bewerbermarkt ab. Zum anderen schlägt der Aufbau dieser Personalressourcen umso stärker zu Buche, je kleiner das Unternehmen ist.

Kleine Unternehmen, insbesondere produzierende, haben zumeist eine Beauftragte oder einen Beauftragten für Qualitätsmanagement und bitten diese pragmatisch, das Thema Nachhaltigkeit mitzuverarbeiten. Dieser Impuls ist umso stärker, wenn Leitungen Nachhaltigkeit vor allem mit formaler Anforderungserfüllung und Berichtspflichten verbinden. Dann gibt es ausgeprägte Verwandtschaften zum und Synergien mit dem Qualitätsmanagement.

Dennoch erzeugt dieses „Job Enrichment“, diese Aufgabenanreicherung, zusätzliche Aufwände, ohne dass mehr Ressource verfügbar wäre. Sie verlangt von den Qualitätsbeauftragten, sich neue Kompetenzen anzueignen, was für sie den Initialaufwand für die Übernahme des Nachhaltigkeitsmanagements noch deutlich erhöht. So sind in der Praxis einzelne Qualitätsmanagerinnen und -manager nicht glücklich über den Themenzuwachs. Andere begrüßen, dass das Unternehmen hier aktiver wird, und haben durchaus selbst auch Motivation und Interesse, das Nachhaltigkeitsmanagement auszubauen oder weiterzuentwickeln.

Berufsbild Nachhaltigkeitsmanager

Die Themen Nachhaltigkeit und Klima­schutz gehören zu den Mega­trends unserer Zeit. Für Unter­nehmen wird es somit immer wichtiger, CSR-Maßnahmen um­zu­setzen und ihrer gesell­schaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Mit dem größeren Fokus auf Nachhaltigkeit haben sich in den letzten Jahren eine Vielzahl an grünen Jobs entwickelt, wie beispielsweise der Job als Nachhaltigkeitsmanager.
Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Nachhaltigkeitsmanager:

  • Welche Aufgaben betreuen Nachhaltigkeitsmanager?
  • Wie werde ich Nach­haltigkeits­beauf­tragter?
  • Welche Weiter­bildungs­möglich­keiten gibt es?
  • Was verdient ein Nach­haltigkeits­manager?
  • Welche Jobs gibt es im Nach­haltigkeits­manage­ment?

Zum Berufsbild Nachhhaltigkeitsmanager »

Risiken der Trennung und Chancen der Integration

Je größer ein Unternehmen, desto stimmiger ist eine Spezialisierung und damit einhergehende Differenzierung von Stabs- und Expertenbereichen. Doch ob organisatorisch getrennt oder nicht: Zusammenarbeit ist ein Schlüssel zur Wirksamkeit. Oder andersherum, fehlende Kooperation schafft Widersprüchlichkeiten, Dysfunktionalitäten, Verschwendung, Konflikte sowie die dadurch entstehenden zum Teil enormen Kosten und sie beschädigt die Effektivität sowie die Akzeptanz im Unternehmen.

Und wenn es schon eigene und unabhängige Funktionen und Bereiche für Nachhaltigkeit gibt und diese zumindest temporär hochrangig angebunden, exzellent ausgestattet und weitreichend befugt werden, ist es dennoch notwendig, sie zur Kooperation und Integration zu verpflichten. Besonders wichtig sind Kooperation und Integration auf Prozessebene, auf Managementsystemebene sowie bei Anforderungsmanagement, Wirkungsmessung und Reporting. Eine gute Integration bietet die Chancen einer effizienten Themenbearbeitung sowie auch der höheren Mitarbeitendenbeteiligung und -akzeptanz.

Die Mehrheit der Befragten der DGQ-Kurzumfrage favorisiert folgerichtig die Zusammenlegung der Funktionen, siehe Abb. 3.

Trennen oder Zusammenlegen der Qualitätsmanagement- und Nachhaltigkeitsfunktionen

Abb. 3: Trennen oder Zusammenlegen der Qualitätsmanagement- und Nachhaltigkeitsfunktionen

Im Mittelstand sind kombinierte Funktionen leichter anzulegen und können helfen, die zusätzliche erforderliche Ressource möglichst gering zu halten. Das kann aber nur gelingen, wenn Qualitäts-, Nachhaltigkeits- und zudem auch Arbeitssicherheitsmanagement, IT-Sicherheitsmanagement und weitere stark extern regulierte Thematiken besser miteinander kombiniert werden. All diese und weitere Themen sollten über ein System gemanagt werden, das System und seine einzelnen Prozesse, Spezifikationen sollten schlank angelegt und gut synchronisiert werden. Die Anwendbarkeit durch Mitarbeitende im Alltag und nicht Auditierungen und akribische Regelauslegung, die oft in die Überformalisierung führt, sollten dabei im Fokus stehen.

Viele etablierte klassische und nach wie vor sehr dokumentenlastige Managementsysteme leisten das nicht gut. Gerade weil externe Reglementierung eskaliert, muss interne Übersetzung in Prozesse und Spezifikationen so schlank und nutzerfreundlich wie möglich erfolgen. Dazu können immer bessere KI-basierte Assistenzsysteme eingesetzt werden. Statt in mehreren parallel gültigen Dokumenten mühsam die relevanten Vorgaben zu suchen oder sie riskant zu ignorieren, sollten diese Systeme im Workflow genau und nur das anzeigen, was jetzt zu tun und zu lassen ist, um gesetzliche, normative und vertragliche Verpflichtungen und Anforderungen einzuhalten.

Schlanke interne Formalisierung ist eine eigenverantwortliche Antwort auf eskalierende externe Bürokratisierung

Leitungen sollten von ihren bestehenden und neu eingesetzten Qualitäts- und Nachhaltigkeitsmanagerinnen und -manager Nutzerorientierung und einen Regelungsminimalismus einfordern. Wer externes Wachstum an Bürokratie nur beklagen, aber nicht beeinflussen kann, muss im eigenen Verantwortungsbereich gut gemeinte, aber oft übergriffige und in Summe dysfunktionale externe Vorgaben in gut gemachte interne Systeme und Regeln transformieren.

 

Über den Autor:
Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.

Nachhaltigkeit als strategischer Erfolgsfaktor – was gilt es als Unternehmensleitung zu beachten?

ESG, Nachhaltigkeitsstrategie

Die Integration von Nachhaltigkeit in strategische Überlegungen der Unternehmensleitung erfordert einen systematischen und langfristigen Ansatz, damit dies zu einem Erfolgsfaktor werden kann. Nachhaltigkeit sollte dabei als strategische Chance verstanden werden, die sowohl ökologische und soziale Verantwortung als auch wirtschaftlichen Erfolg verbindet. In diesem Beitrag werden vier Schritte erläutert, wie eine erfolgreiche Umsetzung gelingen kann und was die Unternehmensleitung dabei beachten sollte. Dazu wird zunächst erläutert, was der Begriff „Nachhaltigkeitsstrategie“ grundsätzlich bedeutet.

Was versteht man unter einer „Nachhaltigkeitsstrategie“?

Eine Nachhaltigkeitsstrategie ist ein zielgerichteter, langfristiger Plan, der ökologische, soziale und ökonomische Aspekte im Unternehmen gleichermaßen berücksichtigt. Sie ist ein integraler Bestandteil der Geschäftsstrategie und legt fest, wie ein Unternehmen seine Wertschöpfungskette, Prozesse und Produkte so gestaltet, dass negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft minimiert und positive Beiträge maximiert werden.

John Elkington hat bereits 1997 erkannt, dass Unternehmen neben dem Ziel der Gewinnmaximierung (Bottom Line) auch ökologische und soziale Ziele in ihre Unternehmensstrategie integrieren sollten, damit Unternehmen zu einer nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft beitragen. Das Ziel ist die sogenannte Triple Bottom Line (PDF). Für die Integration der Nachhaltigkeitsstrategie in eine Geschäftsstrategie werden die in Abbildung 1 dargestellten Schritte empfohlen.

Die vier Schritte einer Nachhaltigkeitsstrategie

Abb. 1: Die vier Schritte einer Nachhaltigkeitsstrategie (© eco2050 Institut für Nachhaltigkeit)

Dabei baut die Entwicklung einer nachhaltigen Unternehmensstrategie auf den sogenannten ESG-Kriterien (Abb. 2) beziehungsweise den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) (Abb. 3) auf. Die ESG-Kriterien beschreiben die drei unternehmerischen Verantwortungsbereiche „E“ (Environment oder Umwelt), „S“ (Social oder gesellschaftliche Aspekte) und „G“ (Governance oder nachhaltige Unternehmensführung).

ESG-Kriterien

Abb. 2: ESG-Kriterien (In Anlehnung an: Schindler, Nachhaltige Kapitalanlagen, Frankfurt am Main 2018, S. 20)

Derzeit werden die SDGs für Unternehmen diskutiert. Die ISO-Norm 53001Management Systems for UN Sustainable Development Goals – Requirements“ soll 2025 kommen und eine Anleitung zur Umsetzung einer nachhaltigen Unternehmensstrategie auf der Basis der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele bieten, mithilfe dessen Unternehmen ausgewählte Ziele umsetzen können. Im Fokus stehen dabei solche Ziele, die relevant für den jeweiligen Kontext sind, und nicht grundsätzlich alle 17 Nachhaltigkeitsziele.

Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen

Abb. 3: Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (DGVN, 2024)

Im Folgenden werden die vier Schritte Umfeld- /Bestandsanalyse, Unternehmensanalyse, Nachhaltigkeitstransformation und Berichterstattung erläutert. Insbesondere die letzten beiden Schritte wiederholen sich in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess nach dem PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act).

Erster Schritt: Die Umfeld- beziehungsweise Bestandsanalyse

Folgende Fragestellungen dienen als Einstieg in eine nachhaltige Unternehmensstrategie:

  • Was ist bereits an nachhaltigen Strukturen im Unternehmen vorhanden?
  • Gibt es bereits eingeführte Managementsysteme (zum Beispiel ISO 14001, ISO 9001, ISO 45001, ISO 50001), auf die aufgebaut werden könnte?

Für den Bereich „Umwelt“ können beispielsweise die ISO 14001 oder ISO 50001 als Basis dienen, da durch diese Normen bereits entsprechende Prozesse zur Einführung eines Managementsystems im Unternehmen als Bestandteil der strategischen Führung vorhanden sind.

Zur Analyse des Unternehmens sind verschiedene Methoden denkbar. Zu Beginn sollte gefragt werden:

  • Wo stehen wir?
  • Wie sehen unsere Lieferkette und unsere Wertschöpfung aus?
  • An welchen Stellen beziehungsweise in welchen Funktionsbereichen haben wir eine Wirkung (positiv und negativ) auf die ESGs beziehungsweise SDGs?

Es kann auch eine Wettbewerbs- beziehungsweise Kundenanalyse durchgeführt werden, um zu sehen, wie etwaige Konkurrenten das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen integrieren.

Zweiter Schritt: Die Unternehmensanalyse

Im zweiten Schritt werden alle Prozesse im Unternehmen analysiert und hinterfragt: Passt das Geschäftsmodell noch? Wie umwelt- beziehungsweise sozialverträglich sind unsere Produkte und Dienstleistungen?

Um die Sicht der Anspruchsgruppen auf das Unternehmen abzubilden, erfolgt in dieser Phase die sogenannte Stakeholderanalyse. Dazu werden zunächst alle möglichen Stakeholder identifiziert und nach Wichtigkeit für das Unternehmen priorisiert. Danach geht das Unternehmen in den Dialog mit den verschiedenen relevanten Stakeholdergruppen.

Ein Kernelement der Unternehmensanalyse ist die Wesentlichkeitsanalyse, die ein Instrument darstellt, um die wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen sowohl aus Sicht des Unternehmens als auch der Stakeholder zu identifizieren. Es werden zunächst alle möglichen für das Unternehmen relevanten Themen gesammelt. Dann werden (weitere) Themen, die aus Sicht der Stakeholder erkennbar sind, hinzugefügt und hinsichtlich ihrer Chancen und Risiken für das Unternehmen eingeordnet.

Das Fokusthema „Klima“ ist für jedes Unternehmen als wesentlich zu erachten. Um alle klimarelevanten Emissionen zu erfassen, wird eine Klimabilanzierung durchgeführt, worin das Unternehmen alle wichtigen Treibhausgase (CO2, CH4, N2O, F-Gase) ermittelt und in direkte und indirekte Emissionen sowie in Emissionen der vor- und nachgelagerten Lieferkette einteilt.

Das Ergebnis aus der Wesentlichkeitsanalyse und aus der Klimabilanz ist eine wichtige Grundlage für die Nachhaltigkeitstransformation im dritten Schritt. Die Klimabilanz zeigt auf, wo die meisten Klimagase im Unternehmen anfallen. Hier können Strategien zur Reduktion ansetzen. Die Wesentlichkeitsanalyse ermittelt die für das Unternehmen wesentlichen Themen, auf die in den nächsten zwei bis fünf Jahren fokussiert wird.

Dritter Schritt: Die Nachhaltigkeitstransformation

Eine Nachhaltigkeitstransformation ist der Wandel eines Unternehmens hin zu langfristiger Nachhaltigkeit. Das Ziel ist ein Gleichgewicht zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Bedürfnissen, um die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern. Im Ergebnis wird ein nachhaltiges Geschäftsmodell angestrebt, wobei ein Geschäftsmodell verstanden wird, das entlang der gesamten Wertschöpfungskette für alle seine Anspruchsgruppen (Stakeholder) Werte schafft, und die Effizienz der natürlichen Ressourcen steigert sowie die Umwelt und die menschliche Gesundheit schützt.

Erst in der Nachhaltigkeitstransformation entstehen Innovationen und neue Geschäftsmodelle, die auch möglicherweise das Unternehmen auf neuen Märkten positionieren können. Basierend auf den in Schritt 2 ermittelten Fokusthemen werden „smarteNachhaltigkeitsziele formuliert (spezifisch, messbar, ambitioniert, relevant, terminiert). Hier werden ebenfalls konkrete Maßnahmen beschlossen, die kurz-, mittel- und langfristig umgesetzt werden sollen.

Insofern kann eine Integration von Nachhaltigkeit als Treiber für Innovationen in Produkten, Dienstleistungen und Prozessen wirken. Die Schulung und Sensibilisierung von Mitarbeitenden ist ein weiterer Hebel für nachhaltiges Denken und Handeln im Unternehmen. Dabei sollten die Führungskräfte als Vorbilder agieren und nachhaltige Entscheidungen priorisieren. Außerdem stärkt eine glaubwürdige und transparente Kommunikation das Vertrauen bei Investoren, Kunden und der Öffentlichkeit.

Vierter Schritt: Berichterstattung

Unternehmen, die laut CSRD berichtspflichtig sind, müssen den von der EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) entwickelten Europäischen Standard ESRS (European Sustainability Reporting Standard) für ihre Berichterstattung berücksichtigen. Hier gibt es Angaben, welche verpflichtend sind. Hinsichtlich der Themen, die sich an ESG orientieren, gilt, dass nur über die wesentlichen Themen berichtet werden muss.

Für nicht berichtspflichtige Unternehmen kommen „einfachere“ Standards und Zertifikate in Frage. Hier gibt es eine Reihe von unterschiedlichen Möglichkeiten (s. Abb. 4).

Überblick Standards und Zertifikate für die Nachhaltigkeitsberichterstattung

Abb. 4: Überblick Standards und Zertifikate für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (© eco2050 Institut für Nachhaltigkeit)

Unabhängig davon, nach welchem Standard ein Nachhaltigkeitsbericht geschrieben wird, sorgt der Bericht für Transparenz über die Nachhaltigkeitsanstrengungen des Unternehmens.

Die hier vorgeschlagenen vier Schritte können eine einfache Anleitung darstellen, um das Thema Nachhaltigkeit in die Geschäftsstrategie zu integrieren. Ob am Ende immer ein Nachhaltigkeitsbericht das Ergebnis sein wird, ist den Unternehmen überlassen, wobei CSRD-pflichtige Unternehmen dies nicht umgehen können.

Die Vorteile für nachhaltig transformierte Unternehmen sind eine höhere Widerstandsfähigkeit, weil diese versuchen, Risiken zu reduzieren, beispielsweise durch Minimierung der Abhängigkeit von knappen Rohstoffen oder durch Einführung von Kreislaufwirtschaftsstrategien. Der Fokus bei diesen Unternehmen liegt auf langfristiger Wertschöpfung statt auf kurzfristige Gewinnmaximierung.

Fazit

Um Nachhaltigkeit strategisch zu verankern, sollte die Unternehmensleitung sie als integralen Bestandteil der Wertschöpfung und der langfristigen Planung betrachten. Ein systematischer Ansatz, klare Ziele und eine wertebasierte Unternehmenskultur sind entscheidend. Nachhaltigkeit bietet dabei nicht nur eine Antwort auf gesellschaftliche und ökologische Herausforderungen, sondern stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und sichert die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.

Die vierstufige Vorgehensweise zur Integration von Nachhaltigkeit in die Geschäftsstrategie besteht aus Umfeld-/Bestandsanalyse, Unternehmensanalyse, Nachhaltigkeitstransformation und Berichterstattung. Während die ersten beiden Schritte die Ausgangslage klären und wesentliche Themen identifizieren, leitet Schritt 3 konkrete Maßnahmen für langfristige Nachhaltigkeit ab. Innovationen, smarte Ziele und die Schulung der Mitarbeitenden stehen im Fokus, um ökologische, ökonomische und soziale Werte zu schaffen. Schritt 4 sorgt für Transparenz durch Berichterstattung, besonders für CSRD-pflichtige Unternehmen. Unternehmensleitungen in nachhaltigen Unternehmen profitieren langfristig von höherer Widerstandsfähigkeit, Risikominimierung und zukunftsfähiger Wertschöpfung.

 

Über die Autorin:
Dr. Dina Barbian ist Geschäftsführerin des eco2050 Institut für Nachhaltigkeit, einer Ausgründung der Universität Erlangen-Nürnberg. Sie ist als Beraterin für Unternehmen zu Themen wie Nachhaltigkeitsmanagement, CSR und Klimabilanzierung tätig sowie Autorin von Büchern und Fachartikeln. Als Lehrbeauftragte hält sie Vorlesungen in den Disziplinen Informatik, Ingenieurwesen und Nachhaltigkeit. Die Wirtschaftsingenieurin und promovierte Nachhaltigkeitsökonomin ist DGQ-Trainerin und -Prüferin.

Biodiversitätsmanagement im unternehmerischen Kontext: Tipps für die Praxis

Biodiversitätsmanagement, Unternehmen

Biodiversität ist essenziell für das Leben auf unserem Planeten. Wissenschaftler warnen: Mit schlechtem Klima lässt sich überleben, ohne Biodiversität nicht. Das Erreichen planetarer Belastbarkeitsgrenzen ist ein alarmierendes Signal für Unternehmen, ihren Fokus auf dieses Thema zu legen. Sie sollten daher Biodiversitätsmanagement in ihr Nachhaltigkeitsmanagement integrieren.

