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Die neue Hinweisgeberschutz-Richtlinie – Was Sie jetzt wissen müssen

Hinweisgeber

Die Europäische Gesetzgebung hat mit der Hinweisgeberschutz-Richtlinie (EU 2019/1937)[1] ihre Mitgliedstaaten gesetzlich zum Schutz von Hinweisgebern („Whistleblowern“) verpflichtet. Spätestens zum 17. Dezember 2021 werden 70.000 deutsche Unternehmen verpflichtet sein, interne Meldekanäle für (anonyme) Hinweisgeber einzurichten.

Betroffen sind

  • alle Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern,
  • alle im Bereich der Finanzdienstleistungen tätige Unternehmen,
  • Unternehmen ab 10 Mio. Euro Umsatz und
  • alle Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern.

Allerdings wird dies viele Unternehmen vor bis dahin unbekannte Herausforderungen stellen. Nehmen sie diese nicht ernst, drohen ihnen schmerzhafte Bußgelder und – vermeidbare – Reputationsschäden. Die Unternehmen werden darum werben müssen, dass innere Angelegenheiten zunächst nur innen bleiben. Dies wird ihnen aber nur mit einem professionellen Hinweisgeber-Management gelingen, bei dem die Meldungen von qualifizierten Mitarbeitern bearbeitet werden.

Dieselgate, Gammelfleisch & Co. zeigen Relevanz einer Hinweisgeberschutz-Richtlinie

Skandale sollen möglichst schnell ans Licht kommen. Deshalb wird der Gesetzgeber den Hinweisgebern erstmalig und ausdrücklich vor jedweder arbeitsrechtlicher Benachteiligung schützen, wenn er Verstöße im Zusammenhang mit Verbraucher- und Datenschutz, öffentlichem Auftragswesen, Finanzdienstleistungen, Geldwäsche, Produkt- und Verkehrssicherheit, nuklearer Sicherheit oder öffentlicher Gesundheit meldet.

Dies sind aber nur die Mindestvorgaben der EU. Es steht dem deutschen Gesetzgeber frei, seinen nationalen Katalog beliebig auf weitere Tatbestände auszudehnen. Mit den ersten Ergebnissen zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht wird im Herbst 2020 zu rechnen sein.[2]

Fest steht jetzt schon, dass es schmerzhafte Bußgelder nach sich ziehen wird, wenn Unternehmen die Einrichtungsverpflichtung ignorieren oder sie mit den erlangten Hinweisen nicht sachgerecht umgehen. Der Regierungsentwurf mit dem sperrigen Namen „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft (VerSanG[3])“ wird Unternehmen bei Fehlvergehen mit bis zu max. 10% ihres Gesamtumsatzes sanktionieren können, wenn sie ihre internen Compliance- und Aufklärungsbemühungen nur nachlässig betrieben haben.

Es werden zudem hohe Anforderungen an den Daten- und Geheimhaltungsschutz gestellt, damit Hinweisgeber nicht fürchten müssen, ihr Name könnte verbrannt werden oder das Unternehmen würde seinem Anliegen nicht ernsthaft nachgehen. Hinweisgeber sind in fest vorgeschriebenen Intervallen über den Stand der Untersuchungen zu unterrichten. Die Zeiten, in denen Hinweise ignoriert oder unter den Teppich gekehrt werden können, sind vorbei.

Die Qual der Wahl mit dem richtigen Kanal

Der Druck auf ein professionelles Hinweisgeber-Management wird steigen und einen regelrechten Qualitäts-Wettbewerb auslösen. Ein Unternehmen, das sich dem nicht stellt, steht schnell mit negativen Schlagzeilen in der Öffentlichkeit. Warum? Weil der Gesetzgeber es dem Hinweisgeber zukünftig freistellen wird, ob er für sein Anliegen zunächst den eigenen unternehmensinternen Meldekanal wählt oder er sich für eine sog. „externe Meldestelle“ entscheidet. Diese „externen Meldestellen“ werden durch den Gesetzgeber bestimmt.[4] Dies können z.B. Behörden, Verbände oder Gewerkschaften sein. Egal, welchen Kanal der Hinweisgeber auch nutzt, sein arbeitsrechtlicher Schutz vor jeglicher Benachteiligung bleibt in beiden Fällen gewahrt und derselbe.

Dass es der Gesetzgeber ernst meint, erkennt man in der gesetzlich verankerten Schulungspflicht[5] für alle externen Meldestellen-Betreiber. Diese werden mit dem nötigen psychologischen und rechtlichen Know-How ausgestattet werden. Man wird potentielle Hinweisgeber offensiv ermutigen, ihr Anliegen unabhängigen und professionellen Stellen anzuvertrauen, um so die Schwelle des Zögerns möglichst niedrig zu setzen.

