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27. Juni 2014

Prozessorientierung ist angesagt

Die Überarbeitung der ISO 9001 geht auf die Zielgerade: die ISO hat den „Draft International Standard“ (DIS) im Mai an das zuständige deutsche Normungsgremium DIN zur Übersetzung ins Deutsche übermittelt. Diese Übersetzung soll Ende Juli vorliegen. Die Redaktion der Quality Engineering hat sich bei der DGQ umgehört, mit welchen Änderungen Unternehmen durch die Revision rechnen müssen.

„Wir gehen davon aus, dass die Grundzüge der Neuerungen nun nicht mehr verändert werden. Lediglich die Ausprägung einzelner Punkte könnte sich noch geringfügig ändern“, ist Michael Weubel überzeugt, Leiter der Landesgeschäftsstelle Mitte bei der Deutschen Gesellschaft für Qualität e.V. (DGQ). Ihr liegt seit Mitte Juni als Mitglied des Normungsausschusses NA 147 der DIS für die neue ISO 9001, die im Herbst 2015 in Kraft treten wird, in englischer Sprache vor. „Der DIS bietet nun noch einmal die letzte Möglichkeit für Einsprüche. Diese werden bis März 2015 eingearbeitet, sodass es danach nur noch redaktionelle Änderungen geben wird“, so Weubel.

Die wichtigsten Punkte sind für ihn: „Wir erkennen, dass die Norm praxisnäher wird. Sie wird reduzierter – ganz nach dem Motto „Weniger ist mehr“. Außerdem werden – nach dem Vorbild der Automobilindustrie – die Prozessorientierung und auch das Thema Risikomanagement gestärkt.“

Die Änderungen seien notwendig, denn seit der letzten großen Revision im Jahr 2000 habe es im Qualitätsmanagement einige grundlegende Veränderungen gegeben, auf die die Norm nun Antworten finden müsse. Beispiel Risikomanagement: „Die Unternehmen wollen heute nicht nur, dass Auditoren Checklisten abarbeiten und sie anschließend ein Papier an der Wand haben. Sie erwarten vielmehr wertschöpfende Audits im Sinne von Feedback. Der Nutzen des Qualitätsmanagement-Systems für das Unternehmen muss stärker fokussiert werden. Das heißt auch, dass auf formale Dinge weniger Gewicht gelegt wird als noch in der Vergangenheit. Wir erkennen, dass dies im Entwurf für die ISO 9001: 2015 gelungen ist.“

Konkret beim Risikomanagement heißt das: Welche Risiken bestehen für Unternehmen, wenn Ziele nicht erreicht werden? Welche Risiken bestehen beispielsweise durch ineffizientes Arbeiten?

Die zunehmende Praxisnähe der Norm zeigt sich nach Ansicht von Weubel darin, dass ein formales QM-Handbuch und die sechs dokumentierten Verfahren nicht mehr gefordert sind. „Die Norm wird unternehmerisch oder: die Norm denkt unternehmerisch“, bringt es der DGQ-Experte auf den Punkt. Es geht nun vielmehr um den Kontext der Organisation: In welchem Umfeld ist ein Unternehmen aktiv? „Das QM-System soll nicht zweckfrei aufgebaut werden, sondern den Unternehmen helfen, ihre wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. Die Wirksamkeit des QM-Systems wird also verstärkt in den Fokus gerückt, die Norm orientiert sich damit an der Praxis.“

Auch die Rolle des Qualitätsmanagement-Beauftragten werde entfallen. „Das sorgt natürlich für Aufruhr – vor allem bei denjenigen, die diese Position derzeit bekleiden“, weiß Weubel. Doch gibt er gleich Entwarnung: Die Aufgaben des Qualitätsmanagement-Beauftragten bleiben weiterhin bestehen, die Unternehmen seien künftig aber freier in ihrer Entscheidung, wie sie diese Aufgaben organisieren wollen. Weubel: „Wenn ein Leitungsteam gemeinschaftlich auch QM-Aufgaben bespricht, läuft das Unternehmen nicht Gefahr, eine QM-Scheinwelt aufzubauen. Die neue Norm mit erheblich reduziertem Bürokratieaufwand rückt damit das Thema Qualitätsmanagement auch wieder näher an den Vorstand und die Geschäftsführung heran.“

Auch die zunehmende Prozessorientierung in der neuen Version der ISO 9001 sieht Weubel mit Wohlwollen: „Als das Thema mit der Version aus dem Jahr 2000 erstmals aufkam, haben manche Unternehmer einfach ihre Verfahrensanweisungen in Prozessbeschreibungen umbenannt. Das kann es natürlich nicht sein. Im Grunde wurden damit Zeit und Geld verschwendet..“ Der neue Entwurf formuliere ein umfassendes und sinnvolles Prozessmanagement mit Verantwortungen und Zielen, die mit Indikatoren und Kennzahlen sauber gesteuert werden.

Quelle: QUALITY ENGINEERING | Ausgabe 2014/002
Autorin: Sabine Koll