Aktuelle Situation

Biodiversität umfasst die Vielfalt des Lebens auf der Erde, einschließlich der Gene, Arten und Ökosysteme, die für die Stabilität und Produktivität unserer natürlichen und wirtschaftlichen Systeme unverzichtbar ist. 50 Prozent aller Emissionen werden von der Natur absorbiert. Ohne diese Absorption würden sich die Emissionen in der Atmosphäre drastisch erhöhen, was zu schwerwiegenden Klimaveränderungen führen würde. 75 Prozent der weltweiten Nahrungsmittelproduktion hängt von Bestäubern wie Bienen ab. Ihr Verlust kann die Erträge verringern und die Kosten für Bestäubungsdienste in die Höhe treiben. Die „Hochzeitstorte“ (Abbildung 1) verdeutlicht die Beziehung zwischen den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) und der hohen Bedeutung der Natur und Biodiversität.

Mehr als die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts, rund 44 Billionen US-Dollar, hängt von einer intakten Natur ab (WWF, 2023). Laut dem World Economic Forum (WEF) zählen der Verlust der Artenvielfalt und der Zusammenbruch ganzer Ökosysteme zu den größten Risiken für die Weltwirtschaft (WEF, 2023). Der Verlust der Biodiversität führt schon jetzt jährlich zu wirtschaftlichen Einbußen von über 30 Billionen US-Dollar (NABU, BCG 2020), besonders in den Sektoren Pharmazie, Landwirtschaft, Fischerei und Tourismus. Veränderungen in natürlichen Systemen verursachen Ressourcenknappheit und erhöhen die Produktionskosten in wasserintensiven Branchen wie Landwirtschaft, Textil- und Getränkeindustrie. Die Degradierung von Ökosystemen und klimatische Veränderungen können Lieferketten destabilisieren, Versorgungsengpässe und Preisschwankungen hervorrufen. Angesichts der Biodiversitätskrise und der anderen Multikrisen ist dies keine erfreuliche Nachricht für Unternehmen. Der Global Risk Report 2024 zeigt, dass der Biodiversitätsverlust in einem Zehnjahreshorizont als drittgrößtes Risiko für Unternehmen wahrgenommen wird

Beziehung der Ziele für nachhaltige Entwicklung – Biosphäre ist die Basis

Abb. 1: Beziehung der Ziele für nachhaltige Entwicklung – Biosphäre ist die Basis
(Quelle: Die Animation wurde von Azote für das Stockholm Resilience Centre erstellt; Lizenz: CC BY ND 3.0)

Biodiversität managen

Unternehmen nutzen die Leistungen der Natur und können Biodiversität durch verschiedene Maßnahmen managen, um negative Umweltauswirkungen zu minimieren und positive Beiträge zu leisten. Wichtige Strategien eines Biodiversitätsmanagements umfassen:

  • Integration von biodiversitätsbezogenen Themen in Umweltmanagementsysteme, wobei EMAS als besonders geeignet scheint, da es die biologische Vielfalt als Schlüsselbereich ausweist und konkrete Indikatoren und Maßnahmen fordert.
  • Systematische Erfassung und Bewertung der Auswirkungen des Unternehmens sowie seiner Lieferketten auf die lokale Flora und Fauna, einschließlich der Berechnung des eigenen Biodiversitätsfußabdrucks.
  • SMARTE Ziele und Maßnahmen für den Biodiversitätsschutz setzen, zum Beispiel Schaffung naturnaher Flächen, Förderung einheimischer Pflanzenarten und Reduktion von Pestiziden.
  • Schulungen und Sensibilisierungsprogramm für Beschäftigte und Anspruchsgruppen in der Wertschöpfungskette zur Schärfung des Bewusstseins für die Bedeutung der Biodiversität und zur Förderung umweltfreundlicher Praktiken.
  • Regelmäßige Überwachung und Berichterstattung im Rahmen der neuen Nachhaltigkeitsberichtsstandards, speziell ESRS E4 – Biodiversity and ecosystems , um Fortschritte im Biodiversitätsschutz zu messen und transparent darzustellen.
Berufsbild Klimaschutzmanager
Kommunen und Unternehmen werden sich zunehmend ihrer Verantwortung für und den Herausforderungen durch den Klimawandel bewusst. Sie suchen daher immer häufiger nach Fachexperten, die sie bei der Umsetzung von Klimaschutzstrategien unterstützen können. Durch ihre Tätigkeit tragen Klimaschutzmanager dazu bei, Treibhausgasemissionen der Unternehmen und Kommunen zu reduzieren. Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Klimaschutzmanager:

  • Was ist ein Klimaschutzmanager?
  • Welche Aufgaben betreuen Klimaschutzmanager?
  • Wie werde ich Klimaschutzmanager?
  • Welche Weiter­bildungs­möglich­keiten gibt es?
  • Wie viel verdient ein Klimaschutzmanager?
  • Welche Karrieremöglichkeiten gibt es?

Zum Berufsbild Klimaschutzmanager »

Konkret können Unternehmen …

Unternehmen können nachhaltige Beschaffungspraktiken einführen, um sicherzustellen, dass Rohstoffe und Produkte aus umweltfreundlichen Quellen stammen. Durch die Förderung der Biodiversität auf Firmengeländen (PDF), etwa durch naturnahe Flächen und den Verzicht auf Pestizide, tragen sie zum Erhalt der Artenvielfalt bei. Maßnahmen wie insektenfreundliche LED-Lampen und der Verzicht auf Versiegelung von Parkflächen sind ebenfalls sinnvoll. Unternehmen können in ihrer Lieferkette Risikobewertungen vornehmen, um Produkte mit hohem Risiko für den Verlust der Biodiversität, wie Holzprodukte, zu identifizieren. Die Umstellung auf nachhaltige Beschaffungspolitiken kann den Einsatz umweltschädlicher Produkte reduzieren, indem zertifizierte Produkte wie MSC-Fisch oder FSC/PEFC-Holzerzeugnisse bevorzugt werden.

Es ist wichtig, das Wirkungsnetz zu berücksichtigen, da Klimaschutzmaßnahmen manchmal in Konkurrenz zu anderen Nachhaltigkeitszielen stehen, etwa wenn erneuerbare Energieprojekte Lebensräume beeinträchtigen. Ein integrierter Ansatz, der alle Umweltauswirkungen einbezieht, ist unerlässlich, um langfristig nachhaltige Lösungen zu gewährleisten. Die Zusammenarbeit mit Interessengruppen wie NGOs, lokalen Gemeinschaften und wissenschaftlichen Einrichtungen kann Unternehmen dabei unterstützen, effektive Biodiversitätsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Unternehmen können Programme zur Biodiversitätskompensation unterstützen, um negative Auswirkungen ihrer Aktivitäten auszugleichen. Dabei gilt der Hierarchie-Grundsatz: Vermeiden, Reduzieren und dann erst Kompensieren, idealerweise lokal, um die gleichen Ökosysteme und Arten zu unterstützen.

Beitrag von Kreislaufwirtschaft zur Biodiversität

Die Entwicklung nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen, die den gesamten Lebenszyklus berücksichtigen, ist wichtig für den Erhalt der Biodiversität. Die Kreislaufwirtschaft zielt darauf ab, die Lebensdauer von Produkten zu maximieren, die Wiederverwendung von Materialien zu fördern und den Abfall zu minimieren. Obwohl diese Prinzipien auf Ressourcenschonung abzielen, sind die Effekte des zirkulären Wirtschaftens auf die Biodiversität noch nicht vollständig untersucht. Offensichtlich ist jedoch der Zusammenhang des linearen Wirtschaftsmodells mit dem Verlust an Ökosystemen durch Landveränderung oder Deponien. Es lohnt sich, die Kreislaufwirtschaft als positiven Effektgeber zum Erhalt der Biodiversität zu betrachten. Eine Meta-Studie aus dem Jahr 2023 aus Finnland bewertete im Bau- und Immobiliengewerbe sowie der Waldwirtschaft verschiedene Circular-Economy-Maßnahmen. Die Ergebnisse zeigen, dass die kaskadierende Nutzung von Holz, die Verbesserung der Materialeffizienz, die Wiederverwendung von Baumaterialien und die Verlängerung der Lebensdauer von Gebäuden großes Potenzial haben, den Druck auf die Biodiversität zu mindern. Allerdings könnten Maßnahmen, die die Nutzung heimischer Wälder erhöhen, die Biodiversität beeinträchtigen, wenn keine biodiversitätsfördernden Waldmanagementpraktiken genutzt werden und die Abholzung zu hoch bleibt.

Es reicht also nicht aus, auf vermeintlich erneuerbare und kompostierbare Rohstoffe zu setzen, wenn dadurch Lebensraum vernichtet wird. Es muss bei jedem Produkt abgewogen werden, welche Circular-Economy-Maßnahme die Biodiversität schützt. Ökobilanzen können unterstützen, indem sie eine ganzheitliche Perspektive bieten.

Drei Stellhebel der Kreislaufwirtschaft wirken positiv auf die Biodiversität: nachhaltiger Materialeinsatz, nachhaltige Geschäftsmodelle und nachhaltiger Mindset.

  1. Nachhaltiger Materialeinsatz:
    Die Reduzierung der Ressourcenextraktion und die daraus resultierende Verringerung von Lebensraumzerstörung schützt natürliche Lebensräume und Arten.
  2. Nachhaltige Geschäftsmodelle:
    Durch die Reduzierung von Abfällen und das Schließen von Stoffkreisen wird die Umweltverschmutzung verringert. Sharing- und Streaming-Konzepte reduzieren CO2-Emissionen und schädliche Umwelteinflüsse wie Dürren, die die Biodiversität beeinträchtigen.
  3. Nachhaltiger Mindset:
    Die Circular Economy fördert ein Bewusstsein bei Konsumenten, die durch ihr Kaufverhalten die Umwelt schützen können. Dies stärkt regionale Ökonomien und führt zu einer höheren Akzeptanz für nachhaltige Produkte zu angemessenen Preisen – vorausgesetzt, diese werden nachhaltig und biodiversitätsfreundlich produziert.

 

Vernetzung

Der DGQ-Fachkreis Nachhaltigkeit vernetzt Interessierte und deren Kompetenzen durch verschiedene Aktivitäten. Arbeitsgruppen bearbeiten Themen wie Nachhaltigkeitskennzahlen, CO2-Fußabdruck, Nachhaltigkeitskompetenzen und Blockchain-Chancen. Eine Arbeitsgruppe zum Thema “Biodiversität in Unternehmen” ist ebenfalls denkbar. Interessierte können sich bei den Autorinnen des Blogbeitrags unter com@dgq.de melden.

 

Über die Autoren:
Prof. Dr. Linda Chalupová ist eine Nachhaltigkeitsexpertin, Autorin, Keynote-Speakerin und zertifizierte Aufsichtsrätin mit Kernkompetenzen im nachhaltigen Wirtschaften. Als Professorin für Nachhaltigkeitswissenschaften an der Hochschule Fulda strebt sie einen profitablen Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis an, um schnellstmöglich effektive Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung bereitzustellen. Sie engagiert sich als Vorständin und Beirätin in mehreren Berufsverbänden, Gremien und Arbeitskreisen und ist Unternehmensmentorin in den Bereichen ESG und Berichterstattung. Zu-dem ist sie Mitglied im Leitungsteam des DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit.

Prof. Dr. Irina Mazilu-Eyaz hat Materialwissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt und am Imperial College London studiert. Während Ihrer 11-jährigen Berufstätigkeit bei einem internationalen Technologiekonzern sammelte sie Erfahrung im Qualitätsmanagement und wurde zur Methoden-Expertin für technische Problemlösung. Seit 2021 ist sie Professorin für Qualitätsmanagement und Werkstoffkunde an der Hochschule RheinMain und entwickelt auch neue Lehrveranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit. Im Mai 2023 wurde sie ins Leitungsteam des DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit gewählt.

 

 


Mit der nachfolgenden Linksammlung erhalten Interessierte kostenlosen Zugriff auf hilfreiche Informationen zum Thema Biodiversität:

Risikofilter der Biodiversität (WWF)

Biodiversität über den Tellerrand (Forschungsprojekt)

Vielfalt am Standort – Schritte zu nachhaltigem Biodiversitätsmanagement (Bayerisches Landesamt für Umwelt)

Leitfaden 2023 – Schutz der biologischen Vielfalt im Rahmen von Umweltmanagementsystemen (EMAS)

Wege zum naturnahen Firmengelände (Bundesamt für Naturschutz)


 

Nachhaltigkeit im Klinikbau – In Göppingen entsteht das erste „Green Hospital“ Baden-Württembergs

Nachhaltigkeit, Klinikneubau, Alb-Fils-Kliniken

Die Kliniken Deutschlands durchleben einen massiven Transformationsprozess. Viele Krankenhäuser befinden sich in einer finanziell prekären – teilweise existentiell bedrohlichen – Situation. In dem gesetzlich vorgegebenem Dualen Finanzierungssystem sollen die laufenden Kosten über Fallpauschalen und die notwendigen Investitionen über Fördermittel der Bundesländer gedeckt werden. Seit vielen Jahren kommen die Länder dieser gesetzlichen Vorgabe nicht ausreichend nach, so dass sich bundesweit ein Investitionsstau in der baulichen Struktur vieler Kliniken in Milliardenhöhe angesammelt hat. Die Kliniken sind oftmals gezwungen, notwendige Investitionen und Instandhaltungen aus den laufenden Vergütungen zu finanzieren. Das Defizit der Kliniken Baden-Württembergs summiert sich im forecast auf die Jahresabschlüsse 2024 laut Landkreistagspräsident Joachim Walter auf rund 900 Millionen Euro.

Das ALB FILS KLINIKUM, in hundertprozentig kommunaler Trägerschaft des Landkreises Göppingen, hat sich vor mehr als 10 Jahren gegen die umfassende Sanierung eines Klinikgebäudes zugunsten eines kompletten Neubaus entschieden. Neben essenziellen wirtschaftlichen Gründen standen hier insbesondere prozessuale Optimierungen, die Attraktivität als Arbeitgeber und umfassender Gesundheitsdienstleister sowie die zu erwartenden Neustrukturierungen in der Krankenhauslandschaft im Vordergrund. Das neue Klinikum befindet sich nun im „Endspurt“ der Fertigstellung und wird sich in Teilen über eine „Effizienzrendite“ im Abgleich zum Weiterbetrieb der mehr als 50 Jahre alten Bestandsklinik refinanzieren. Der Grund dafür liegt unter anderem in der strategischen Prämisse des nachhaltigen und hoch energieeffizienten Bauens. Die erwartete Energiepreisentwicklung der kommenden Wirtschaftsperioden wird diese Effizienzrendite des Neubaus weiter steigern.

Raum für modernste prozessoptimierte Medizin und Pflege

Neubau Alb-Fils-Klinik

Abb. 1: Neubau ALB FILS KLINIKUM, ©Max Radloff Photography

Derzeit entsteht mit dem Neubau des ALB FILS KLINIKUMs in Göppingen eine der modernsten Kliniken in Europa. Mit einem Investitionsvolumen von rund 360 Millionen Euro wird auf 43.000 qm Nutzfläche und sieben Vollgeschossen Raum für modernste prozessoptimierte Medizin und Pflege geschaffen. Mit Baubeginn im Jahr 2019 entstehen dort unter anderem zwölf OP-Säle, inklusive Hybrid OP, drei Herzkatheterlabore, vier Kreißsäle, zwei Intensiv- und eine IntermediateCare-Stationen und ein Hubschrauberlandeplatz. Mit 645 Normalstationsbetten, modernster medizinischer Ausstattung sowie hellen und modernen Räumlichkeiten ist der bauliche Grundstein für eine optimale Behandlungsqualität der Patienten gelegt und auch das Personal profitiert von einer positiven Arbeitsplatzgestaltung.

Von der DGNB mit dem Vorzertifikat in Gold ausgezeichnet

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) bewertet die Nachhaltigkeit eines Gebäudes und hat den Neubau des ALB FILS KLINIKUMs mit dem DGNB-Vorzertifikat in Gold ausgezeichnet. Die DGNB bestätigt damit, dass eine besonders umweltfreundliche, wirtschaftliche, effiziente, ressourcensparende und optimale Gebäudeplanung für den Neubau verfolgt wurde. Das ALB FILS KLINIKUM ist somit das erste „Green Hospital“ in Baden-Württemberg. Das Klinikum hat, der Unternehmensstrategie folgend, bereits vor Baubeginn und zu einem sehr frühen Planungsstadium diesen Ansatz konsequent verfolgt. Ziel war eine nachhaltige Planung und Umsetzung des Neubaus. Der Antrieb bestand im Besonderen darin, die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen und mehr Lebensqualität bei gleichzeitig geringeren Betriebskosten zu erreichen – immer mit dem Fokus auf Mensch und Mitwelt.

Nachhaltigkeitsgedanke im Planungsprozess von Anfang an berücksichtigt

Durch die frühe Einstiegsphase konnten bereits wesentliche Optimierungspotenziale in der Grobplanung des Großprojektes berücksichtigt werden. So konnte beispielsweise eine Reduzierung des Wärmebedarfs um circa 60 Prozent sowie die Umsetzung einer Wärmerückgewinnung mit einem Effizienzgrad von über 85 Prozent realisiert werden. Darüber hinaus wurden die Voraussetzungen für weitere Förderungen durch den Bund geschaffen, indem das Haus am Ende des Planungs- und Optimierungsprozesses den extrem hohen Anforderungen des KfW-55-Programms entsprach.

Die Herausforderungen waren groß, aber machbar

Neubau ALB FILS KLINIKUM

Abb. 2: Neubau ALB FILS KLINIKUM, ©Max Radloff Photography

Die größte Herausforderung bei der Berücksichtigung des nachhaltigen Ansatzes sind die höheren Kosten für nachhaltige Materialien. Beim Neubau des ALB FILS KLINIKUMs wurde insbesondere die Gebäudehülle nach KfW-55-Standard gebaut – dies war zu Baubeginn der höchste Standard unterhalb des Standards des Passivhauses. Verwirklicht wird außerdem eine komplexe Wärmerückgewinnung über Wärmetauscher. Ein gutes Raumklima wird durch eine „Betonkernaktivierung“ der Decken erreicht und durch die Auswahl besonders nachhaltiger Materialien mit positiven Eigenschaften, wie zum Beispiel geringe Ausdünstung, Langlebigkeit, Ursprung aus nachhaltigen Quellen und geringe Schadstoffbelastung. Ein weiterer wichtiger Baustein zur nachhaltigen Bauweise ist die PV-Anlage mit 425 kwh/p und einer hundertprozentigen Nutzung für den Eigenverbrauch. Grundsätzlich umfasst der Green-Hospital-Ansatz nach DGNB ökologisch-ökonomische, soziokulturelle, technische, prozessuale und standortbezogene Qualitäten und Kernbereiche.

Die positiven Effekte sind vielfältig

Durch die nachhaltige Bauweise erhofft sich das Klinikum, seine Attraktivität für Arbeitnehmer weiter zu steigern, denn die neuen Arbeitsplätze wurden mit viel Tageslicht und kurzen Wegen geplant und realisiert. Weiter sieht das Klinikum einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Kliniken bei der Patientengewinnung. Günstigere Bankkredite und Tilgungszuschüsse sind ebenso ein wesentlicher Aspekt, wie auch die Vorreiterrolle für andere Unternehmen. Ein positives Image in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit ist bereits heute zu spüren.

Zudem stehen für diese nachhaltige Bauweise KFfW-55-Förderungmittel von der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung. Nach der Vorzertifizierung soll nun abschließend das DGNB-Zertifikat in Gold erreicht werden.