Aber damit noch nicht genug: Die Richtlinie sieht sogar vor, dass sich der Hinweisgeber bei einer schwerwiegenden Gefährdung öffentlicher Interessen gleich und direkt an die Öffentlichkeit (Presse) wenden darf. Auch bei dieser dritten Eskalationsstufe wird er den Schutz der Richtlinie genießen.[6] Deshalb liegt es im ureigensten Interesse der Unternehmen, den potentiellen Hinweisgeber möglichst nur für den eigenen Meldekanal zu begeistern.

Die Botschaft muss daher lauten: „WIR kümmern uns um Ihr Anliegen!“ Fühlen sich Hinweisgeber nicht ernst genommen, werden sie schnell das Vertrauen in die eigene Meldestelle verlieren. Dies spricht sich herum und das verlorene Vertrauen wird nur schwerlich wieder zurückzugewinnen sein. Will ein Unternehmen seine eigene Meldestelle professionell und verantwortungsvoll betreiben, braucht es ein Qualifikationsniveau, das mit dem der „externen Meldestellen“ mindestens vergleichbar ist. Ansonsten kümmern sich andere um die heiklen Themen.

Hinweisgeber-Management – aber richtig

Hinweisgeber haben oftmals Angst vor Repressalien und scheuen die offene, umfassende Kooperation. Allerdings sind die Informationen aus ihren Hinweisen der Treibstoff für die Ermittlungen. Je korrekter und relevanter diese Informationen sind, desto besser und schneller führen die Ermittlungen zum Ziel. Daher ist der richtige Umgang mit dem Hinweisgeber der Schlüssel zum Erfolg.

Unternehmen werden einen ganz kleinen Kreis von Mitarbeitern benennen müssen, die abgeschirmt mit dem Hinweisgeber in Kontakt stehen. Sie werden mit ihm kommunizieren, ihm die Angst vor Repressalien nehmen, von ihm weitere nötige Informationen abfordern, ihn zu weiterer Kooperation ermutigen, die Glaubhaftigkeit seiner Angaben verifizieren und ihn regelmäßig über den Stand der Ermittlungen informieren müssen.

Dazu braucht es allerdings psychologisches und rechtliches Spezialwissen:

  • Mit welchen psychologischen Techniken gewinnt man das Vertrauen des Hinweisgebers?
  • Wie fördert man seine Aussagebereitschaft?
  • Welche Verhaltensregeln gelten im Umgang mit ängstlichen Hinweisgebern?
  • Mit welchen forensischen Methoden können Sie besser zwischen falschen und wahren Angaben unterscheiden?
  • Welche aussagepsychologischen Fragetechniken sollten Sie anwenden, wenn Sie den Hinweisgeber persönlich befragen?
  • Welche Belehrungs- und Benachrichtigungspflichten gelten gegenüber dem Hinweisgeber?
  • Welche Dokumentationspflichten sind einzuhalten?
  • Welche Datenschutzbestimmungen gelten für die in den Hinweisen erlangten personenbezogenen Daten? (Verarbeitung, Speicherung und Weitergabe)
  • Welche Herausgabeverpflichtungen bestehen gegenüber Behörden?
  • Welchen Auskunftsanspruch hat der Hinweisgeber?
  • Welche Bußgelder drohen bei Verstößen?

Es zeigt sich: viele Fragen sind noch offen. Unternehmen müssen daher bereits jetzt damit beginnen, sich auf das Inkrafttreten der Richtlinie vorzubereiten und ihr internes Hinweisgeber-Management zu professionalisieren.

 

[1] RICHTLINIE (EU) 2019/1937 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (Hinweisgeberschutz-Richtlinie); siehe https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32019L1937&from=en

[2] https://www.fr.de/wirtschaft/zurueckgepfiffen-wirtschaftsministerium-torpediert-schutz-whistleblowern-13654378.html

[3] https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Staerkung_Integritaet_Wirtschaft.html

[4] Artikel 11 (1) Hinweisgeberschutz-Richtlinie

[5] Artikel 12 (5) Hinweisgeberschutz-Richtlinie

[6] Artikel 15 (1) Hinweisgeberschutz-Richtlinie


Über den Autor:
Henning Stuke ist Autor, Kriminologe und Jurist. Als Trainer für forensische Interview-Technik schult er Konzerne, Mittelständler und Banken in investigativen Befragungstechniken im Kontext von Wirtschaftskriminalität und Hinweisgeber-Management.

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