Bereits heute ist das ALB FILS KLINIKUM ein KLIMAWIN-Unternehmen des Umweltministeriums Baden-Württemberg und orientiert sich an den Sustainable Development Goals (SDGs) der Agenda 2030 der United Nation (UN). Die DGNB unterstützt ebenso diese Ziele. Um den Zusammenhang einer nachhaltigen Bauweise mit den SDGs herauszuarbeiten und transparent zu machen, sind sämtliche Kriterien zu den Zielen der UN überprüft. Als Ergebnis erhält jedes Projekt, das eine DGNB-Zertifizierung erfolgreich abschließt, künftig eine Aussage darüber, inwieweit es einen Beitrag zur Erreichung der SDG geleistet hat.

Nachhaltiges Bauen zahlt sich langfristig aus

Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren und der weiteren Fokussierung der Gesellschaft auf dieses Thema war es in den Planungsjahren des Neubaus, 2014 bis 2018, völlig richtig, den Weg des „Green Hospital“ einzuschlagen. Bereits vor Bezug des Neubaus ist klar, dass das Gebäude in Sachen Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Flexibilität hohe Maßstäbe setzt – auch mit einem konsequenten Fokus auf biologische und nachhaltige Baustoffe. Hohe Wertstabilität sowie Transparenz bei den eingesparten Ressourcen und Emissionen sind gesetzt. Der Ansatz des nachhaltigen Bauens und der Wunsch, der eigenen Verantwortung gegenüber der Umwelt und ökologischen Werten nachzukommen, führten zu einem langen und manchmal schwierigen, Weg. Anderen Kliniken kann an dieser Stelle nur geraten werden, sich nicht entmutigen zu lassen. Bei der Planung von ähnlichen Bauprojekten rät das Klinikum, den CO2-Ausstoß bei den Entscheidungen mit „einzupreisen“ und in der Betrachtung über die reinen Baukosten hinauszugehen, denn das „Green Hospital“ muss in seinem gesamten Lebenszyklus der Immobilie gesehen werden – Langfristigkeit macht sich hier bezahlt.

Mehr Unterstützung würde helfen

Eine Anregung geht an die Politik auf Bundes- und Landesebene: Hier ist mehr Unterstützung wünschenswert. Bei den aktuellen finanziellen Problemen geht es vielen Kliniken rein ums Überleben. Ohne tiefgreifende Förderprogramme können sie Nachhaltigkeit nicht ausreichend berücksichtigen. Die Politik sollte das Engagement in Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit öffentlicher Infrastrukturen auch im Bereich „Green Hospital“ stärker fördern, zum Beispiel durch die Bereitstellung von Beratungs- und Zertifizierungspartnern über Bund und Länder. Dies würde auch längerfristige Transformationsprozesse hin zum „Green Hospital“ bei Bestandsimmobilien ermöglichen. So könnte das „Green Hospital“ zum Standard-Hospital werden – zumindest für Neubauten wäre es wünschenswert. Durch die aktuellen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen und den hohen Kostendruck im System wird es sich aber ohne weitere Anreiz- und Fördersysteme nur sehr langsam etablieren können. Der Fokus im Gesundheitssystem muss sich grundsätzlich aber auch an den Vorgaben und Klimazielen der UN und der EU orientieren. Auch die langfristige Unterstützung von öffentlicher Seite ist zwingend notwendig. Der öffentliche Gesundheitssektor wird diesen tiefgreifenden Transformationsprozess nur mit Unterstützung durch Bund und Länder leisten können. Ein gutes Beispiel könnten hier Vergleichsprojekte, wie beispielsweise die Digitalisierung mit der Förderung durch das KrankenhausZukunftsGesetz (KHZG) sein.

 

Über die Autoren:
Dr. Ingo Hüttner ist medizinischer Geschäftsführer sowie Vorsitzender der Geschäftsführung der ALB FILS KLINIKUM GmbH. Seit 2021 gehört Dr. Hüttner dem Vorstand der DGQ an.
Wolfgang Schmid ist Kaufmännischer Geschäftsführer der ALB FILS KLINIKUM GmbH.

Bildnachweis: ©Max Radloff Photography

Künstliche Intelligenz & Nachhaltigkeit – Was bedeutet das für die Weiterbildung?

KI, Weiterbildung, Lernen

Die Anfänge von Künstlicher Intelligenz (KI) gehen zurück bis in die 1950er-Jahren. Seitdem gab es vier Wellen der Künstlichen Intelligenz. Die Energie für die Verarbeitung von Daten wird zumeist fossil generiert und dies führt zu klimarelevanten Emissionen. KI-Algorithmen können zur gezielten Überwachung und Manipulation eingesetzt werden, was ethische Fragestellungen aufwirft. Überdies werden im Bildungswesen immer mehr KI-generierte Texte verwendet, was zudem die Frage aufwirft, wie zukünftig Lehr- und Lernformate sinnvoll gestaltet werden können, damit Lernende und Lehrende einen Mehrwert durch KI haben.

Die Begriffe – „Künstliche Intelligenz“ und „Nachhaltigkeit“

„Künstliche Intelligenz“ (KI) soll einen Computer dazu bringen, menschliches Verhalten zu imitieren. KI ist ein komplexes und umfangreiches Teilgebiet der Informatik. Bisher geht man von vier KI-Wellen aus. Die letzte, in der wir uns gerade befinden, gilt als sehr vielversprechend.

„Nachhaltigkeit“ bedeutet laut Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, die Bedürfnisse eines Menschen zu befriedigen, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihren eigenen Bedürfnisse nachzugehen (vgl. WCED, 1987). Nachhaltigkeit beruht auf drei Säulen (sozial, wirtschaftlich, ökologisch) und stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Zum Konzept gehören außerdem Umweltschutz, Gerechtigkeit, Ganzheitlichkeit und Langfristigkeit (siehe Abb. 1).

Konzept der Nachhaltigkeit

Abb. 1: Konzept der Nachhaltigkeit (Barbian, D., 2001)

Die vier Wellen der Künstlichen Intelligenz

Man unterscheidet vier Phasen der KI (vgl. Mertens, P., Barbian, D., Baier, S., 2017).  In der ersten Phase wurden dem Computer “allgemeine” Problemlösungsfähigkeiten („General Problem Solver“) zuerkannt. Damit gelangte man schnell an Grenzen. Es erfolgte ein Paradigmenwechsel und man setzte sich das Ziel, Experten auf ihrem Spezialgebiet zu unterstützen (“Expertensysteme” (XPS)). Die dritte Phase war kurz und betraf Semantische Netze. Damit wurden Beziehungen zwischen Begriffen modelliert, zum Beispiel die Beziehung einer Bildungseinrichtung zu Kursteilnehmenden, zu den Lehrformaten etc. Auch die dritte KI-Welle erfüllte nicht die Erwartungen. Derzeit befinden wir uns in der vierten Welle. Nach dem Prinzip von Nervenzellen (Neuronen) werden künstliche neuronale Netze eingesetzt (vgl. Matzka, S., 2021). Für das Trainieren dieser Art von KI wird jedoch viel Energie benötigt, womit gerade die vierte Welle einen enormen Einfluss auf das Erreichen der Klimaziele hat (Es gibt KI-Algorithmen, die zu ähnlich guten Ergebnissen wie das künstliche neuronale Netz führen. Dazu zählen u.a. die logarithmische Regression, der Bayes‘sche Algorithmus und Decision Tree.)

Bereits 2019 machte der CO2-Ausstoß des globalen Datenverkehrs laut Think Tank The Shift Project 4% aus.

Berufsbild Nachhaltigkeitsmanager

Die Themen Nachhaltigkeit und Klima­schutz gehören zu den Mega­trends unserer Zeit. Für Unter­nehmen wird es somit immer wichtiger, CSR-Maßnahmen um­zu­setzen und ihrer gesell­schaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Mit dem größeren Fokus auf Nachhaltigkeit haben sich in den letzten Jahren eine Vielzahl an grünen Jobs entwickelt, wie beispielsweise der Job als Nachhaltigkeitsmanager.
Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Nachhaltigkeitsmanager:

  • Welche Aufgaben betreuen Nachhaltigkeitsmanager?
  • Wie werde ich Nach­haltigkeits­beauf­tragter?
  • Welche Weiter­bildungs­möglich­keiten gibt es?
  • Was verdient ein Nach­haltigkeits­manager?
  • Welche Jobs gibt es im Nach­haltigkeits­manage­ment?

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Einsatzszenarien von KI in der Weiterbildung – Vorteile und Herausforderungen

KI in der Weiterbildung kann Vorteile für Lernende und Lehrende bieten, jedoch sind auch die Herausforderungen nicht außer Acht zu lassen. Texte und Bilder mit KI zu generieren, ist durch den Einzug von ChatGPT einfacher denn je. Etwa 38 % der Schüler:innen in Deutschland nutzen dies laut Statista bereits. Überwiegend sind es jüngere Menschen, die von KI Gebrauch machen. Es ist daher angebracht, sich die Frage zu stellen, wie Lehr- und Lernformate zu gestalten sind.

Ein Vorteil durch den Einsatz von KI gestaltet sich für Menschen mit unterschiedlichen Lerntempos. Hier können KI-basierte Lernformate sich individuell an die Bedürfnisse anpassen sowie den Lernfortschritt verfolgen (adaptives Lernen). Weitere Vorteile für Weiterbildungsformate liegen in der Möglichkeit, Daten schnell zu analysieren. Damit können große Mengen an Lerndaten bewertet und Muster erkannt werden, die dann gezielt zur Unterstützung von Lehrenden und Lernenden genutzt werden können. Für die kontinuierliche Weiterbildung und berufliche Entwicklung bietet KI personalisierte Lernpfade etwa für berufstätige Personen, um sich gezielt weiter zu qualifizieren oder um Vorschläge zu Weiterbildungen zu erhalten. Bei der Bewertung von Prüfungen und Aufgaben bieten zudem automatisierte Systeme ein schnelles und sofort verfügbares Ergebnis. KI hat außerdem das Potenzial inklusiv zu sein, indem Lernmaterialien für Menschen mit Behinderungen zugänglicher gemacht werden.

Neben all diesen Vorteilen gibt es jedoch auch Herausforderungen. Zum einen hat KI einen erheblichen Einfluss auf das Klima und birgt ethische Gefahren bei der Nutzung.

KI-basierte Systeme sind sehr rechenintensiv. Sie müssen eine große Menge an Daten verarbeiten, was den Bedarf und die Abhängigkeit von Energie erhöht. Es ist nach wie vor schwierig, den genauen CO2-Ausstoß von KI zu quantifizieren. Einige wenige Organisationen versuchen, oftmals mit frei verfügbaren Tools die Umweltauswirkungen von KI zu ermitteln. Dazu gehören z. B. das Montreal Institute for Learning Algorithms mit dem Tool ML CO2 Impact , die Plattform CodeCarbon, und Climate Change AI.

Für eine nachhaltige KI (auch “Green AI” bzw. “Grüne Künstliche Intelligenz”) müsste neben der genauen Klimabilanz im Vorfeld ihres Einsatzes zunächst auch Transparenz zu den erhobenen Daten bestehen. Künstliche Intelligenz (KI) hat daher auch eine ethische Relevanz in der Weiterbildung. Dies betrifft den Datenschutz und die Sicherheit, da KI-Systeme große Mengen an persönlichen Daten sammeln können. Die Überwachung durch KI kann die Privatsphäre der Lernenden gefährden. Auch kann es zu einer Diskriminierung kommen, da KI bestehende Vorurteile verstärken und zu ungleichen Chancen führen kann. Die Qualität der Bildung könnte durch übermäßige Standardisierung und Abhängigkeit von der KI-Technologie leiden, was die Vielfalt und menschliche Interaktion mindert.

Mit besonders sensiblen Daten sollte auch aus Gründen der sozialen Nachhaltigkeit (s. Abb. 1) vorsichtig umgegangen werden. Unternehmen können durch eine Auswertung von Daten mehr über ihre Mitarbeitenden erfahren. Auch eine Manipulation und Überwachung ist möglich. Damit wirft der Einsatz von KI ethische Fragestellungen auf, was Sarah Spiekermann bereits 2019 in ihrem Buch über „Digitale Ethik“ thematisiert hat (Spiekermann, S., 2019). Das Sammeln von Daten durch Suchmaschinen erfolgt oft über sogenannte Tracking-Dienste. Dazu laufen im jeweiligen Tool entsprechende Dienste ab, die Daten z. B. zum Standort, den eingegebenen Suchwörtern, verwendeter Internet-Browser sammeln (Zuboff, S., 2018).

Bezug der KI zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen

KI spielt eine wichtige Rolle bei der Erreichung der 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (siehe Abb. 2) und hat das Potenzial, die globalen Bemühungen zur Gewährleistung einer Bildung für alle zu erreichen. Das UN-Nachhaltigkeitsziel Nr. 4 bezieht sich auf eine „Hochwertige Bildung“. Laut Definition soll eine inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleistet und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle gefördert werden, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Behinderung.

Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen

Abb. 2: Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (DGVN, 2024)

Die Studie “The role of artificial intelligence in achieving the Sustainable Development Goals“ (Vinuesa, R. et al., 2020) untersucht den potenziellen Einfluss von KI auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (siehe Abb. 3). Laut der Studie könnten 134 der 169 Unterziele (79%) von der KI profitieren. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einen negativen Einfluss der KI auf die Nachhaltigkeit, denn 59 der 169 Unterziele (35%) werden verschlechtert. Insgesamt überwiegt aber der positive Einfluss, jedoch muss der Einsatz von KI und die Art des Einsatzes bereits im Vorfeld genau überlegt werden.

Positive und negative Auswirkungen von KI auf die Nachhaltigkeit

Abb. 3: Positive und negative Auswirkungen von KI auf die Nachhaltigkeit (Vinuesa, R. et al., 2020)

Auch für eine „Hochwertige Bildung“ (Ziel Nr. 4) gibt es laut Abbildung 3 eher Chancen durch den Einsatz von KI.

Fazit

Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit bedingen sich gegenseitig. Der hohe Energieverbrauch durch KI und ethische Fragestellungen haben einen Einfluss auf die Nachhaltigkeit. Bisher spielen diese Faktoren noch keine übermäßige Rolle in der Weiterbildung. Allerdings darf der Gebrauch von ChatBots wie bspw. ChatGPT gerade unter der jüngeren Bevölkerung nicht unterschätzt werden. Dies wirft Fragen auf, wie in Zukunft Lehr- und Lernformate gestaltet werden sollen.

KI bietet zwar Chancen für die Weiterbildung durch personalisiertes Lernen, eine Effizienzsteigerung und datengetriebenes Lernen. Gleichzeitig birgt sie Gefahren wie Datenschutzprobleme, mögliche Diskriminierung und ethische Dilemmata.

Tendenziell überwiegen jedoch die Vorteile durch KI. KI hat das Potenzial, die Weiterbildung zu revolutionieren, aber es sind sorgfältige Maßnahmen notwendig, um die Risiken zu minimieren und die Vorteile fair und ethisch zu nutzen.

 

Über die Autorin:
Dr. Dina Barbian ist Geschäftsführerin des eco2050 Institut für Nachhaltigkeit, einer Ausgründung der Universität Erlangen-Nürnberg. Sie ist als Beraterin für Unternehmen zu Themen wie Nachhaltigkeitsmanagement, CSR und Klimabilanzierung tätig sowie Autorin von Büchern und Fachartikeln. Als Lehrbeauftragte hält sie Vorlesungen in den Disziplinen Informatik, Ingenieurwesen und Nachhaltigkeit. Die Wirtschaftsingenieurin und promovierte Nachhaltigkeitsökonomin ist DGQ-Trainerin und -Prüferin.

 


WCED – World Commission on Environment and Development (1987): Our Common Future, New York

Barbian, D. (2001) Ökonomie und Sustainable Development, Aachen, S. 64

Mertens, P., Barbian, D., Baier, S. (2017) Digitalisierung und Industrie 4.0 – eine Relativierung, Wiesbaden

Matzka, S. (2021) Künstliche Intelligenz in den Ingenieurwissenschaften, Wiesbaden

Spiekermann, S. (2019) Digitale Ethik: Ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert, München

Zuboff, S. (2018) Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus, Frankfurt am Main / New York

DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (2024), Ziele für Nachhaltige Entwicklung (https://dgvn.de/ziele-fuer-nachhaltige-entwicklung)

Vinuesa, R. et al. (2020): The role of artificial intelligence in achieving the Sustainable Development Goals. NATURE COMMUNICATIONS, S.1-2


 

Grüne Gesundheit: Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Gesundheitswesen

Gesundheitswesen, Arzt, Nachhaltigkeit

In den letzten Jahren haben die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz in nahezu allen Lebensbereichen an Bedeutung gewonnen. Besonders im Gesundheitswesen, einem der größten und ressourcenintensivsten Sektoren, ist die Notwendigkeit für Maßnahmen in Richtung nachhaltigeren Handelns evident. Der Klimawandel hat nicht nur für den Planeten drastische Folgen, sondern auch für die menschliche Gesundheit. Die klimatischen Veränderungen begünstigen die Zunahme von Allergien, Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems, sie führen zu steigenden Infektionszahlen und zur Zunahme von psychischen Erkrankungen wie Depressionen. Nachhaltigkeit und Klimaschutz anhaltend in den Fokus des Handelns im Gesundheitswesen zu rücken, ist somit von großer Relevanz.

Doch was bedeutet „Nachhaltigkeit“ und welche Ansätze gibt es, um Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser nachhaltiger und das Handeln im Einklang mit den Bemühungen um Klimaneutralität zu gestalten?

Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung versteht den Begriff als ethisches Handlungsprinzip, das uns verpflichtet, „die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden.“ Konkretisiert wird diese recht vage Definition durch das Drei-Säulen-Modell. Die drei Säulen bilden

  1. die Ökologie,
  2. die Ökonomie und
  3. das Soziale.

Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung des Bundestages formuliert eine konkretere Handlungsmaxime: „Wir dürfen nicht heute auf Kosten von morgen leben! Wir sollen nicht mehr verbrauchen, als künftig wieder bereitgestellt werden kann.“ Angesichts der massiven Effekte des Klimawandels und den Auswirkungen für zukünftige Generationen liegt der Fokus der Diskussionen um Nachhaltigkeit und nachhaltiges Handeln auf der Säule „Ökologie“.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Gesundheitswesen: Status Quo

Der Gesundheitssektor in Deutschland ist ein Wirtschaftszweig mit großer ökonomischer Bedeutung und spielt eine zentrale Rolle bei der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Im Jahr 2022 betrugen die Gesundheitsausgaben in Deutschland 497,7 Milliarden Euro, was etwa 12,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachte. Derzeit arbeiten rund 6 Millionen im Gesundheitswesen. Das entspricht etwa 17,7 Prozent der Gesamtbeschäftigung. Jeder achte Erwerbstätige in Deutschland ist somit in einer Einrichtung des Gesundheitswesens beschäftigt. Die Tendenz ist schon seit Jahren steigend.

Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen verbrauchen global große Mengen an Energie und Wasser, erzeugen erhebliche Mengen an Abfall und emittieren eine Vielzahl von Schadstoffen. Die Bundesärztekammer berichtet mit Verweis auf den „Health care climate footprint report“, dass der Gesundheitssektor mit zwei Gigatonnen CO2 Äquivalent pro Jahr für 4,4 Prozent der globalen Nettoemissionen verantwortlich ist. Zur besseren Einordnung dieser Zahl bietet die Kammer einen anschaulichen Vergleich: „Wäre der globale Gesundheitssektor ein Land, wäre er der fünftgrößte Emittent von Klimagasen im weltweiten Ranking der Länder.“ Das Gesundheitswesen verursacht aktuell gar mehr Schadstoffemissionen als der Flugverkehr oder die Schifffahrt, zu dem Ergebnis kommt das von PwC veröffentlichte Healthcare-Barometer 2022. Mit rund 71 Prozent verursachen Medizinprodukte und die mit ihnen verbundenen Lieferketten den größten Anteil der Emissionen. Mit rund 5 Prozent des Gesamtrohstoffkonsums in Deutschland liegt das Gesundheitswesen auch in diesem Bereich weit vorne.

Die Aktivitäten des Gesundheitswesens tragen somit maßgeblich zur Belastung unseres Klimas und der Umwelt bei. Zugleich bedeutet dies, dass durch das Ergreifen geeigneter Maßnahmen ein signifikanter Beitrag für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz beleistet werden kann.

Berufsbild Klimaschutzmanager
Kommunen und Unternehmen werden sich zunehmend ihrer Verantwortung für und den Herausforderungen durch den Klimawandel bewusst. Sie suchen daher immer häufiger nach Fachexperten, die sie bei der Umsetzung von Klimaschutzstrategien unterstützen können. Durch ihre Tätigkeit tragen Klimaschutzmanager dazu bei, Treibhausgasemissionen der Unternehmen und Kommunen zu reduzieren. Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Klimaschutzmanager:

  • Was ist ein Klimaschutzmanager?
  • Welche Aufgaben betreuen Klimaschutzmanager?
  • Wie werde ich Klimaschutzmanager?
  • Welche Weiter­bildungs­möglich­keiten gibt es?
  • Wie viel verdient ein Klimaschutzmanager?
  • Welche Karrieremöglichkeiten gibt es?

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Strategien und Maßnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes

Welche Maßnahmen sind nun geeignet, um Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Gesundheitswesen anhaltend zu verankern? Es gibt eine Vielzahl von teilweise niedrigschwelligen Möglichkeiten und verschiedenen Ansatzpunkte. Um den Unternehmen den ersten Schritt in Richtung Handeln zu erleichtern, hat die Arbeitsgruppe „Klimawandel“ der Bundesärztekammer zehn Handlungsfelder identifiziert und für jedes Empfehlungen erarbeitet.

Die folgende Auflistung soll einen Eindruck vermitteln und einen Überblick geben:

  1. Unternehmensführung, bspw. Etablierung eines Berichtswesens zum CO2-Fußabdruck und zu den ergriffenen Maßnahmen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
  2. Energieverbrauch, bspw. Optimierung des Einsatzes von Energie zur Warmwassererzeugung durch Einsatz erneuerbarer Energien und durch Einsatz wassersparender Steuerungsmechanismen
  3. Gebäude und Gelände, bspw. Ausweitung von Grünanlagen inklusive Förderung der Biodiversität, klimaadaptierte Baumpflanzung
  4. Anästhesiegase / Inhaler / chemische Stoffe, bspw. Auffangen des freiwerdenden CO2 durch Filter, Reduktion von Inhalationssprays / Inhaler wo möglich durch Nutzung anderer Darreichungsformen der Medikamente
  5. Wasser, bspw. Minimierung des Wasserverbrauchs durch Sammeln von Regenwasser zur Bewässerung von Gartenanlagen
  6. Abfall, bspw. Reduktion der Verwendung von Einmalprodukten, Umstellung auf Recyclingpapier, Papiervermeidung durch Digitalisierung
  7. Transport, Vermeidung unnötiger Fahrten/Reisen durch Videokonferenzen und -sprechstunden, Teilnahme an Programmen zum Fahrradleasing
  8. Einkauf, bspw. Optimierung der Lieferketten
  9. Ernährung, bspw. vermehrte Nutzung lokaler und saisonaler Produkte für Patienten, Mitarbeiter und Besucher, vermehrt vegetarische Küche
  10. Büro / EDV, bspw. Nachhaltigkeit im Internet bei der Auswahl von Suchmaschinen und E-Mail-Diensten

Selbstredend dürfen die Maßnahmen die Einhaltung medizinischer Standards nicht gefährden. Das Patientenwohl ist nach wie vor das oberste Gut im Gesundheitswesen. In vielen Fällen sind die Maßnahmen zunächst mit Investitionen verbunden. Mittel- und langfristig können die Unternehmen jedoch anhaltend ihre Kosten reduzieren und möglicherweise ihre Prozesse effizienter gestalten.

Die Treiber für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Gesundheitswesen

Die Einführung nachhaltiger Praktiken im Gesundheitswesen wird von einer Vielzahl von Faktoren und Treibern beeinflusst. Sie lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, die alle dazu beitragen, dass der Sektor ökologisch verantwortungsvoller wird.

  • Medizinischer und technologischer Fortschritt:
    Moderne Technologien wie energieeffiziente medizinische Geräte, digitale Gesundheitslösungen und telemedizinische Anwendungen haben nicht nur das Potential, die Qualität von und den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen zu steigern, sondern zugleich den Ressourcenverbrauch drastisch zu senken. Beispielsweise ermöglichen digitale Patientendaten eine effizientere Verwaltung bei verringertem Papierverbrauch.

 

  • Demografische Veränderungen und steigende Gesundheitskosten:
    Die alternde Bevölkerung in vielen Industrieländern führt zu einer erhöhten Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen. Diese steigende Nachfrage übt Druck auf die Gesundheitssysteme aus und macht effiziente, nachhaltige und kostensensitivere Lösungen notwendig. Nachhaltige Praktiken, die beispielsweise den Energie- und Ressourcenverbrauch reduzieren und Abfall minimieren, tragen wesentlich dazu bei, die Betriebskosten der Einrichtungen zu senken.

 

  • Gesetzliche und regulatorische Anforderungen:
    Regierungen und internationale Organisationen arbeiten stetig an der Umsetzung neuer Vorschriften und Standards und stellen zunehmend strengere Anforderungen an die Einrichtungen des Gesundheitswesens. Die Richtlinie (EU) 2022/2464 zur Nachhaltigkeitsberichterstattung beispielsweise, die am 5. Januar 2023 in Kraft getreten und bis Mitte dieses Jahres in nationales Recht umzusetzen ist, bedeutet für die Unternehmen umfassende Änderungen der Anforderungen hinsichtlich der nichtfinanziellen Berichterstattung.

Die Hürden für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Gesundheitswesen

Während der demografische Wandel, die zunehmende Digitalisierung und der technologische Fortschritt einerseits Treiber für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz sein können, stellen sie Gesundheitseinrichtungen zugleich vor große Herausforderungen. Viele Häuser schaffen es angesichts der vielfältigen Anforderungen nicht, das in den Trends liegende Potenzial für ihre Organisation zu heben. Zugleich hemmen Entwicklungen wie der Fachkräftemangel die Verankerung von Nachhaltigkeit und Klimaschutz: Ein vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten nennt zudem die folgenden Faktoren als wesentliche Hemmnisse:

  • Fehlende Anreize und Informationen: Angesichts fehlender monetärer oder regulatorischer Anreize entscheiden sich Unternehmen oft, sich nicht mit der Umsetzung von Maßnahmen zu beschäftigen. Zugleich fehlen in vielen Fällen Informationen zur Finanzierung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen.

 

  • Organisatorische Einschränkungen: Belange der Nachhaltigkeit werden in der Regel nicht im Management thematisiert und sind nur wenig in den Leitungsebenen der Unternehmen verankert.

 

  • Ressourcenmangel: Es mangelt den Einrichtungen an Zeit, Geld und Personal.

Fazit

Wenngleich es praxistaugliche und teils niedrigschwellige Ansatzpunkte gibt, wird im Gesundheitswesen aktuell zu wenig Gewicht auf nachhaltige Praktiken gelegt. Um Nachhaltigkeit dauerhaft in den Prozessen zu verankern, bedarf es weiterer Impulse und regulatorischer Vorgaben, sowie der Platzierung des Themas auf Leitungsebene. Die Effekte des Klimawandels werden zunehmend deutlich. Die Bedrohungen für Gesellschaft und Umwelt betreffen alle. Jeder Akteur steht in der Pflicht, einen Beitrag zu leisten. Diese Sicht teilt auch die Ärzteschaft. Der 125. Deutsche Ärztetag konstatierte die Notwendigkeit einer nationalen Strategie für eine klimafreundliche Gesundheitsversorgung und fordert Klimaneutralität bis 2030. An geeigneten Maßnahmen fehlt es nicht. Seitens der Politik bedarf es jedoch der Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen und seitens der Unternehmen des Umsetzungswillens. So oder so, die Effekte des Klimawandels werden sich auch in Zukunft zunehmend verschärfen und die Menschen begleiten.

 

Über die Autorin:
Nathalie Roskaritz ist Produktmanagerin und in der DGQ Weiterbildung für die Angebote im Bereich Qualitätsmanagement im Gesundheits- und Sozialwesen verantwortlich.

Einfluss von ESG-Ratings auf die Nachhaltigkeit von Unternehmensprozessen, Teil 2

ESG, Environmental, Social, Governance

ESG-Ratings kommt bei der Bewertung der Nachhaltigkeit von Unternehmen eine hohe Bedeutung zu. In Teil 1 dieses Fachbeitrags standen grundlegende Aspekte von ESG-Ratings im Fokus. Teil 2 beleuchtet verschiedene Perspektiven auf mögliche ESG-Strategien von Unternehmen und die Aussagekraft von entsprechenden Ratings.

ESG-Ratings vermitteln ein übersichtliches und verständliches Bild davon, wie ein Unternehmen in den Bereichen Umwelt (E), Soziales (S) und Unternehmensführung (G) abschneidet. Diese Ratings haben sowohl für Shareholder als auch für Stakeholder Bedeutung, da diese vermehrt Geschäftsentscheidungen auf Grundlage ethischer Grundprinzipien treffen. Für Unternehmen gibt es eine Reihe von Vorteilen, die gute ESG-Ratings mit sich bringen. Hierzu zählt sowohl der Zugang zu günstigem Eigenkapital, da die eigenen Aktien stärker nachgefragt werden, als auch zu Fremdkapital, da Kreditinstitute bei nachhaltig ausgelegten Unternehmensführungsansätzen ein geringeres Ausfallrisiko sehen. Zusätzlich kann sich ein Unternehmen durch externe Bestätigungen der eigenen Nachhaltigkeit sehr gut am Markt positionieren und mit verbesserter Markenbekanntheit rechnen.

Bedeutung der EU-Taxonomie für ESG-Ratings

Hinsichtlich Selbstverständnis und Ziel von ESG-Ratings gibt es aktuell keine Einheitlichkeit, da die verschiedenen Ratingagenturen ihre Beurteilungen aus unterschiedlichen Perspektiven einbringen. Einige Ratings sind eher für kapitalmarktorientierte Unternehmen bestimmt und andere Ratings für die Geschäftspartner dieser Unternehmen. Die Ratings wiederum, die für die Zielgruppe der Shareholder ausgelegt sind, lassen sich ihrerseits wieder aus der Reputationsperspektive und der Risikosteuerungsperspektive betrachten. Da es so viele Unterschiede gibt, lässt sich auch nicht abschließend eine spezifische Ratingform ermitteln, die für alle Unternehmen gleich „richtig“ ist. Hier empfiehlt es sich, den Peer-Vergleich heranzuziehen.

Die Erwartungen an die Umsetzung der 2023 veröffentlichten Regulierungen im Rahmen der EU-Taxonomie sind vor diesem Hintergrund enorm. Experten aus dem Kreis der Unternehmensberatungen rechnen mit einer Revolution der „Ratingwelt“ sowie klaren Fortschritten bei der Erreichung der Klimaziele. Die erstmalige Definition von Nachhaltigkeit als Konzept sowie die Formulierung der wichtigsten Risiken kann bereits ein erster und dringend gebrauchter Schritt sein, um immer besser und sicherer, gemeinsam den Klimawandel zu bewältigen. Da jedoch viele der Regulierungen erst noch in Kraft treten, bleibt es abzuwarten und zu beobachten, wie der Markt auf die neuen Nachhaltigkeitsberichte reagiert, die im Rahmen der CSRD für zahlreiche Unternehmen verpflichtend werden. Wenn damit praktisch eine „zweite Säule“ neben der finanziellen Berichterstattung etabliert wird, können Share- und Stakeholder Unternehmen künftig deutlich besser einschätzen. Außerdem sollen einheitliche Daten veröffentlicht werden, ermittelt anhand einheitlicher Formeln, geprüft und bestätigt von unabhängigen Prüfern.

Die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte wird demnach künftig einer der essenziellen Blöcke sein, auf den Ratings sowie Informationen für Shareholder und Stakeholder aufbauen. Da in kurzer Zeit sehr viele Prüfungsaufträge entstehen werden, wenn in kommender Zeit viele Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen müssen, könnte sogar ein ganzes Geschäftsfeld entstehen und ausgebaut werden.

In diesem Zusammenhang gewinnt die Green Asset Ratio an Bedeutung. Diese in Nachhaltigkeitsberichten anzugebende Kennzahl gibt wieder, zu welchem Anteil ein Unternehmen seine Prozesse mit 0-Emissionen betreibt. Da die Green Asset Ratio sehr vergleichbar ist, könnte sie ESG-Ratings sogar überflüssig machen – abhängig davon, wie der Markt sie annimmt.

Die ersten Nachhaltigkeitsberichte werden ab 2024, jeweils mit Stichtag 31. Dezember 2023, veröffentlicht. Da die EU-Taxonomie in so vielen Bereichen übersichtlicher, vergleichbarer und standardisierter als ESG-Ratings sein soll, stellt sich die Frage, ob ESG-Ratings überhaupt einen zusätzlichen Mehrwert bieten oder nur noch dazu sind, dass Anleger beim Investieren ein gutes Gewissen haben. Experten zufolge jedoch waren und sind ESG-Ratings ein Schritt in die richtige Richtung. Damit einhergehend können die neuen Regelungen seitens der EU einen großen Unterschied machen.

Berufsbild Nachhaltigkeitsmanager

Die Themen Nachhaltigkeit und Klima­schutz gehören zu den Mega­trends unserer Zeit. Für Unter­nehmen wird es somit immer wichtiger, CSR-Maßnahmen um­zu­setzen und ihrer gesell­schaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Mit dem größeren Fokus auf Nachhaltigkeit haben sich in den letzten Jahren eine Vielzahl an grünen Jobs entwickelt, wie beispielsweise der Job als Nachhaltigkeitsmanager.
Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Nachhaltigkeitsmanager:

  • Welche Aufgaben betreuen Nachhaltigkeitsmanager?
  • Wie werde ich Nach­haltigkeits­beauf­tragter?
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Rating-Verbesserungen und Greenwashing-Gefahr

Die aktuellen ESG-Ratingmechanismen sind zum Teil noch sehr undurchsichtig. Ratingagenturen zeigen in ihrer Bewertungsstrategie keinerlei Transparenz, gleichzeitig aber verlangen sie sehr hohe Lizenzgebühren, die von Dritten nicht einsehbar sind. Bewertungen scheinen oft unfair und nicht nachvollziehbar oder gar widersprüchlich. Daher empfiehlt es sich nicht, Unternehmensprozesse für eine Ratingverbesserung zu ändern. Stattdessen empfehlen Experten, für eine Ratingverbesserung einfach mehr Informationen offenzulegen. Dabei ist grundsätzlich weniger wichtig, welche Informationen offengelegt werden, solange es insgesamt „mehr Informationen“ sind. Ratingagenturen verfügen über automatische Crawler, also Bots, die die veröffentlichten Informationen von Unternehmen herunterladen und auswerten. Jedoch haben die Agenturen nicht die Ressourcen, um die Informationen zu validieren oder gar qualitativ zu bewerten.

Als Folge könnten Unternehmen also bei der Definition der Ziele „einen Puffer einbauen“, um den eigenen CO2-Ausstoß bis 2030 weniger reduzieren zu müssen. Wenn für ein Unternehmen absehbar ist, dass der CO2-Ausstoß sich durch einen ohnehin anstehenden Lieferantenwechsel oder ähnliches verringert, könnte die Zielformulierung dementsprechend so ausfallen, dass das Ziel ohne Probleme erreicht wird. Je nach Auswirkung des beispielhaften Lieferantenwechsels wird das Ziel damit eventuell sogar unterschritten, sodass Mitarbeiter:innen zum Beispiel sogar mehr als zuvor mit dem Flugzeug reisen könnten, ohne dass die Zielerreichung gefährdet wird. Im Ergebnis kann es also vorkommen, dass ein Rating sich verbessert, obwohl ein Ziel nicht sehr ambitioniert gesetzt wurde – allein dadurch, dass neue Informationen veröffentlicht wurden. Aus diesem Grund ist eine Verbesserung der Ratings vergleichsweise simpel, was wiederum Anlass zu Greenwashing-Kritik gibt.

Argumente für ESG-Ratings

Es gibt viele gute Gründe, als Unternehmen ein sehr gutes ESG-Rating anzustreben. Ganz vorne liegen laut Experten insbesondere finanzielle Incentivierungen. Allerdings können bislang keine klaren statistischen Korrelationen zwischen Ratingverbesserungen und Kapitalkosten bewiesen werden. Jedoch sind finanzielle Anreize, als Unternehmen ein ESG-Rating zu erlangen, auch über die Gewinnung von lukrativen neuen Geschäften gegeben. So benötigen vor allem jene Unternehmen, die bereits Nachhaltigkeitsberichte schreiben, einen Nachweis über die Nachhaltigkeit ihrer Geschäftspartner.

Darüber hinaus wird immer wieder eine verbesserte Reputation als Anreiz angeführt: Wenn ein Unternehmen sich als besonders „grün“ positionieren möchte, darf ein gutes Rating nicht fehlen. Jedoch sind für eine solche Positionierung zwingend auch weitere „Commitments“ notwendig, die diese Behauptungen unterstreichen.

Wenn ein Unternehmen sein Rating verbessern möchte, scheint es aktuell allerdings entweder nicht genug oder überhaupt nicht wirkungsvoll, seine CO2-Werte zu reduzieren. Dies mag auf den ersten Blick widersprüchlich klingen. Was jedoch für die tatsächliche Erreichung von Klimazielen gebraucht wird, sind eine klare Strategie und ambitionierte selbstgesetzte Ziele. Ein gutes Rating sollte sich nicht darauf verlassen, wie viel CO2 das Unternehmen aktuell einspart, wenn keine Informationen darüber vorliegen, wie die Pläne des Unternehmens über die Beibehaltung dieser Umstellung sind. Stattdessen empfiehlt es sich, die langfristigen Ziele eines Unternehmens zu bewerten, auch bevor sie vollständig umgesetzt sind. Künftig sollen Ratings sinnvollerweise auch das abdecken und so interessierten Parteien ein umfassenderes und eindeutigeres Bild über die Nachhaltigkeitsaktivitäten eines Unternehmen geben.

Obwohl das zum Teil auch zu besseren Ratings auf Basis von leeren Versprechungen führen kann, stellen Unwahrheiten nicht die größte Herausforderung dar. Stattdessen greifen in diesem Fall die klassischen politischen Probleme: Definitionsfragen und lange Diskussionen über die Relevanz von Details. Dabei ist jedoch zu beachten, dass, wie oben erwähnt, Nachhaltigkeit zukünftig auch in Form von Mitgliedschaften, Initiativen und Verpflichtungen bei den Ratings berücksichtigt wird. Dass sich Unternehmen letztendlich dagegen entscheiden könnten, die geäußerten Verpflichtungen auch einzuhalten, wie es beispielsweise einzelne Länder bei der Erreichung der Klimaziele 2020 taten, ist in Ratings allerdings nicht berücksichtigt.

Fazit: Die richtigen Anreize für ESG-Ratings setzen

ESG-Ratings spielen eine zentrale Rolle bei der Bewertung der Nachhaltigkeit von Unternehmen, die sich sowohl an Shareholder als auch Stakeholder richtet. Die Auswahl einer geeigneten Ratingagentur durch ein Unternehmen gestaltet sich jedoch herausfordernd, da verschiedene Anbieter unterschiedliche Schwerpunkte und Kriterien haben, was zu widersprüchlichen Ergebnissen führen kann. Dieses Problem sollte jedoch durch das Inkrafttreten der EU-Taxonomie Regulierungen adressiert werden, da die meisten großen Unternehmen ab 2025/26 einmal jährlich einen standardisierten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen müssen. Dazu zählen kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die kapitalmarktorientiert sind, Drittstaatenunternehmen mit 150 Mio. Euro Umsatz in der EU oder Zweigniederlassungen, die mehr als 40 Mio. Euro Umsatz erreichen.

Die bisherigen Unterschiede in den Ansätzen der ESG-Ratings, insbesondere zwischen der Bewertung der Umweltauswirkungen und der Risiken durch ESG-Faktoren, sind allerdings als problematisch zu betrachten. Die Diversität der ESG-Ratings und die komplexe Thematik machen es für Leser des Ratings schwer, klare Schlussfolgerungen zur Nachhaltigkeit eines Unternehmens zu ziehen. Jedoch bleibt momentan auch bei gut funktionierenden ESG-Ratingsystemen und den genannten Vorteilen zum Teil noch fraglich, wofür Unternehmen ihr Rating verbessern sollten. Schließlich können viele der genannten Vorteile auch durch ein mittelmäßiges oder gutes Rating erzielt werden. Daher gilt es für die Zukunft, die Akzeptanz von ESG-Ratings im Allgemeinen in der Gesellschaft und Wirtschaft zu steigern und die Unabdingbarkeit von guten bis sehr guten Ratings gegenüber mittelguten Ratings zu festigen. Nur sehr gute Ratings sollten Unternehmen zum Vorteil gereichen, um dadurch den Anreiz zu steigern. Vor diesem Hintergrund müssen die Anreize für echte Änderungen offenbar weiterhin von der Politik durch gesetzliche Rahmenbedingungen getragen werden.

 

Lesen Sie auch Teil 1 der Fachbeitrags-Reihe: Einfluss von ESG-Ratings auf die Nachhaltigkeit von Unternehmensprozessen, Teil 1 »

Der Text wurde von Prof. Dr. Irina Mazilu-Eyaz und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Simone Schwarz verfasst und beruht auf der von Prof. Dr. Irina Mazilu-Eyaz und Prof. Dr. Alexander Rühl betreuten Bachelorarbeit von Herrn Maximilian Krause an der Hochschule RheinMain.

 

Über die Autoren:

Prof. Dr.-Ing. Irina Mazilu-Eyaz hat Materialwissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt und am Imperial College London studiert. Während Ihrer 11-jährigen Berufstätigkeit bei einem internationalen Technologiekonzern sammelte sie Erfahrung im Qualitätsmanagement und wurde zur Methoden-Expertin für technische Problemlösung. Seit 2021 ist sie Professorin für Qualitätsmanagement und Werkstoffkunde an der Hochschule RheinMain und entwickelt auch neue Lehrveranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit. Im Mai dieses Jahrs wurde sie ins Leitungsteam des DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit gewählt.

Kontakt: irina.mazilu-eyaz@hs-rm.de, www.hs-rm.de

Bis Ende 2023 war Simone Schwarz wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule RheinMain und arbeitet jetzt beim GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH in Darmstadt. Sie forscht für ihr Promotionsvorhaben zum Thema Nachhaltigkeit und Circular Economy im Bereich Maschinenbau.

Kontakt: s.schwarz@gsi.de, www.gsi.de

Nachhaltigkeit messen – Wie kommen wir an Kennzahlen? Drei Bausteine zum Erfolg

Nachhaltigkeit, ESG, Kennzahlen

Ob Nachhaltigkeitsmanager, Umweltbeauftragter, Qualitätsmanager, Unternehmensentwickler oder Geschäftsführung: Jeder Themenverantwortliche in Organisationen hat bei der Messung von Nachhaltigkeit eine eigene Perspektive und unterschiedliche Fragestellungen zu beantworten. Bei der Vielzahl an Bearbeitungsmöglichkeiten, Regularien, Standards, Materialien, Quellen etc. stellt sich dabei die zentrale Einstiegsfrage: Womit kann ich bei der Kennzahlenentwicklung sinnvollerweise beginnen?

Baustein 1: Ziele müssen klar beschrieben sein, erst dann sind Kennzahlen sinnvoll

Im Internet erhalten Suchende über einschlägige Suchanfragen nach „ESG-Indikatoren“ u.a. eine Vielzahl von „Kennzahlenkatalogen (GRI, DNK)“ oder auch Jahresberichten von Konzernen (zum Beispiel von SAP, Siemens, Telekom). Aus Sicht des DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit liefern solche Betrachtungen jedoch keine systematisch verwertbaren Erkenntnisse. Häufig passen die gezeigten Kennzahlen nicht zur Strategie und Ausrichtung der jeweiligen Organisation. Gerade kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) bleiben bei der Zahlenflut oftmals ratlos zurück. Der Nutzen der Kennzahlen wird nicht klar, auch der Mix aus quantitativen und qualitativen Werten erschließt sich nicht sofort. Hinweise für die Entwicklung von Kennzahlen und deren Steuerungswirkungen können so nicht erzielt werden. Hierfür sind zunächst die jeweiligen Nachhaltigkeits- oder ESG-Ziele klar zu beschreiben und in der Unternehmensstrategie bzw. -ausrichtung zu verankern.

Dabei könnte zukünftig eine ISO-Norm helfen, die sich derzeit in der Entwicklung befindet: die ISO 53001 („Management systems for the UN Sustainable Development Goals – Requirements“), die derzeit im ISO-Gremium PC 343 erarbeitet wird.

Im ersten Schritt müssen die eingangs genannten Themenverantwortlichen anhand einiger Grundsatzüberlegungen und ausgehend vom bestehenden Reporting/Berichtswesen erst einmal verstehen, worum es bei der Nutzung von Kennzahlen eigentlich geht:

  • Was will ich erreichen? Was möchten meine Stakeholder? Welchen Nutzen will ich erreichen?
  • Wie kann ich das Gewünschte messen bzw. Veränderungen nachvollziehbar beobachten?
  • Was ist nicht vorhanden und wie kann es ermittelt werden?
  • Was sind die Grenzen meiner Ressourcen?

Erst wenn das Verständnis für diese Fragestellungen vorhanden ist, ist im zweiten Schritt ein fokussiertes Weiterkommen möglich. Über die Beantwortung dieser Fragen wird klarer, welche Kennzahlen für die eigene Organisation wichtig sind und helfen, die Unternehmenssteuerung unterstützen. Kennzahlen müssen dabei Nachweise dafür liefern, inwieweit ein Leistungsergebnis im Laufe der Zeit eintritt. Folgende Grundsätze sind für die Entwicklung von Kennzahlen zu berücksichtigen.

  1. Resultat“: Das gewünschte Ergebnis ist klar beschrieben
  2. Fokus“: Ein klarer Fokus ist vorhanden
  3. Prozess oder Aktivität“: Konkrete Prozesse oder Aktivitäten sind geplant, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen
  4. Messung“: Es gibt eine oder mehrere Kennzahlen, anhand derer das Erreichen des Ergebnisses überprüft werden kann
  5. Zielwert und Zeitrahmen“: Zielwerte für Kennzahlen und Zeitrahmen, in denen erstere erreicht werden sollen, sind vorausschauend festgelegt.

Baustein 2: Starten statt Warten

Aktuell gibt es noch keine ESG-Checklisten, die einfach abzuarbeiten sind. Auch die Anforderungen an die Berichterstattung (CSRD usw.) bereiten noch vielen Probleme. Wie können dennoch “low hanging fruits“ geerntet werden?

Als Soforteinstieg bietet sich eine Statusbestimmung an, die auch bereits mit einer Stakeholderbetrachtung gemäß der künftig geforderten „Doppelten Wesentlichkeitsanalyse“ gekoppelt werden kann. Damit können Aufwände und Zeitdruck in der zwingenden Realisierungsphase reduziert werden.

Üblicherweise sind diverse Bereiche innerhalb einer Organisation in die Kennzahlenthematik zu involvieren. Nicht alle wissen dabei voneinander. Zudem ist oft nicht klar, was gegebenenfalls schon vorhanden ist (zum Beispiel Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen, Daten aus dem Controlling/Rechnungswesen). Vorhandene Managementsysteme bieten – sofern vorhanden – einen Einstieg in eine übergreifende, integrative Betrachtung. Zudem sind hieraus in der Regel bereits Messgrößen verfügbar.

Ein großes Hemmnis ist die Angst vor Zeitaufwand und Kosten. Die Ermittlung von Kennzahlen stellt häufig einen zusätzlichen Arbeitsaufwand dar. Zudem wird das Thema gerne auf der Zeitachse geschoben, da die Budgetverantwortlichen die unmittelbare Relevanz nicht erkennen. Dem sollten die Themenverantwortlichen schon in der Planungsphase nach Kräften entgegenwirken. Übergreifende Zusammenarbeit ist hier ein Erfolgsfaktor.

Gut zu wissen: Es gibt Fördermöglichkeiten. Wichtig dabei: Die Organisationen müssen selbst aktiv werden! Unterstützung bieten verfügbare Finanzförderungen, die auch als Mittel für die Kennzahlenthematik genutzt werden können. Zum Beispiel sind beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auch weitere Fördermöglichkeiten mit folgenden Links zu finden:

Informationen zu Förderprogrammen

Baustein 3: Positiv gestimmte Unternehmenskultur ist sehr wichtig

Die Entwicklung von Kennzahlen ist stark von der Nutzenfrage bestimmt. Ein reines, von der Regulatorik, Banken und Versicherungen etc. gefordertes „Pflichtprojekt“ kann die gewünschten Effekte für die Unternehmenssteuerung nicht erzielen. Auch zu dieser Thematik ist die „Oberste Leitung“ gefordert, Gestaltungswillen zu zeigen, statt nur aus der Notwendigkeit und der regulatorischen Anforderung heraus Kennzahlen zu berichten. Im Idealfall lebt die oberste Leitung das Thema Nachhaltigkeit vor und bezieht es in den Strategieprozess ein. Erst dadurch kommt der Thematik die benötigte Wertschätzung zu.

Für die Umsetzung der Gesamtthematik reicht es nicht, die Aufgabe alleinig beim Qualitätsmanager oder Qualitätsmanagementbeauftragten (QMB) „abzuladen“. Tatsächlich ist dieser nur einer der benötigten Kandidaten in einem interdisziplinären Team. Vernetzung ist wichtig und bezieht in der Zusammenarbeit – je nach Aufstellung der Organisation – Controlling, Finanzbuchhaltung, Rechtsabteilung, Risikomanager, Logistik, Personal, Einkauf u.a. mit ein.

Sobald das angestrebte Ziel klar ist, gilt es , begleitende Ressourcen und Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, um Kollegen:innen zum Mitmachen zu motivieren. Motivierte Kollegen:innen zu gewinnen ist zentral, um eine entsprechende Kultur der Kennzahlenorientierung zu schaffen. Dieser muss allerdings zunächst eine Kultur der Unterstützung von SDGs innerhalb der Organisation vorausgehen. Denn die besten Kennzahlen nützen nichts, wenn keine Nachhaltigkeitsziele eingehalten werden. Die Abfrage unter den Mitarbeitenden, wer beim Kennzahlenreporting mitmachen will, ist eine Möglichkeit. Weitere Möglichkeiten bieten zum Beispiel Foren mit Visualisierungen, Testräume, Communities, Schulungen, Trainings und Netzwerke. Solche internen Beteiligungsmöglichkeiten können dazu motivieren, Beiträge zu leisten, die Sichtbarkeit für die Thematik zu erhöhen, die Know-how Basis zu verbreitern und die Akzeptanz zu erhöhen.

Das Thema „Kennzahlen“ und deren sinnvolle Entwicklung innerhalb der Organisation ist unbestreitbar ein herausforderndes. Da dieses Thema dynamisch bleibt, ist der Fachkreis für ergänzende Impulse offen. Abschließend bleibt festzuhalten: Es gibt keine „One Size fits all Lösung“. Denn jede Organisation hat die Aufgabe, individuelle Kennzahlen-Settings zu erarbeiten.

 

Über die Autoren:
Die Verfasser Dirk Kohlenberg, Frank Gerhäuser, Jonas Hegewald, Henry Wehrenberg und Wilhelm Floer bilden die Arbeitsgruppe „Kennzahlen“ des DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit.

Der Fachkreis bietet eine entscheidende Plattform, über die wir Wissen teilen, gemeinsam lernen und Umsetzungsbeispiele für die Praxis erarbeiten und bereitstellen. Wir wollen damit einen Gestaltungsspielraum für engagierte Personen aus Organisationen bieten, die sich ihrer unternehmerischen Verantwortung gegenüber der Umwelt und der Gesellschaft, aber auch der eigenen Organisation bewusst sind. Dies gilt für die Gegenwart und die Zukunft. Somit vereinen wir Managementsysteme und Nachhaltigkeitsbestrebungen.

Von der Linearen Wirtschaft zur Kreislaufwirtschaft (Circular Economy), Teil 2 – Hinweise für die Umstellung

Circular Economy

Der Circularity Gap Report 2021 titelt „Wir alle lassen die Menschen und den Planeten im Stich… damit unsere Welt lebenswert bleibt und blüht, müssen wir die globale Kreislaufwirtschaft von 8,6 Prozent auf 17 Prozent verdoppeln“ (englische Fassung übersetzt). Zweifelsfrei besteht dringender Handlungsbedarf. Was jedoch hindert Organisationen daran, die Transformation zu einer „Circular Economy“ voranzutreiben? Einige Organisationen können offensichtlich die Vorteile der Kreislaufwirtschaft „noch“ nicht erkennen. Gründe könnten sein: fehlende Zahlen, Daten, Fakten, fehlendes Wissen und/oder fehlende Ressourcen zur erfolgreichen Umsetzung.

Dem gegenüber stehen Erfolgsmeldungen von Unternehmen, die frühzeitig die Chancen erkannt haben. Im Mai 2022 veröffentlichte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) eine Studie, aus der hervorgeht, dass Unternehmen mit zirkulären Geschäftsmodellen wirtschaftlich erfolgreicher sind. Die Kreislaufwirtschaft gilt daher als das Wirtschaftsmodell der Zukunft.

Wirtschaftliche Vorteile

Organisationen können durch eine zirkuläre Unternehmensstrategie wirtschaftliche Vorteile erzielen. Vom Rohstoffeinkauf und -einsatz über das Design als auch die Herstellung, den Vertrieb, die Verwendung, die Wiederverwertung und Reparatur sowie das Recycling bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, neue, innovative und insbesondere nachhaltige Lösungen zu entwickeln.

Ein funktionierendes Netzwerk mit Blick auf die vor- und nachgelagerten Prozesse der Wertschöpfungskette ist hierzu ebenso notwendig. Zulieferer und externe Dienstleister sind wichtige Partner. Viele Daten werden benötigt, um die neuen zirkulären Abläufe zu bewerten und, sofern notwendig, nachzubessern. Eine wesentliche Voraussetzung zur erfolgreichen Umsetzung ist ein hoher Digitalisierungsgrad.

Zweifellos ist zu beobachten, dass auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene die regulatorischen Vorgaben für die Transformation in Richtung einer Kreislaufwirtschaft zunehmen – soll heißen: Die Abkehr von einer linearen Wirtschaft ist alternativlos. Es lohnt sich für Organisationen, frühzeitig Kreislaufstrategien zu entwickeln und in Kreisläufen zu wirtschaften.

Dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sich hier schwertun, ist verständlich. Oftmals fehlt es an Ressourcen und/oder Unterstützung durch Experten. Nachfolgend eine kleine, nicht vollständige, Linksammlung zu Förderprogrammen. Hier finden Organisationen sowohl Anregungen zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft als auch Fördermöglichkeiten auf europäischer, bundesweiter und landesweiter Ebene:

Informationen zu Förderprogrammen und zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft 

Europäische Ebene

  • InvestEU-Programm: Das InvestEU-Programm stellt langfristige Finanzmittel für Projekte und Unternehmen bereit, mit denen die Kreislaufwirtschaft umgesetzt wird.
  • EU-LIFE-Programm: LIFE steht für „L’Instrument Financier pour l’Environnement“ und ist ein Förderinstrument der Europäischen Kommission in den Bereichen Umwelt-, Klima- und Naturschutz sowie Energiewende.

Bundesweite Ebene

Landesweite Ebene

  • IHK Darmstadt: Fördermittel für die Kreislaufwirtschaft, für Forschung und Innovation, für Investitionen und Umsetzungsprojekte, für Beratungsleistungen zum Thema „Zirkuläre nachhaltige Textilien“
  • Land Niedersachsen: Das Land Niedersachsen unterstützt KMU mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) bei Vorhaben zur Steigerung der betrieblichen Ressourceneffizienz und zur Förderung der Kreislaufwirtschaft.

 

Beispiele für erfolgreich umgesetzte Kreislaufwirtschaft

Mit Blick auf die teils komplexen Anforderungen, welche mit der Transformation zur Kreislaufwirtschaft einhergehen, gibt es mittlerweile zahlreiche Beispiele, welche sehr gut zur Orientierung dienen können. Nachfolgend sind nur einige wenige exemplarisch aufgeführt.

  • Recup, Recircle und Vytal: Diese Unternehmen bieten Lösungen für die Gastronomie an. Speisen und Getränke lassen sich gegen Pfand in Mehrwegbehältern verpacken. Damit werden Einwegverpackungen komplett verzichtbar.
  • Patagonia: Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, hochwertige Kleidung herzustellen, welche möglichst lange hält. Darüber hinaus wird die Kleidung so gefertigt, dass sie einfach repariert werden kann. Falls mal etwas repariert werden muss, bietet das Unternehmen in einigen Stores Reparaturdienstleistungen für seine Produkte an. Hier können Kunden ihre Kleidung an sogenannten Repair-Stationen kostenfrei reparieren lassen.
  • Ikea: Für Ikea ist die Wiederverwendung der Produkte wichtig. Der Ikea-Service bietet seinen Kunden eine „Zweite Chance“ für Produkte an. Jene Produkte, für welche die Kunden keine Verwendung mehr haben, werden von Ikea aufgekauft und finden in den Ikea-„Fundgruben“ neue Besitzer.
  • BMW: Für BMW ist Zirkularität ein strategisch wichtiges Thema und die Organisation sieht darin vielfältige Chancen. Unter anderem reduziert die Wiederverwendung wertvoller Ressourcen die kritische Abhängigkeit von kostspieligen Primärrohstoffen.
  • Stadt Amsterdam: Die Stadt will bis 2030 ihren Rohstoffverbrauch um 50 Prozent verringern und bis 2050 vollständig auf Kreislaufwirtschaft umstellen. Das bedeutet, sich von den klassischen ökonomischen Ansätzen zu lösen, um das gesteckte Ziel zu erreichen.

Diese Aufstellung ließe sich beliebig fortführen. Aus allen Branchen und Bereichen, national und international, gibt es viele positive Beispiele. Sofern noch nicht geschehen, ist es an der Zeit, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Der DGQ-Fachkreis Nachhaltigkeit steht als Netzwerkpartner gerne jederzeit für Fragen zur Verfügung.

 

Lesen Sie mehr zum Thema Circular Economy im ersten Teil der Beitragsreihe: Von der Linearen Wirtschaft zur Kreislaufwirtschaft (Circular Economy), Teil 1 – ein Überblick »

 

Über die Autoren:

Prof. Dr.-Ing. Irina Mazilu-Eyaz hat Materialwissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt und am Imperial College London studiert. Während Ihrer 11-jährigen Berufstätigkeit bei einem internationalen Technologiekonzern sammelte sie Erfahrung im Qualitätsmanagement und wurde zur Methoden-Expertin für technische Problemlösung. Seit 2021 ist sie Professorin für Qualitätsmanagement und Werkstoffkunde an der Hochschule RheinMain und entwickelt auch neue Lehrveranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit. Im Mai dieses Jahrs wurde sie ins Leitungsteam des DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit gewählt.

Dr. Wilhelm Floer hat als promovierter Maschinenbauingenieur und Qualitätsmanagement-Experte zahlreiche praktische Erfahrungen im Rahmen von Audits gesammelt. Er war über zehn Jahre im QM-Bereich Automotive in den unterschiedlichsten Positionen bei verschiedenen Unternehmen (OEM und First Tier) tätig. Bei einem namhaften Haushaltsgerätehersteller hat er sich unter anderem für agiles QM und als Energie- und Umweltmanagementvertreter für Nachhaltigkeitsthemen eingesetzt sowie als Co-Autor bei der Erstellung der Nachhaltigkeitsberichte mitgewirkt. Als Dozent für die DGQ leitet Dr. Wilhelm Floer seit 2019 verschiedene Trainings. Derzeit arbeitet er als Digitaler Nomade und steht als Freelancer, Coach und Consultant für VDA-, QM-, UM-, EM- und Nachhaltigkeits-Themen zur Verfügung. Wilhelm Floer ist Mitglied des Leitungsteams des Fachkreis Nachhaltigkeit.

Von der Linearen Wirtschaft zur Kreislaufwirtschaft (Circular Economy), Teil 1 – ein Überblick

Circular Economy

Die sogenannte „Circular Material Use Rate“ entspricht dem Anteil der Ressourcen, die in einer Volkswirtschaft genutzt werden und aus recycelten Produkten oder wiedergewonnen Materialien stammen. Während die Recyclingquote stetig zunimmt und europaweit im Jahr 2020 bei ca. 47,8 Prozent lag, nahm erstere hingegen von 2019 auf 2021 ab und lag zuletzt auf einem niedrigen Niveau von 11,7 Prozent. Angesicht der Tatsache, dass der Abbau und die Verarbeitung von Primärrohstoffen mit hohen umweltschädlichen Emissionen und steigenden Beschaffungspreisen verbunden sind, wird die Notwendigkeit im Umdenken der Unternehmen allerdings nicht nur von neuen Gesetzen, sondern tatsächlich auch von ökonomischen Überlegungen getrieben. Das verdeutlicht, welchen großen Impact die Transformation der linearen Wirtschaft zur zirkulären Wirtschaft (Kreislaufwirtschaft/„Circular Economy“) hat. Zu Recht stellt dies den größten wirtschaftlichen Wandel seit der Industriellen Revolution dar.

Was bedeutet Circular Economy?

Bei der Circular Economy handelt es sich um eine Erweiterung des häufig verwendeten Begriffs der Kreislaufwirtschaft auf ein übergreifendes Konzept, das zirkuläre Wirtschaften. Dabei geht es um die Umstellung von einer linearen Wirtschaft, die grob durch das Prinzip „take-make-waste“ gekennzeichnet ist, auf ein zirkuläres Wirtschaftsmodell, bei dem nach Möglichkeit endliche Ressourcen, also nicht-erneuerbare Rohstoffe, im Kreis geführt und wiederverwertet werden. Ähnlich zum „Biologischen Kreislauf“ der Natur, bei dem keine Abfälle, sondern nur neue Wertstoffe entstehen, sollen endliche Ressourcen in einem “Technischen Kreislauf” geführt und wieder zum Einsatz kommen. Im optimalen Fall bedeutet dies, dass endliche Ressourcen als Werkstoffe „unendlich“ in der Technosphäre innerhalb Produkten Verwendung finden. Im weiteren Abschnitt wird vor allem auf die Funktionsweise von Circular Economy im Technischen Kreislauf – also mit Blick auf die endlichen Ressourcen im zirkulären Wirtschaftsmodell – eingegangen.

Circular Economy

Abb. 1: Circular Economy, Endliche Ressourcen in der Technosphäre (eigene Darstellung © I. Mazilu-Eyaz)

Wie funktioniert Circular Economy in der Praxis?

Das zirkuläre Wirtschaften folgt drei Grundprinzipien:

  1. Der höchste Grad (High-Level) an Zirkularität wird durch eine intelligente Produktnutzung erreicht, die den Verbrauch von Materialen per se reduziert.
  2. Durch eine Erhöhung der Produktlebensdauer wird der Materialverbrauch insgesamt verlangsamt.
  3. Der niedrigste Grad (Low-Level) an zirkulärer Wertschöpfung kommt bei der für uns aus der klassischen Kreislaufwirtschaft bekannten Wiederverwertbarkeit von Materialien zum Tragen.

Umgesetzt werden die Prinzipien anhand der sogenannten 10 R-Strategien.

Circular Economy, 10 R-Strategien

Abb. 2: Circular Economy, 10 R-Strategien (eigene Darstellung © W. Floer)

Bei der intelligenten Produktnutzung (1) wird unter „Refuse, Rethink, Reduce” der Ersatz bisheriger Produkte durch neue Geschäftsideen verstanden. So verbirgt sich etwa hinter dem Car-Sharing das Konzept „Product as a Service”, hinter den Unterhaltungs-Streaming-Diensten das Konzept des „Entmaterialisierens“, durch welchen zum Beispiel der Besitz von CDs und DVDs obsolet wird. Natürlich kann der Materialverbrauch auch durch die Erhöhung der Materialeffizienz (zum Beispiel beim Leichtbau) erreicht werden. Hier gilt es aber auch immer, die Nachhaltigkeitsaspekte des effizienteren Werkstoffes entlang der ganzen Lebensdauer zu betrachten, was wieder die Relevanz der internationalen Umweltmanagementnorm ISO 14001 unterstreicht.

Mit Blick auf die Erhöhung der Produktlebensdauer (2) folgen fünf weitere R-Strategien: „Reuse, Repair, Refurbish, Remanufacture, Repurpose”. Während die ersten beiden beispielsweise durch Secondhand-Verkaufsbörsen oder Repair-Cafés hinlänglich bekannt sind, handelt es sich bei den darauffolgenden drei Strategien um weitreichende Vorgänge wie die Aufarbeitung von defekten Produkten mit beispielsweise Software-Updates zur Weiternutzung. Zum „Remanufacturing“ zählt darüber hinaus sogar die Nutzung komplexer technischer Komponenten nach Veränderung einzelner Bauteile als verbesserte Komponente mit gleicher Funktion und – ganz wichtig – bei erneuerten Qualitätsversprechen! Werden hingegen aus den nicht mehr für ihren angedachten Nutzen funktionstüchtigen Produkten neue Produkte mit geänderter Funktion hergestellt, dann spricht man von „Repurpose“. Ein Beispiel dafür ist der „Secondlife“-Einsatz für E-Batterien aus Autos im stationären Bereich.

Mit dem niedrigsten Grad an Zirkularität (3) folgen die Strategien „Recycle”, welche als Ergebnis der Wiederverwertung Materialien mit gleichbleibender oder niedrigerer Qualität als das Ursprungsmaterial liefert, und „Recover”, also die thermische Verwertung von Werkstoffen zur Gewinnung von Energie.

Neben der Herausforderung, Circular-Economy-fähige Produkte zu entwickeln, steht am Anfang für Organisationen die Frage: Welche Strategie kommt für welches Produkt in Frage? Das ist eine mehrdimensionale Problemstellung, die zum einen von der Komplexität des Produktes abhängt und zum anderen mit der Verfügbarkeit des Produktes nach der Nutzung durch den Kunden, was auch zum Beispiel den Aufbau eines Retourenmanagement (Reverse Logistik) benötigt.

Berufsbild Nachhaltigkeitsmanager

Die Themen Nachhaltigkeit und Klima­schutz gehören zu den Mega­trends unserer Zeit. Für Unter­nehmen wird es somit immer wichtiger, CSR-Maßnahmen um­zu­setzen und ihrer gesell­schaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Mit dem größeren Fokus auf Nachhaltigkeit haben sich in den letzten Jahren eine Vielzahl an grünen Jobs entwickelt, wie beispielsweise der Job als Nachhaltigkeitsmanager.
Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Nachhaltigkeitsmanager:

  • Welche Aufgaben betreuen Nachhaltigkeitsmanager?
  • Wie werde ich Nach­haltigkeits­beauf­tragter?
  • Welche Weiter­bildungs­möglich­keiten gibt es?
  • Was verdient ein Nach­haltigkeits­manager?
  • Welche Jobs gibt es im Nach­haltigkeits­manage­ment?

Zum Berufsbild Nachhhaltigkeitsmanager »

Unterstützung durch ein Managementsystem nach der DIN EN ISO 14001

Im DGQ-Blogbeitrag „Nachhaltigkeitsmanagement: Tipps für KMU” hat der DGQ-Fachkreis Nachhaltigkeit bereits darauf hingewiesen, dass Managementsysteme bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsaktivitäten hilfreich sein können. Insbesondere Unternehmen mit einem Umweltmanagementsystem nach der DIN EN ISO 14001 (kurz ISO 14001) fällt die Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft wesentlich leichter.

Nachfolgend sind die wesentlichen Vorteile aufgelistet:

  • Rechtskonformität (bindende Verpflichtungen) ist Bestandteil der weltweit anerkannten Zertifizierung nach ISO 14001
  • Die Umsetzung der normativen Anforderungen wird jährlich von externen Zertifizierungsgesellschaften bzw. deren Auditoren geprüft
  • Mindestens einmal im Jahr wird im Management Review die Rechtskonformität bestätigt
  • Die hohe internationale Akzeptanz der Zertifizierung schafft Vertrauen bei internen und besonders bei externen Stakeholdern (Kunden, Lieferanten, Behörden, Geldgebern, etc.)
  • Erhöhtes Umweltbewusstsein aller Mitarbeiter zeichnet die Organisationskultur aus
  • Umweltschutz und Umweltmanagement, auch auf operativer Ebene, sind Teil der Unternehmenspolitik und Unternehmensstrategie
  • Das Abfallmanagement geht über in ein Wertstoffmanagement und regelmäßig erhobene Daten informieren sowohl über die eingesetzten sowie die rückgeführten Materialmengen als auch das erzielte jährliche Erlösen und Kosten
  • Die Umweltaspekte-Bewertung trägt unter anderem dazu bei, kontinuierlich den Einsatz von umweltbelastenden Stoffen wie beispielsweise Abfällen, Abwässern, Emissionen etc. zu reduzieren
  • Neue, auch gesetzliche, Umweltschutzauflagen auf internationaler Ebene und deren Änderungen werden schnell und effektiv umgesetzt
  • Regelmäßig wird eine umweltbezogene Chancen- und Risikobeurteilung vorgenommen entsprechend der im Unternehmen implementierten Prozesse
  • Um Schwachstellen unverzüglich zu identifizieren, sind standardisierte Prozesse mit Kontroll- und Steuerungsmechanismen vorhanden
  • Die Produktlebenszyklusbetrachtung, wenn auch nicht explizit gefordert, ist Teil der ISO 14001
  • Durch die Harmonized Structure der ISO 14001 ist mit geringem Aufwand eine Erweiterung zu einem Integrierten Managementsystem möglich

Unternehmen, welche nach der ISO 14001 zertifiziert sind, lehnen sich darüber hinaus häufig an die DIN EN ISO 14040 (Umweltmanagement – Ökobilanz – Grundsätze und Rahmenbedingungen) und DIN EN ISO 14044 (Umweltmanagement – Ökobilanz – Anforderungen und Anleitungen) an.

Ökobilanzen (ein anderer häufig verwendeter Begriff lautet Lebenszyklusbetrachtung, engl. Life Cycle Assessments, LCA) analysieren und bewerten die Umweltauswirkungen von Produkten und Dienstleistungen über deren gesamten Lebensweg. In erster Linie geht es hierbei um die Material- und Energieflüsse und die daraus resultierenden Auswirkungen für die Umwelt.

 

Zusammengefasst: Mit einem zertifizierten Managementsystem nach ISO 14001 werden beste Voraussetzungen geschaffen, sowohl für eine kontinuierliche Verbesserung der Umweltleistung als auch für ein verantwortungsvolles und nachhaltiges Wirtschaften innerhalb einer Organisation. Das europäische Umweltmanagementsystem EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) basiert auf dem standardisierten Umweltmanagementsystem der ISO 14001. EMAS geht jedoch sogar noch über die Normanforderungen hinaus: Es fordert explizit einen Nachweis zur Verbesserung der Umweltleistung und die Einhaltung der Rechtsvorschriften in Form eines Umweltberichts oder einer Umwelterklärung.

 

Konkrete Hinweise für die Umstellung einer Organisation zu einer Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) erhalten Sie im zweiten Teil der Beitragsreihe: Von der Linearen Wirtschaft zur Kreislaufwirtschaft (Circular Economy), Teil 2 – Hinweise für die Umstellung »

 

Über die Autoren:

Prof. Dr.-Ing. Irina Mazilu-Eyaz hat Materialwissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt und am Imperial College London studiert. Während Ihrer 11-jährigen Berufstätigkeit bei einem internationalen Technologiekonzern sammelte sie Erfahrung im Qualitätsmanagement und wurde zur Methoden-Expertin für technische Problemlösung. Seit 2021 ist sie Professorin für Qualitätsmanagement und Werkstoffkunde an der Hochschule RheinMain und entwickelt auch neue Lehrveranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit. Im Mai dieses Jahrs wurde sie ins Leitungsteam des DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit gewählt.

Dr. Wilhelm Floer hat als promovierter Maschinenbauingenieur und Qualitätsmanagement-Experte zahlreiche praktische Erfahrungen im Rahmen von Audits gesammelt. Er war über zehn Jahre im QM-Bereich Automotive in den unterschiedlichsten Positionen bei verschiedenen Unternehmen (OEM und First Tier) tätig. Bei einem namhaften Haushaltsgerätehersteller hat er sich unter anderem für agiles QM und als Energie- und Umweltmanagementvertreter für Nachhaltigkeitsthemen eingesetzt sowie als Co-Autor bei der Erstellung der Nachhaltigkeitsberichte mitgewirkt. Als Dozent für die DGQ leitet Dr. Wilhelm Floer seit 2019 verschiedene Trainings. Derzeit arbeitet er als Digitaler Nomade und steht als Freelancer, Coach und Consultant für VDA-, QM-, UM-, EM- und Nachhaltigkeits-Themen zur Verfügung. Wilhelm Floer ist Mitglied des Leitungsteams des Fachkreis Nachhaltigkeit.

Einfluss von ESG-Ratings auf die Nachhaltigkeit von Unternehmensprozessen, Teil 1

ESG, Environmental, Social, Governance

Gute ESG-Ratings können Unternehmen Zugang zu kostengünstigem Eigen- und Fremdkapital verschaffen, ihre Marktpräsenz stärken und die Markenbekanntheit verbessern. Aber inwiefern wirken sich derartige Ratings auch auf die Gestaltung unternehmensinterner Prozesse aus?

Wer sich in den vergangenen Jahren mit dem Thema Nachhaltigkeit in Unternehmen beschäftigt hat, ist um folgende drei Buchstaben nicht herumgekommen: „ESG“. Das Akronym beschreibt die drei großen Bereiche, in denen Nachhaltigkeit (in der Wirtschaft) angestrebt wird: Umwelt („Environment“), Soziales („Social“) und Unternehmensführung („(Corporate-) Governance“). Viele Unternehmen veröffentlichen Informationen darüber, wie und in welchen Bereichen sie sich für Nachhaltigkeit engagieren. Um diese Informationen kurz und übersichtlich zusammenzufassen und Investoren eine qualitative Bewertung zur Verfügung zu stellen, gibt es ESG-Ratings.

Vorgehensweise der Ratingagenturen

Die Ratingagenturen, die jene Ratings erstellen, bewerten die Unternehmen häufig aufgrund von öffentlich verfügbaren oder individuell zur Verfügung gestellten Daten kurz und prägnant auf einer intuitiven Skala, wie zum Beispiel von 0 bis 100 oder auch von CCC bis AAA. Im vergangenen Jahrzehnt ist die Nachfrage von Investoren, in nachhaltige Unternehmen zu investieren, geradezu explodiert (Larcker et al/Stanford, 2022) und die verschiedenen Indizes oder Fonds, in denen die bestbewerteten Unternehmen gelistet sind, haben im Wert um viele Milliarden oder sogar Billionen US-Dollar zugelegt (C. Simpson / Bloomberg, 2021). Dies gibt Anlass zur Vermutung, dass ein gutes ESG-Rating für ein Unternehmen von großem wirtschaftlichem Vorteil sein kann. Wie groß der Ansporn für Unternehmen wirklich ist und inwiefern Unternehmen dafür tatsächlich nachhaltiger werden müssen, ist jedoch weitgehend unerforscht.

Um herauszufinden, ob ESG-Ratings einen positiven Einfluss auf die Nachhaltigkeit von Unternehmensprozessen haben, müssen mehrere Komponenten betrachtet werden. Daher soll es in diesem Beitrag einerseits darum gehen, alle Vorteile zu sammeln, die ein Unternehmen durch ein positives ESG-Rating gewinnt. Interessierte sollen verstehen, welchen Anreiz ein gutes Rating liefern kann, da bei Unternehmen der Profit an erster Stelle steht. Entscheidende Umstrukturierungen müssen also immer durch einen finanziellen Anreiz initiiert werden. Andererseits werden in diesem Beitrag die Schritte herausgearbeitet, die ein Unternehmen gehen muss, um ein positives Rating zu erhalten. Dabei wird hinterfragt, wie herausfordernd einige dieser Veränderungen sind oder ob vergleichsweise geringe Veränderungen bereits wesentliche Verbesserungen in den Ratings erzielen können.

Vorteile eines guten ESG-Rating

Zunächst einmal zeigt ein gutes ESG-Rating, dass das Unternehmen seine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt ernstnimmt und nachhaltig agiert. In einer Welt, in der Nachhaltigkeit immer wichtiger wird, werden Unternehmen, die sich um die Umwelt und die Gesellschaft kümmern, von vielen Menschen bevorzugt. Positive ESG-Ratings können dazu beitragen, das Vertrauen von Kunden, Investoren und anderen Stakeholdern zu gewinnen und zu stärken (J. Mandorfer, 2022). Die Markenbekanntheit wird gesteigert und neue Kunden werden noch einfacher generiert. Darüber hinaus kann ein gutes ESG-Rating dazu beitragen, dass Regierungen und andere Institutionen das Unternehmen bevorzugen. Viele öffentliche Auftraggeber setzen bei der Vergabe von Aufträgen auf Unternehmen, die sich für Nachhaltigkeit und Verantwortung engagieren.

Berufsbild Nachhaltigkeitsmanager

Die Themen Nachhaltigkeit und Klima­schutz gehören zu den Mega­trends unserer Zeit. Für Unter­nehmen wird es somit immer wichtiger, CSR-Maßnahmen um­zu­setzen und ihrer gesell­schaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Mit dem größeren Fokus auf Nachhaltigkeit haben sich in den letzten Jahren eine Vielzahl an grünen Jobs entwickelt, wie beispielsweise der Job als Nachhaltigkeitsmanager.
Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Nachhaltigkeitsmanager:

  • Welche Aufgaben betreuen Nachhaltigkeitsmanager?
  • Wie werde ich Nach­haltigkeits­beauf­tragter?
  • Welche Weiter­bildungs­möglich­keiten gibt es?
  • Was verdient ein Nach­haltigkeits­manager?
  • Welche Jobs gibt es im Nach­haltigkeits­manage­ment?

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Schritte zur Verbesserung des eigenen Rankings

Eine wichtige Maßnahme für die Verbesserung des eigenen Ratings ist die Offenlegung von Informationen. Obwohl unklar ist, wie die Gewichtung von Informationen für ein gutes ESG-Rating genau ist, scheinen sich viele Experten einig darüber zu sein, dass primär der Akt, Informationen offenzulegen, zu verbesserten Ratings führt (S. Drempetic et al., 2020). Dazu gehört etwa die Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsberichten, in denen das Unternehmen detailliert über seine Leistungen sowie Ambitionen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung informiert. Ein weiteres wichtiges Element ist die Implementierung interner Prozesse und Strukturen, die es dem Unternehmen ermöglichen, seine ESG-Leistung kontinuierlich zu überwachen und zu verbessern. Unter anderem wäre das die Einführung von Umwelt- und Sozialmanagementsystemen sowie die Schaffung von Rollen und Verantwortungsbereichen innerhalb des Unternehmens, die sich speziell mit ESG-Themen beschäftigen.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Einbindung von ESG-Aspekten in die Geschäftsstrategie und die Unternehmensführung. Zu nennen wäre hier die Berücksichtigung von ESG-Faktoren bei Investitionsentscheidungen und die Berücksichtigung von ESG-Aspekten bei der Lieferantenauswahl (Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates Ziffer 34).

Relevanz im Kontext des Pariser Klimaabkommens

2015 haben 195 Länder das Pariser Klimaabkommen unterschrieben. Dieses verpflichtet die teilnehmenden Nationen dazu, jede Anstrengung zu unternehmen, die Erderwärmung bis 2030 auf maximal 2,0°C, besser sogar 1,5°C zu begrenzen (Übereinkommen von Paris (2015), Artikel 1). Es sieht vor, dass alle Teilnehmernationen eigene „ambitionierte“ Ziele setzen und diese anhand von zum Beispiel Gesetzen um- und durchsetzen. In dem Zuge wurden von der EU diverse Gesetze erlassen, die dabei helfen sollen, die selbstgesetzten Ziele der jeweiligen Länder zu erreichen. Die EU legte so als erster Gesetzgeber genau fest, was unter dem Begriff „Nachhaltigkeit“ zu verstehen sein soll, um Missverständnisse sowie Beschönigungen zu verhindern (Deutscher Bundestag (2022)).

Des Weiteren setzte die EU die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in Kraft, die vor allem die größten Unternehmen dazu verpflichtet, Nachhaltigkeitsberichte zu veröffentlichen. Viele weitere Unternehmen wie zum Beispiel Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeitenden oder kapitalmarkt­orientierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen in den nächsten Jahren folgen, sodass bis 2025/2026 die Nachhaltigkeitsberichte von ca. 70% aller großen Unternehmen vorliegen (Richtlinie (EU) 2022/2464 des Europäischen Parlaments und des Rates). Diese nicht-finanzielle Berichterstattung ist in der EU-Taxonomie geregelt. Teil der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist auch eine konkrete Zielsetzung, wie das berichtende Unternehmen zu den Klimazielen 2030 beitragen wird. So soll nicht nur ein CO2-Ausstoßziel gesetzt werden, sondern auch eine konkrete Strategie, um dieses zu erreichen. Diese gesetzliche Vorschrift, die realistische und ambitionierte selbstgesetzte Ziele von den Unternehmen fordert, ist einer der wichtigsten Schritte dabei, die angestrebten Klimaziele tatsächlich zu erreichen. Die Ziele der Unternehmen, der Regierung und der Bevölkerung werden auf diese Weise vereint. Sobald genau festgelegt ist, nach welchen Definitionen und Regularien ein Nachhaltigkeitsbericht geschrieben werden muss, werden Unternehmen ihren Konkurrenten gegenüber, ähnlich wie bei einer klassischen finanziellen Berichterstattung, deutlich transparenter und vergleichbarer. So ist es Shareholdern und Stakeholdern besser möglich, die aktuelle Lage einzuschätzen, und auch die Ratingersteller haben konkrete und genormte Zahlen und Begriffe, die in die Bewertungen einfließen können. Potenziell können dadurch also einheitlichere Ratings innerhalb einer Ratingagentur zu erwarten sein.

Arten und Zweck von Ratings

ESG-Ratings sollen ein übersichtliches, verständliches Bild davon abgeben, wie ein Unternehmen in den jeweiligen ESG-Bereichen abschneidet. Sie haben, ähnlich wie die Jahresabschlüsse, zwei wichtige Interessensparteien:

  1. Shareholder (Anteilseigner eines Unternehmens, zum Beispiel Aktionäre) und
  2. Stakeholder (andere vom Fortbestand des Unternehmens Profitierende, zum Beispiel Lieferanten oder Mitarbeiter)

Stakeholder verlangen Informationen über die Implementation von ESG hauptsächlich, um ihre weitere Zusammenarbeit einzuschätzen. Durch ihre Involvierung unterstützen sie die Tätigkeiten des Unternehmens und geben somit indirekt ihre Zustimmung zu der Unternehmensführung preis. Shareholder haben darüber hinaus zusätzlich die Perspektive, dass ihre Investition im Wert wachsen soll. Beide treffen ihre Geschäftsentscheidungen vermehrt auf Grundlage ethischer Grundprinzipien, weshalb es wichtig ist, die Vor- und Nachteile, Probleme und Chancen aus beiden Perspektiven zu betrachten.

Beispiel für die Veränderung des ESG-Ratings

Wird zum Beispiel ein neues Gesetz erlassen, das den CO2-Ausstoß stärker besteuert, bedeutet das ein gestiegenes (ESG-)Risiko für die Unternehmen, die nur schwer CO2 einsparen können. Folglich wird das Rating dieses Unternehmens schlechter. Dabei macht das schlechtere Rating den Eindruck, als hätte sich an der Unternehmenspraktik etwas geändert. Stellt das Unternehmen daraufhin auf Elektrofahrzeuge um oder entscheidet sich anderweitig CO2-Ausstoß zu senken, verbessert sich das Rating wieder, da das Risiko für Strafen oder größere Belastungen durch die CO2-Steuer gesunken ist. Dabei entsteht der Eindruck, dass das Rating sich aus dem Grund verbessert hat, weil weniger CO2-Ausstoß eine geringere Umweltbelastung bedeutet (N. Leeb, 2021). Diese Perspektive darf also nie außer Acht gelassen werden, wenn Unternehmensratings verglichen werden. Ein gutes Rating bedeutet in vielen Fällen, dass aktuell kein besonders hohes ESG-Risiko besteht, und nicht, dass das Unternehmen tatsächlich einwandfreie Umweltpolitik betreibt.

Die Autor:innen haben zu diesem Thema eine Expertenbefragung durchgeführt, deren Ergebnisse Sie im demnächst erscheinenden Teil 2 dieses Fachartikels lesen.

 

Der Text wurde von Prof. Dr. Irina Mazilu-Eyaz und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Simone Schwarz verfasst und beruht auf der von Prof. Dr. Irina Mazilu-Eyaz und Prof. Dr. Alexander Rühl betreuten Bachelorarbeit von Herrn Maximilian Krause an der Hochschule RheinMain.

 

Über die Autoren:

Prof. Dr.-Ing. Irina Mazilu-Eyaz hat Materialwissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt und am Imperial College London studiert. Während Ihrer 11-jährigen Berufstätigkeit bei einem internationalen Technologiekonzern sammelte sie Erfahrung im Qualitätsmanagement und wurde zur Methoden-Expertin für technische Problemlösung. Seit 2021 ist sie Professorin für Qualitätsmanagement und Werkstoffkunde an der Hochschule RheinMain und entwickelt auch neue Lehrveranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit. Im Mai dieses Jahrs wurde sie ins Leitungsteam des DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit gewählt.

Kontakt: irina.mazilu-eyaz@hs-rm.de, www.hs-rm.de

Bis Ende 2023 war Simone Schwarz wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule RheinMain und arbeitet jetzt beim GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH in Darmstadt. Sie forscht für ihr Promotionsvorhaben zum Thema Nachhaltigkeit und Circular Economy im Bereich Maschinenbau.

Kontakt: s.schwarz@gsi.de, www.gsi.de


Larcker et al/Stanford (2022), ESG-Ratings – A Compass Without Direction, S. 11.

C. Simpson / Bloomberg (2021), Where ESG’s $35 Trillion Explosion Really Came From.

J. Mandorfer (2022), Nachhaltigkeitsberichterstattung i. d. Österreichischen Vers.-wirtschaft, S. 12.

S. Drempetic et al. (2020), The Influence of Firm Size on the ESG Score: Corporate Sustainability Ratings Under Review, S. 348 ff.

Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates Ziffer 34.

Übereinkommen von Paris (2015), Artikel 1.

Deutscher Bundestag (2022), Die EU-Taxonomie nachhaltiger Aktivitäten, Nr. 05/22, S. 1.

Richtlinie (EU) 2022/2464 des Europäischen Parlaments und des Rates.

N. Leeb (2021), ESG-Ratings und ESG Indizes – Eine Vergleichende Analyse, S. 23.


„Auch das Integrierte Managementsystem vom Prozess her denken“

Integrierte Managementsysteme, IMS

Qualität, Energie, Umwelt oder Arbeitsschutz – die Anforderungen an Unternehmen werden immer vielfältiger und umfangreicher. Als effiziente Lösung bietet sich hier ein integriertes Managementsystem (IMS) an. Doch wie ein solches implementieren? Im Interview erläutert Philipp Hörmann, DGQ-Trainer und Gründer der Unternehmensberatung WeitBlick, die Vorteile eines IMS, warum die Prozesssicht entscheidend ist und welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration zu erfüllen sind.

Wo sehen Sie bei einem integrierten Managementsystem die größten Vorteile?

Philipp Hörmann: Um es auf den Punkt zu bringen – mehr Effektivität, Effizienz und Transparenz! Mit Hilfe eines integrierten Managementsystem schafft man, Aufwände, Kosten und Abläufe im Managementsystem und für die angestrebten Zertifizierungen zu optimieren. Dazu bedarf es einer ganzheitlichen Sichtweise und einer konsequenten Prozessorientierung. Außerdem sehe ich, wo Synergieeffekte optimal genutzt werden können und kann dadurch die verschiedenen Normanforderungen zentral bündeln. Da die Dokumentation meist ein ungeliebtes Thema ist, lässt sich auch hier mit einem gut aufgesetzten IMS der Aufwand reduzieren. In Verbindung mit dem einheitlichen methodischen Vorgehen erreicht man in der Regel auch mehr Akzeptanz bei den Mitarbeitenden und Beteiligten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist hinsichtlich des Risikomanagements die ganzheitliche Betrachtungsweise im Kontext mit Identifikation, Bewertung und Behandlung von Risiken inklusive des erforderlichen Maßnahmenmanagements. Auch die Pflege eines Rechtskatasters, mit dem gesetzliche und andere verbindliche Anforderungen von Stakeholdern erfasst und überwacht werden, schafft mehr Rechtssicherheit und reduziert Risiken.

Da es heutzutage zunehmend um Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien geht, spielt ein IMS auch hier eine Rolle. Durch bessere Informations- und Entscheidungsgrundlagen lässt sich die Wertschöpfung zielgerichteter steuern und die Leistung verbessern, während Fehlleistungen, Reklamationen oder Ausschuss reduziert werden.

Neben zahlreichen Vorteilen eines integrierten Managementsystems gibt es sicherlich auch viele Herausforderungen beim Aufbau und der Pflege. Worauf ist zu achten, damit eine Integration reibungslos funktioniert?

Philipp Hörmann: Sicherlich muss man einen Überblick über die Anforderungen der verschiedenen Bereiche haben, die ein IMS abdecken soll. Hinzu kommt ein solides Normverständnis – sei es als verantwortliche Einzelperson oder innerhalb eines Teams von Managementbeauftragten. Hier gilt es zu unterscheiden und zu berücksichtigen, welche Normen bereichsspezifisch oder übergreifend gültig sind. Dasselbe gilt für die Kenntnis der relevanten Regelwerke. Nur so lassen sich die Synergiepotenziale heben. Auch bei der Dokumentation gilt es dann, dass richtige Maß zwischen der Erfüllung von Anforderungen und einer möglichst einfachen Umsetzung zu finden. Hierbei ist ein grundsätzlich pragmatischer Ansatz sinnvoll. Schließlich sollte man über die Integration hinausdenken. Man muss klären, wie eine Integration so in den Arbeitsalltag gelingen kann, dass sie langfristig funktioniert und von den Mitarbeitenden gelebt wird. Denn eines sollte deutlich werden: Ein gut funktionierendes Managementsystem ist vor allem für die Mitarbeitenden und nicht für die Managementsystembeauftragten oder eine kleine Gruppe gedacht. Schließlich sind die Mitarbeitenden die Nutzer und Anwender.

Aber wie geht man konkret vor, wenn man beispielsweise auf der grünen Wiese beginnt?

Philipp Hörmann: Der beste Rat, den ich hier geben kann, lautet: Auch beim IMS immer vom Prozess her denken. Denn Mitarbeitende haben einen besseren Zugang zum Managementsystem, wenn sie dort ihre Prozesse und ihre Begrifflichkeiten wiederfinden. Die Abläufe des Alltags sollten wiedererkannt werden. Manche Organisationen machen den Fehler, dass sie sich eher an der Kapitelstruktur der Normen orientieren. Zwar unterstützt die „Harmonized Structure“ – eine einheitliche Struktur, nach der viele Normen aufgebaut sind – den Gedanken eines IMS. Die konkrete Gestaltung sollte sich jedoch am jeweiligen Prozess ausrichten. In jedem Schritt ist dann zu fragen, welches Managementsystem gerade zu beachten ist, welche Anforderungen ergeben sich daraus, welche Norm ist relevant und welche Dokumentation bietet sich an? Zumal die Komplexität in den Unternehmen hinsichtlich der Prozesse, Schnittstellen und Entscheidungen immer weiter steigt.

Im Idealfall kann man Mehraufwände durch ein IMS reduzieren, was modular und prozessorientiert aufgebaut ist. Ideal wäre, wenn man nur eine Prozesslandkarte hat und nicht zwei, drei oder vier. So lassen sich auch künftige neue Anforderungen leichter andocken. Falls mehrere Regelwerke und Normen angestrebt werden, ist meine dringende Empfehlung – „Schritt für Schritt“. Integrieren Sie nicht alle Normen auf einmal, sondern planen Sie die Integration nach und nach. Meist sind Mitarbeitende mit dem großen Wurf überfordert. Und kommunizieren sie! Binden Sie auch die oberste Leitung bei der Planung ein. Idealerweise unterstützt sie Sie bei der Kommunikation.

Berufsbild Prozessmanager

Wir leben in einer Zeit geprägt von Digitalisierung und Schnelllebigkeit. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen anpassungsfähig sind und auf veränderte Marktbedingungen eingehen können. Eine kontinuierliche Analyse und Optimierung von bestehenden Geschäftsprozessen ist sowohl für die Kosteneffizienz und Wirtschaftlichkeit, aber auch für die Kundenzufriedenheit von zentraler Bedeutung. Prozessmanager sind also gefragte Arbeitskräfte mit guten Zukunftsaussichten.
Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Prozessmanager:

  • Welche Aufgaben betreuen Prozessmanager?
  • Wie werde ich Prozessmanager?
  • Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es?
  • Was verdient ein Prozessmanager?
  • Welche Rollen gibt es im Prozessmanagement?

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Wie sehen die Verantwortlichkeiten für ein IMS typischerweise in der Praxis aus?

Philipp Hörmann: Das hängt stark von der Unternehmensgröße ab. In kleineren Organisationen erhält der Qualitätsmanagementbeauftragte oft den Auftrag, sich beispielsweise auch um Fragen des Umweltschutzes oder der Arbeitssicherheit zu kümmern. Größere Unternehmen können sich dagegen ein Team aus Spezialisten für den jeweiligen Bereich leisten. Die Teamleitung behält als Managementbeauftragter oder Koordinator für IMS den Überblick, ohne dabei fachlich tief in die Spezialgebiete einzusteigen. In dieser Funktion steht er häufig auch in einer direkten Berichtslinie zur Unternehmensleitung. Keine Frage, wer für das IMS zuständig ist, nimmt eine Schlüsselposition ein. Deswegen setzt diese Funktion – über die fachliche Expertise hinaus – ein breites Kompetenzprofil voraus. Apropos Kompetenzen, die notwendigen Kenntnisse zur Integration von Managementsystemen vermittelt übrigens das neue DGQ-Training „Integrierte Managementsysteme“. Die Premiere im Mai ist vielversprechend gestartet und die Rückmeldungen waren durchweg positiv.

Über welche weiteren Kompetenzen sollte ein Managementbeauftragter für IMS denn verfügen?

Philipp Hörmann: Neben den eher fachlich geprägten “Hardskills” sind auch die “Softskills” wichtig. Wie auch schon als Qualitätsmanager ist man in verschiedenen Rollen unterwegs und füllt verschiedene Funktionen aus: Beziehungsmanager, Kommunikator, Motivator, Einbinder, Stratege, Themenmanager, Übersetzer, Sprachrohr, Überzeuger und Durchsetzer. Da die Integration oftmals mit Change-Prozessen verbunden ist, spielt es eine entscheidende Rolle auch die oberste Leitung und die Beteiligten bei der Planung und Umsetzung einzubinden. Hier steckt viel Erfahrung und Prozesswissen dahinter.

Doppelte Wesentlichkeitsanalyse in der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Corporate Social Responsibility, CSR Strategy

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verlangt künftig eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse bei der Bewertung der Themen, die die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) vorgeben. Im Interview mit Franziska Patzwald, Produktmanagerin der DGQ-Weiterbildung, berichten Tobias Kirchhoff und Ann-Katrin Bimber von der DFGE – Institut für Energie, Ökologie und Ökonomie über die Bedeutung und Umsetzung der doppelten Wesentlichkeitsanalyse.

Was ist eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse?

Ann-Katrin Bimber: Die Wesentlichkeitsanalyse dient dazu, die für ein Unternehmen und seine Anspruchsgruppen bedeutenden Nachhaltigkeitsthemen zu ermitteln. Ein Unternehmen soll sich beim Nachhaltigkeitsmanagement zunächst auf die Themen konzentrieren, die als wesentlich betrachtet werden. Bei der Frage, was ‚wesentlich‘ oder ‚material‘ bedeutet, müssen im Sinne der doppelten Wesentlichkeit zwei Perspektiven berücksichtigt werden. Man unterscheidet zwischen der Inside-Out Perspektive, auch Impact Materiality genannt, und der Outside-In Perspektive, auch finanzielle Wesentlichkeit genannt. Diese Blickwinkel bilden die Basis für die Ableitung der strategisch relevanten Nachhaltigkeitsthemen und der Berichtspflichten.

Die Outside-In-Perspektive betrachtet externe Einwirkungen von Nachhaltigkeitsthemen auf das Unternehmen und dessen Geschäftsmodell, die Strategie und den Umsatz. Externe Entwicklungen sind beispielsweise Anpassungskosten an den Klimawandel oder eine strengere Regulatorik. Bei der Inside-Out Perspektive müssen Unternehmen ihre tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Nachhaltigkeitsthemen darlegen. Relevante Themen können hier der Einfluss des Unternehmens auf Umweltverschmutzung und Biodiversität genauso sein wie die Frage, inwiefern die Strategie Korruption verhindert und entgegenwirkt.

Warum ist das im Nachhaltigkeitskontext gerade so relevant?

Tobias Kirchhoff: Viele Unternehmen werden in den nächsten Jahren durch die Regelungen der Corporate Sustainability Reporting Directive sowie der European Sustainability Reporting Standards als Berichtsstandard dazu verpflichtet über ihre Nachhaltigkeitsperformance zu berichten. Die CSRD liefert dabei die Vorgaben, die European Sustainability Reporting Standards definieren die Inhalte. Die doppelte Wesentlichkeit ist eine zentrale Perspektive in der Corporate Sustainability Reporting Directive.

Unter der Non-Financial Reporting Directive (NFRD), der aktuell noch geltenden Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, ist ein Thema erst dann als wesentlich anzusehen, wenn es in beiden Dimensionen der Nachhaltigkeit wesentliche Auswirkungen verursacht. Um berichtspflichtig zu werden reicht hingegen künftig aus, wenn ein Thema in einer der beiden Dimensionen wesentliche Auswirkungen verursacht. Durch diese Änderung werden zukünftig mehr Themen als materiell eingestuft. Die Anzahl der berichtspflichtigen Inhalte und damit der Berichtsaufwand werden dadurch maßgeblich ausgeweitet.

Wie unterscheidet sich das zu den Anforderungen der Global Reporting Initiative?

Ann-Katrin Bimber: Die CSRD setzt auf bereits bestehende etablierte Berichtsstandards auf. Die Global Reporting Initiative (GRI) wird als Partner genannt, der sich in engem Austausch mit der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) befindet, die für die Entwicklung der Standards zur CSRD verantwortlich ist. GRI hat einen exklusiven Fokus auf die Impact-Materialität, also auf potenzielle und faktische, positive wie negative Auswirkungen, die durch Geschäftstätigkeiten des Unternehmens direkt oder indirekt entstehen. Die ESRS mit der doppelten Wesentlichkeit rücken zusätzlich die finanziellen Risiken und Chancen stärker in den Fokus.

Aufgrund der großen Überschneidungen zwischen den GRI-Indikatoren und den ESRS-Datenpunkten und den Parallelen bei den Grundprinzipien der Wesentlichkeit, sind Unternehmen, die heute bereits nach GRI berichten, gut für die ESRS aufgestellt. Um Unternehmen bei der Vorbereitung auf die ESRS zu unterstützen, bietet die DFGE in Zusammenarbeit mit der DQS GmbH Schulungen zum Thema GRI an.

Was sind die ersten Schritte bei der Umsetzung einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse?

Ann-Katrin Bimber: Bei der Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse ist eine gute Vorbereitung wichtig, die für die notwendige Transparenz über den Gesamtprozess sorgt. Es müssen die zur Umsetzung erforderlichen Ressourcen bereitgestellt werden und die notwendige Rückendeckung durch die Unternehmensleitung gegeben sein.

Zu Beginn der Analyse müssen Unternehmen sich die Frage stellen, welche Nachhaltigkeitsaspekte potenziell wesentlich sein können, also welche Themen innerhalb der Wesentlichkeitsanalyse bewertet werden sollen. Hierfür orientieren wir uns an den ESRS. Diese bieten für die Erstellung der Liste mit potenziell wesentlichen Themen einen guten Ausgangspunkt. Zusätzlich können Nachhaltigkeitsratings, international anerkannte Reportingstandards und Sektorprofile genutzt werden. Wichtig hierbei ist, dass die Liste der Themen in einer Wesentlichkeitsanalyse stets vollständig und überschneidungsfrei ist.

Berufsbild Nachhaltigkeitsmanager

Die Themen Nachhaltigkeit und Klima­schutz gehören zu den Mega­trends unserer Zeit. Für Unter­nehmen wird es somit immer wichtiger, CSR-Maßnahmen um­zu­setzen und ihrer gesell­schaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Mit dem größeren Fokus auf Nachhaltigkeit haben sich in den letzten Jahren eine Vielzahl an grünen Jobs entwickelt, wie beispielsweise der Job als Nachhaltigkeitsmanager.
Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Nachhaltigkeitsmanager:

  • Welche Aufgaben betreuen Nachhaltigkeitsmanager?
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  • Welche Weiter­bildungs­möglich­keiten gibt es?
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  • Welche Jobs gibt es im Nach­haltigkeits­manage­ment?

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Wie können Stakeholder bei der Materialitätsanalyse miteinbezogen werden?

Tobias Kirchhoff: Wir durchlaufen mit unseren Kunden mehrere Schritte, um die Wesentlichkeit der Themen zu beurteilen und Stakeholder miteinzubeziehen. Hierzu gehören unter anderem eine Sektorenanalyse, eine Medienanalyse und ein Kunden- und Wettbewerberbenchmark. Zur Beurteilung der Financial Materiality involvieren wir außerdem das Risikomanagement des Unternehmens und führen Gespräche mit internen Expert:innen.

Eine Wesentlichkeitsanalyse sollte immer die Stakeholder eines Unternehmens miteinbeziehen. Hierfür nutzen wir eine Online-Umfrage, die von einer Vielzahl von Stakeholdern statistisch fundierte Aussagen darüber liefert, welche Themen von welchen Gruppen besonders favorisiert werden. Quantitative Modelle ergänzen die Befragung um eine wissenschaftliche Faktenbasis und erlauben eine meinungsunabhängige und zukunftsgerichtete Beurteilung der Wesentlichkeit.

Was sind die größten Herausforderungen bei ihren Kunden?

Ann-Katrin Bimber: Die Durchführung einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse ist aufwendig. Oftmals wird die Komplexität unterschätzt, wodurch zu wenig Zeit und Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Herausfordernd kann auch die Festlegung der Interessensgruppen sein, die in die Analyse einbezogen werden sollen. Insbesondere bei der Beurteilung der Financial Materiality müssen die Stakeholder die Fähigkeit haben, ihre Meinung als Privatperson nicht mit der Unternehmenssicht zu verwechseln. Hier kann es hilfreich sein, Stakeholder zu befragen, die sich bereits mit den finanziellen Implikationen von Nachhaltigkeitsthemen für das Unternehmen beschäftigt haben.

Eine weitere Herausforderung ist die Betrachtung der Wesentlichkeit der Themen über die gesamte Wertschöpfungskette. Auswirkungen können beispielsweise durch eine Geschäftsbeziehung in der Lieferkette oder in der Nutzungsphase eines Produktes auftreten. Um fundierte Ergebnisse durch die Wesentlichkeitsanalyse zu erhalten, müssen all diese Auswirkungen betrachtet werden.

Die Umsetzung der doppelten Wesentlichkeitsanalyse ist ein Aspekt, der nicht trivial ist, aber wichtige Einsichten liefern kann, die zur Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie beitragen können und den Auftakt für einen langfristigen Stakeholderdialog bilden, der das Ziel hat, zukünftige Herausforderungen zu erkennen und gemeinsam zu meistern.

 

Über die Interviewpartner:

Tobias Kirchhoff leitet das Reporting Team der DFGE und unterstützt Kunden dabei, ihre Reporting-Anforderungen zu meistern.

Ann-Katrin Bimber ist Senior Project Specialist Corporate and Supply Chain Sustainability bei der DFGE und arbeitet schwerpunktmäßig an den Themen GRI, CSRD, CSR-Ratings und TCFD.

Über das DFGE – Institut für Energie, Ökologie und Ökonomie:

Gegründet im Jahre 1999 als Spin-Off der Technischen Universität München, bietet die DFGE – Institut für Energie, Ökologie und Ökonomie Beratungsleistungen im Bereich Nachhaltigkeit an. Unser Angebot „Sustainability Intelligence“ beinhaltet Berechnungs-Management, Reporting Lösungen sowie Strategie-Entwicklung und zielt darauf ab, den Aufwand für die Teilnahme an mehreren Nachhaltigkeits-/CSR-Standards und Rankings wie CDP (Carbon Disclosure Project), UNGC (United Nations Global Compact), DJSI (Dow Jones Sustainability Index), EcoVadis oder GRI (Global Reporting Initiative) zu bündeln und übergreifende Strategien wie eine Nachhaltigkeitsstrategie gemäß den SDGs zu entwickeln. Ferner betreut die DFGE ihre Kunden als einziger Partner des CDP (Carbon Disclosure Project) für SBTs (Science-based Targets) ganzheitlich beim Thema Klimastrategie und hilft ihnen auf Produktebene oder unternehmensweit klimaneutral zu wirtschaften. Für die KI-gestützte Zukunft des CSR-Managements setzt die DFGE auf den Big Data Ansatz und Machine Learning. Zu den Kunden zählen internationale Unternehmen (DAX und Fortune 500), aber auch mittelständische Betriebe und öffentliche Einrichtungen.

Zur Website: www.dfge.de

Qualität und Nachhaltigkeit

Wie hängen die Begriffe Qualität und Nachhaltigkeit zusammen? Obwohl sich beide Begriffe auf unterschiedliche Felder beziehen, besteht zwischen ihnen ein enger Zusammenhang. „Qualität“ und „Nachhaltigkeit“ streben nach einer hohen Produkt-, Lebens-, sowie Umweltqualität. Sie erfordern Geduld, Sorgfalt, Reflexion und Durchhaltvermögen, um zu wirken.

 

 



Das Wort „Qualität“ geht auf das lateinische „qualitas“ zurück, das aus „qualis“ („wie beschaffen“) gebildet wurde. In der Gemeinsprache, aber auch in qualitätsbezogenen fachlichen Unterhaltungen steht „Qualität“ häufig (entgegen der Festlegung in DIN EN ISO 9000:2015-11 und in früheren Ausgaben dieser Norm) u. a. für Vortrefflichkeit, Sorte und Beschaffenheit.

Der Fachbegriff „Qualität“ ist international vereinheitlicht und in allen bisherigen terminologischen Festlegungen der ISO zum Qualitätsmanagement definiert, zuletzt in DIN EN ISO 9000:2015-11, 3.6.2.:

Qualität
Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale (3.10.1) eines Objekts (3.6.1) Anforderungen (3.6.4) erfüllt.

Anders gesagt: „Qualität ist die an der geforderten Beschaffenheit gemessene realisierte Beschaffenheit“.



„Nachhaltigkeit“ ist kein neues Konzept. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ geht auf den Deutschen Freiberger Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645–1714) zurück, der ihn in seinem Buch von 1713 auf die Forstwirtschaft übertrug. Das Ziel war die Schaffung eines stabilen Gleichgewichts.

Erfahren Sie mehr: Was bedeutet Nachhaltigkeit?

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Was bedeutet Nachhaltigkeit?

Up-to-date in NachhaltigkeitNachhaltigkeit – ein Wort, das uns in den letzten Jahren immer häufiger in fast allen Bereichen unseres Lebens begegnet. Doch was heißt Nachhaltigkeit genau? Während wir im Alltagssprachgebrauch den Begriff u. a. mit Langlebigkeit und Umweltschutz verbinden, bezieht sich „nachhaltige Entwicklung“ auf den verantwortungsbewussten Umgang mit den endlichen Ressourcen unserer Erde.

„Nachhaltigkeit“ gibt es schon seit über 300 Jahren

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Qualität und Wissen – die neue Norm ISO 30401

Wissensmanagementsysteme

Im Herbst 2018 wurde mit ISO 30401 Knowledge Management Systems – Requirements erstmals ein ISO-Standard veröffentlicht, um Wissen – ausgerichtet an den Bedarfen und Zielen der Organisation – systematisch in Mehrwert zu überführen. Wissen wird hierbei definiert als: “Human or organizational asset enabling effective decisions and action in context”.

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Prinzipien des internen Audits

Wozu dienen Audits?

Der Urquell des internen Audits

Seit es Managementsystemnormen gibt, ist das interne Audit nicht mehr wegzudenken. Es wurde dort als besonderes Instrument eingeimpft, um dem Managementsystem immer wieder in den Hintern zu treten. Krass formuliert? Aber genau das ist seine Aufgabe. Denn wer Betriebsorganisationen genauer betrachtet, kann regelmäßig feststellen, dass sich Unternehmens-, Prozess- oder Qualitätsziele bis zur letztendlichen Umsetzung oder gar potenziellen Verbesserung deutlich abschleifen oder auf halber Strecke liegenbleiben. Mit einem Audit soll der Finger in die Wunde gelegt werden um stattdessen konsequent, abgestimmt und reflexiv zu arbeiten. Darüber hinaus hat sich das interne Audit in den letzten zwei Jahrzehnten in vielerlei Hinsicht weiterentwickelt.

Dass das interne Audit heute eine wesentliche Methode für die Bewertung der Wirksamkeit eines ISO-Managementsystems ist, hat eine lange Historie. Schon in den 90ern gab es parallel die ISO-Reihen 10011-1 bis 3 für Qualitätsaudits und 14011-1 bis 3 für Umweltaudits. Es waren empfehlende Leitfäden für die Auditdurchführung, die Auditorenqualifikation und das Management des Auditprogramms. ISO 10011:1992 unterstützte so die Anforderung eines internen Audits von ISO 9001, als darin noch die Qualitätssicherung für die Prozesse Entwicklung, Produktion und Kundendienst statt des Managementsystems im Mittelpunkt stand. Das interne Audit hatte schon damals die Funktion, Nachweise für deren Eignung und Angemessenheit zu ermitteln. Vom damaligen ISO-Auditleitfaden bis zur heute aktuellen Folgenorm ISO 19011:2018 sind die drei wesentlichen Elemente im Auditprozess immer erhalten geblieben. So wie sich die Managementsysteme über Normengenerationen in Richtung Gesamtorganisation, Regelkreis, Prozessorientierung, Risiko und Kontext weiterentwickelt haben, entwickelte sich auch der ISO-Auditleitfaden weiter. Die drei Elemente Auditprogramm, Einzelaudit und Auditor sowie die Disziplinen Umwelt und Qualität wurden zusammengeführt. PDCA, Prozess-, Kontext- und Risikoorientierung sind nun selbstverständlich berücksichtigt.

Eine generische Methode

ISO 19011:2018 ist sowohl auf die Auditierung aller Managementsysteme anwendbar als auch auf andere Auditarten, also beispielsweise auf Prozess- oder Compliance-Audits. 1st, 2nd und 3rd party-Auditoren können sich zudem gleichermaßen daran orientieren.

Audit braucht Individualität

Als ein solcher Dauerbrenner ist das Audit wahrlich keine Modeerscheinung. Aufgrund seiner Unbequemlichkeit – als an und für sich starkes Controlling-Instrument – wird es aber auch gern kritisiert, unterschätzt oder überfrachtet. Neben der Konformitätsprüfung zu mehreren Normen soll es beispielsweise gleichzeitig Compliance sicherstellen, Mehrwert und Verbesserung fördern, manchmal sogar Mitarbeiter motivieren. Wer zu viele Erwartungen an ein Audit stellt, riskiert, dass das Audit in dem Versuch, alle Auditkriterien anzusprechen, sehr oberflächlich wird. Ein unglückliches Anliegen ist es auch, mit dem Audit andere Methoden mit verwandter Zielsetzung zu ersetzen, die bereits heute nicht funktionieren, wie z.B. ein ungenutztes Vorschlagswesen oder ein vernachlässigtes Prozesscontrolling. Und manchmal kann ein anderer methodischer Ansatz wie Stakeholder- oder Risikoanalyse besser helfen als ein Audit. Deswegen gilt es, jedem Audit eine Prägung zu geben und seinen speziellen Wert für das Unternehmen deutlich zu machen.

Berufsbild Auditor

Für die Integrität und Zuverlässigkeit von Unternehmen ist das Einhalten von gesetzlichen, behördlichen und normativen Vorgaben und Anforderungen essenziell. Neben dem Feststellen der Konformität können im Rahmen eines Audits unter anderem bewährte Praktiken erkannt, Lücken identifiziert und Optimierungspotenziale aufgedeckt werden. Auditoren können so einen entscheidenden Beitrag für das Unternehmen leisten und haben gute Karriereaussichten in den verschiedensten Branchen.
Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Auditor:

  • Welche Aufgaben betreuen Auditoren?
  • Wie werde ich Auditor?
  • Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es?
  • Was verdient ein Auditor?
  • Welche Karrieremöglichkeiten gibt es als Auditor?

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Audit mit sieben Prinzipien

Eine Besonderheit bei der Auditmethode ist, dass ihr Auditprinzipien zugrunde gelegt werden. Sie sollen für relevante, ausreichende und wiederholbare Auditergebnisse sorgen und sind auch sonst im Leben von Wert.

Integrität bedeutet, dass Auditoren professionell – nämlich verantwortungsvoll, unparteiisch, kompetent und selbstkritisch – vorgehen.
Sachlichkeit beruht auf wahrheitsgemäßer, objektiver, genauer und klarer Darstellung.
Sorgfalt zeigt sich, wenn Beurteilungen von Auditsituationen begründet werden.
Vertraulichkeit ist bei der Verwendung und dem Schutz erlangter Informationen selbstverständlich.
Unabhängigkeit des Auditors ist gegeben, wenn er frei von Voreingenommenheit, Interessenkonflikten und, soweit möglich, unabhängig von der auditierten Funktion ist.
Faktengestützt geht der Auditor vor, wenn er Auditschlussfolgerungen nachvollziehbar, mit systematischem Vorgehen und auf Basis angemessener Stichproben trifft.
Risikobasiert ist ein Auditprogramm bzw. ein Audit, wenn die für das Unternehmen bzw. den Auditauftraggeber relevanten Themen, insbesondere deren Risiken und Chancen, aufgegriffen werden.

Dieser Beitrag findet sich auch in der neuen Ausgabe des DGQ-Leitfadens “Willkommen in der Welt des Audits” von November 2019 wieder, den Sie sich auf unserer Themenseite “Audit” kostenfrei herunterladen können.

 

Kompetenzanforderungen an Auditoren

Wozu dienen Audits?

Das sollten Auditoren mitbringen

Von den Aufgaben zu den Kompetenzen

Grundsätzlich sind die meisten Aufgaben zur eigenständigen Durchführung eines Audits für interne und externe Auditoren gleich. Auditleiter, die ein Team durch den Auditprozess führen, benötigen mehr Führungskompetenzen. Externe Auditoren müssen ein breiteres Wissen sowie mehr Fach- und Branchenexpertise mitbringen. (mehr …)

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